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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. I. Band.

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Erfindung im eigentlichen Sinne kann man zwar nicht reden. Taucherboote zu
friedliche" Zwecken kennt die Industrie schon seit längerer Zeit. Seit Jahren
aber arbeitet die Kriegsmarine aller Staaten daran, diese Einrichtung für
den Krieg nutzbar zu machen, und nicht ohne Erfolg. Man baut jetzt Taucher¬
boote, die mit Leichtigkeit unter Wasser 16 Knoten, oder 4 deutsche Meilen die
Stunde, machen. -- Die "Landratte", besonders die "gebildete", ist sehr geneigt,
derartige neue Erscheinungen des Seewesens mit gleichgültigem Achselzucken an¬
zusehen. In diesem Falle dürfte aber das Interesse ein sehr gediegnes Motiv
haben. Es ist für uns Alle erfreulich, wenn der Staat nicht mehr gezwungen
ist, Hunderte von Millionen für Kriegsmaschinen auszugeben, deren Nutzen im
besten Falle fraglich bleibt. So lange als die großen Panzerschiffe keine
andern Gegner fürchteten, als die Artillerie, war keine Aussicht, daß die sich
fortwährend steigernde Wechselwirkung aufhören würde, welche zwischen einem
Schiffspanzer von 60 Centimeter Dicke, wie ihn der Inflexible trägt, zwischen
dem Geschoß von 800 Kilo, welches Krupps 35,5-Centimeter-Kanone braucht,
und zwischen dem Staatssäckel besteht.

Jetzt aber ist die Sache anders geworden: wie die Büchsenkugel des armen
Hakenschützen, sammt der Waffe nur wenige Thaler werth, den Ritter in Mai¬
länder Rüstung, die tausend Gulden kostete, röchelnd in den Sand der Wahl¬
statt warf, so ist der Taucher-Torpedo so recht "des armen Mannes Waffe".
Wenige Thaler genügen zu feiner Herstellung, 3--4 entschlossene Männer zu
seiner Bemannung, ja diese laufen Dank einer andern rechtzeitig gemachten
Erfindung nicht viel mehr Gefahr, als jede Patrouille in einem feindlich ge¬
sinnten Lande, als der Mineur des Pionirbataillons, der, auf Horchwache
liegend, dem Tode in scheußlichster Gestalt trotzt, den die Quetschmine zermalmen,
der Erddruck verschütten, das Messer oder Beil des Gegners zerfleischen kann.
-- Die neue Erfindung, welche wir meinen, ist der unter dem Namen a, 1a,
Le>Mo bekannte Anzug, welcher auch dem Nichtschwimmer einen 20-stündigen
Aufenthalt im Wasser ermöglicht. -- Wir werden weiter unten sehen, wieso
diese Erfindung von uns eine "rechtzeitige" genannt werden kann. Zunächst
wollen wir versuchen, unsern Lesern einen Begriff zu geben, von dem, was
man unter Taucher - Torpedo, Minen - Boot oder wie man den Todfeind der
Panzerschiffe nennen will, zu verstehen hat. Man denke sich ein von allen
Seiten luftdicht verschlossenes Gehäuse, Boot kann man kaum sagen, aus dem
sich nach Belieben des steuernden ein kleineres Gehäuse erhebt, 80--100
Centimeter hoch, mit Glasplatten, welche nach allen Seiten sreie Umsicht ge¬
statten. Das Boot ist von dem specifischen Gewicht des Wassers, kann nach
Belieben Wasser als Ballast nehmen und auswerfen, kann vermittelst hy¬
draulischen Apparates sowohl in der horizontalen als verticalen Ebene gesteuert


Erfindung im eigentlichen Sinne kann man zwar nicht reden. Taucherboote zu
friedliche» Zwecken kennt die Industrie schon seit längerer Zeit. Seit Jahren
aber arbeitet die Kriegsmarine aller Staaten daran, diese Einrichtung für
den Krieg nutzbar zu machen, und nicht ohne Erfolg. Man baut jetzt Taucher¬
boote, die mit Leichtigkeit unter Wasser 16 Knoten, oder 4 deutsche Meilen die
Stunde, machen. — Die „Landratte", besonders die „gebildete", ist sehr geneigt,
derartige neue Erscheinungen des Seewesens mit gleichgültigem Achselzucken an¬
zusehen. In diesem Falle dürfte aber das Interesse ein sehr gediegnes Motiv
haben. Es ist für uns Alle erfreulich, wenn der Staat nicht mehr gezwungen
ist, Hunderte von Millionen für Kriegsmaschinen auszugeben, deren Nutzen im
besten Falle fraglich bleibt. So lange als die großen Panzerschiffe keine
andern Gegner fürchteten, als die Artillerie, war keine Aussicht, daß die sich
fortwährend steigernde Wechselwirkung aufhören würde, welche zwischen einem
Schiffspanzer von 60 Centimeter Dicke, wie ihn der Inflexible trägt, zwischen
dem Geschoß von 800 Kilo, welches Krupps 35,5-Centimeter-Kanone braucht,
und zwischen dem Staatssäckel besteht.

Jetzt aber ist die Sache anders geworden: wie die Büchsenkugel des armen
Hakenschützen, sammt der Waffe nur wenige Thaler werth, den Ritter in Mai¬
länder Rüstung, die tausend Gulden kostete, röchelnd in den Sand der Wahl¬
statt warf, so ist der Taucher-Torpedo so recht „des armen Mannes Waffe".
Wenige Thaler genügen zu feiner Herstellung, 3—4 entschlossene Männer zu
seiner Bemannung, ja diese laufen Dank einer andern rechtzeitig gemachten
Erfindung nicht viel mehr Gefahr, als jede Patrouille in einem feindlich ge¬
sinnten Lande, als der Mineur des Pionirbataillons, der, auf Horchwache
liegend, dem Tode in scheußlichster Gestalt trotzt, den die Quetschmine zermalmen,
der Erddruck verschütten, das Messer oder Beil des Gegners zerfleischen kann.
— Die neue Erfindung, welche wir meinen, ist der unter dem Namen a, 1a,
Le>Mo bekannte Anzug, welcher auch dem Nichtschwimmer einen 20-stündigen
Aufenthalt im Wasser ermöglicht. — Wir werden weiter unten sehen, wieso
diese Erfindung von uns eine „rechtzeitige" genannt werden kann. Zunächst
wollen wir versuchen, unsern Lesern einen Begriff zu geben, von dem, was
man unter Taucher - Torpedo, Minen - Boot oder wie man den Todfeind der
Panzerschiffe nennen will, zu verstehen hat. Man denke sich ein von allen
Seiten luftdicht verschlossenes Gehäuse, Boot kann man kaum sagen, aus dem
sich nach Belieben des steuernden ein kleineres Gehäuse erhebt, 80—100
Centimeter hoch, mit Glasplatten, welche nach allen Seiten sreie Umsicht ge¬
statten. Das Boot ist von dem specifischen Gewicht des Wassers, kann nach
Belieben Wasser als Ballast nehmen und auswerfen, kann vermittelst hy¬
draulischen Apparates sowohl in der horizontalen als verticalen Ebene gesteuert


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[0149] Erfindung im eigentlichen Sinne kann man zwar nicht reden. Taucherboote zu friedliche» Zwecken kennt die Industrie schon seit längerer Zeit. Seit Jahren aber arbeitet die Kriegsmarine aller Staaten daran, diese Einrichtung für den Krieg nutzbar zu machen, und nicht ohne Erfolg. Man baut jetzt Taucher¬ boote, die mit Leichtigkeit unter Wasser 16 Knoten, oder 4 deutsche Meilen die Stunde, machen. — Die „Landratte", besonders die „gebildete", ist sehr geneigt, derartige neue Erscheinungen des Seewesens mit gleichgültigem Achselzucken an¬ zusehen. In diesem Falle dürfte aber das Interesse ein sehr gediegnes Motiv haben. Es ist für uns Alle erfreulich, wenn der Staat nicht mehr gezwungen ist, Hunderte von Millionen für Kriegsmaschinen auszugeben, deren Nutzen im besten Falle fraglich bleibt. So lange als die großen Panzerschiffe keine andern Gegner fürchteten, als die Artillerie, war keine Aussicht, daß die sich fortwährend steigernde Wechselwirkung aufhören würde, welche zwischen einem Schiffspanzer von 60 Centimeter Dicke, wie ihn der Inflexible trägt, zwischen dem Geschoß von 800 Kilo, welches Krupps 35,5-Centimeter-Kanone braucht, und zwischen dem Staatssäckel besteht. Jetzt aber ist die Sache anders geworden: wie die Büchsenkugel des armen Hakenschützen, sammt der Waffe nur wenige Thaler werth, den Ritter in Mai¬ länder Rüstung, die tausend Gulden kostete, röchelnd in den Sand der Wahl¬ statt warf, so ist der Taucher-Torpedo so recht „des armen Mannes Waffe". Wenige Thaler genügen zu feiner Herstellung, 3—4 entschlossene Männer zu seiner Bemannung, ja diese laufen Dank einer andern rechtzeitig gemachten Erfindung nicht viel mehr Gefahr, als jede Patrouille in einem feindlich ge¬ sinnten Lande, als der Mineur des Pionirbataillons, der, auf Horchwache liegend, dem Tode in scheußlichster Gestalt trotzt, den die Quetschmine zermalmen, der Erddruck verschütten, das Messer oder Beil des Gegners zerfleischen kann. — Die neue Erfindung, welche wir meinen, ist der unter dem Namen a, 1a, Le>Mo bekannte Anzug, welcher auch dem Nichtschwimmer einen 20-stündigen Aufenthalt im Wasser ermöglicht. — Wir werden weiter unten sehen, wieso diese Erfindung von uns eine „rechtzeitige" genannt werden kann. Zunächst wollen wir versuchen, unsern Lesern einen Begriff zu geben, von dem, was man unter Taucher - Torpedo, Minen - Boot oder wie man den Todfeind der Panzerschiffe nennen will, zu verstehen hat. Man denke sich ein von allen Seiten luftdicht verschlossenes Gehäuse, Boot kann man kaum sagen, aus dem sich nach Belieben des steuernden ein kleineres Gehäuse erhebt, 80—100 Centimeter hoch, mit Glasplatten, welche nach allen Seiten sreie Umsicht ge¬ statten. Das Boot ist von dem specifischen Gewicht des Wassers, kann nach Belieben Wasser als Ballast nehmen und auswerfen, kann vermittelst hy¬ draulischen Apparates sowohl in der horizontalen als verticalen Ebene gesteuert

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157640/149>, abgerufen am 23.07.2024.