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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. I. Band.

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ersten elf Zeilen lauten nach den Uebersetzungen von G. Smith und Fox Tal¬
bot folgendermaßen:

[Beginn Spaltensatz] G. Smith.

Sargina der mächtige Konig, König
von Agave bin ich.
Meine Mutter ward schwanger, mein
Vater wußte nicht (davon); meines
Vaters Bruder unterdrückte die Gegend.

In der Stadt Azuvirani, welche
an der Seite des Euphrat gelegen ist,

Empfing sie mich; meine Mutter
war schwanger, und in einem Haine
brachte sie mich zur Welt.

Sie legte mich in eine Wiege
von Weidenruthen; mit Erdpech
verschloß sie meinen Ausgang,

Und ließ mich fort auf den
Fluß treiben, welcher weg
von ihr mich trug.

Der Fluß schwemmte mich
zu AM, dem Abal.

Mi, der Abal in der Zärtlich¬
keit seines Herzens hob mich auf.

AM, der Abal, zog mich auf
als sein Kind.

AM. der Abal, stellte mich
an als seinen Ackermann,

Und bei meinem Ackerbau
begünstigte mich Istar.

[Spaltenumbruch] Fox Talbot.

Ich bin Sargina, der große König,
Der König von Agami.

Meine Mutter kannte nicht meinen
Vater; meine Familie waren die
Herrscher des Landes.

Meine Stadt war die Stadt Atzupirani,
welche ist an den Ufern des Euphrat.

Meine Mutter empfing mich; an
einem geheimen Orte brachte
sie mich zur Welt.

Sie legte mich in einen Kasten
von Binsen, mit Erdpech schloß
sie meine Thür zu.

Sie warf mich in den Fluß,
der nicht in den Kasten zu mir
eindrang.

Der Fluß trug mich, zur Wohnung
Attis, des Wasserträgers, brachte
er mich.

AM, der Wasserträger, in seiner
Herzensgüte hob mich heraus aus
dem Flusse.

AM, der Wasserträger, zog
mich auf als seinen eignen Sohn.

AM. der Wasserträger, stellte
mich an unter einem Stamme von Wald¬
leuten.
Von diesem Stamme von Waldleuten
machte Istar mich zum Könige.

[Ende Spaltensatz]

Smith nennt Sargon den babylonischen Moses und mit Grund; denn abge-
gesehen von der eigentlichen Peripetie, die mit den Worten Exodus 2, 2--3
übereinstimmt, gehen die beiden Uebersetzer in allen die Rettung des Sargon be¬
treffenden Einzelnheiten weit auseinander. Wäre der Text, wie Smith meint,
die assyrische Kopie einer wirklichen Inschrift des genannten Königs, so würde
viel näher als die von dem englischen Assyriologen gezogene Folgerung, daß
hier ein Usurpator spreche, welcher der Sohn eines früheren Herrschers sein
wolle, die andere liegen, daß Dinge in die Inschrift hineingelesen worden seien,
die gar nicht darin stehen. Denn daß ein König so über sich selbst berichtet


ersten elf Zeilen lauten nach den Uebersetzungen von G. Smith und Fox Tal¬
bot folgendermaßen:

[Beginn Spaltensatz] G. Smith.

Sargina der mächtige Konig, König
von Agave bin ich.
Meine Mutter ward schwanger, mein
Vater wußte nicht (davon); meines
Vaters Bruder unterdrückte die Gegend.

In der Stadt Azuvirani, welche
an der Seite des Euphrat gelegen ist,

Empfing sie mich; meine Mutter
war schwanger, und in einem Haine
brachte sie mich zur Welt.

Sie legte mich in eine Wiege
von Weidenruthen; mit Erdpech
verschloß sie meinen Ausgang,

Und ließ mich fort auf den
Fluß treiben, welcher weg
von ihr mich trug.

Der Fluß schwemmte mich
zu AM, dem Abal.

Mi, der Abal in der Zärtlich¬
keit seines Herzens hob mich auf.

AM, der Abal, zog mich auf
als sein Kind.

AM. der Abal, stellte mich
an als seinen Ackermann,

Und bei meinem Ackerbau
begünstigte mich Istar.

[Spaltenumbruch] Fox Talbot.

Ich bin Sargina, der große König,
Der König von Agami.

Meine Mutter kannte nicht meinen
Vater; meine Familie waren die
Herrscher des Landes.

Meine Stadt war die Stadt Atzupirani,
welche ist an den Ufern des Euphrat.

Meine Mutter empfing mich; an
einem geheimen Orte brachte
sie mich zur Welt.

Sie legte mich in einen Kasten
von Binsen, mit Erdpech schloß
sie meine Thür zu.

Sie warf mich in den Fluß,
der nicht in den Kasten zu mir
eindrang.

Der Fluß trug mich, zur Wohnung
Attis, des Wasserträgers, brachte
er mich.

AM, der Wasserträger, in seiner
Herzensgüte hob mich heraus aus
dem Flusse.

AM, der Wasserträger, zog
mich auf als seinen eignen Sohn.

AM. der Wasserträger, stellte
mich an unter einem Stamme von Wald¬
leuten.
Von diesem Stamme von Waldleuten
machte Istar mich zum Könige.

[Ende Spaltensatz]

Smith nennt Sargon den babylonischen Moses und mit Grund; denn abge-
gesehen von der eigentlichen Peripetie, die mit den Worten Exodus 2, 2—3
übereinstimmt, gehen die beiden Uebersetzer in allen die Rettung des Sargon be¬
treffenden Einzelnheiten weit auseinander. Wäre der Text, wie Smith meint,
die assyrische Kopie einer wirklichen Inschrift des genannten Königs, so würde
viel näher als die von dem englischen Assyriologen gezogene Folgerung, daß
hier ein Usurpator spreche, welcher der Sohn eines früheren Herrschers sein
wolle, die andere liegen, daß Dinge in die Inschrift hineingelesen worden seien,
die gar nicht darin stehen. Denn daß ein König so über sich selbst berichtet


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[0141] ersten elf Zeilen lauten nach den Uebersetzungen von G. Smith und Fox Tal¬ bot folgendermaßen: G. Smith. Sargina der mächtige Konig, König von Agave bin ich. Meine Mutter ward schwanger, mein Vater wußte nicht (davon); meines Vaters Bruder unterdrückte die Gegend. In der Stadt Azuvirani, welche an der Seite des Euphrat gelegen ist, Empfing sie mich; meine Mutter war schwanger, und in einem Haine brachte sie mich zur Welt. Sie legte mich in eine Wiege von Weidenruthen; mit Erdpech verschloß sie meinen Ausgang, Und ließ mich fort auf den Fluß treiben, welcher weg von ihr mich trug. Der Fluß schwemmte mich zu AM, dem Abal. Mi, der Abal in der Zärtlich¬ keit seines Herzens hob mich auf. AM, der Abal, zog mich auf als sein Kind. AM. der Abal, stellte mich an als seinen Ackermann, Und bei meinem Ackerbau begünstigte mich Istar. Fox Talbot. Ich bin Sargina, der große König, Der König von Agami. Meine Mutter kannte nicht meinen Vater; meine Familie waren die Herrscher des Landes. Meine Stadt war die Stadt Atzupirani, welche ist an den Ufern des Euphrat. Meine Mutter empfing mich; an einem geheimen Orte brachte sie mich zur Welt. Sie legte mich in einen Kasten von Binsen, mit Erdpech schloß sie meine Thür zu. Sie warf mich in den Fluß, der nicht in den Kasten zu mir eindrang. Der Fluß trug mich, zur Wohnung Attis, des Wasserträgers, brachte er mich. AM, der Wasserträger, in seiner Herzensgüte hob mich heraus aus dem Flusse. AM, der Wasserträger, zog mich auf als seinen eignen Sohn. AM. der Wasserträger, stellte mich an unter einem Stamme von Wald¬ leuten. Von diesem Stamme von Waldleuten machte Istar mich zum Könige. Smith nennt Sargon den babylonischen Moses und mit Grund; denn abge- gesehen von der eigentlichen Peripetie, die mit den Worten Exodus 2, 2—3 übereinstimmt, gehen die beiden Uebersetzer in allen die Rettung des Sargon be¬ treffenden Einzelnheiten weit auseinander. Wäre der Text, wie Smith meint, die assyrische Kopie einer wirklichen Inschrift des genannten Königs, so würde viel näher als die von dem englischen Assyriologen gezogene Folgerung, daß hier ein Usurpator spreche, welcher der Sohn eines früheren Herrschers sein wolle, die andere liegen, daß Dinge in die Inschrift hineingelesen worden seien, die gar nicht darin stehen. Denn daß ein König so über sich selbst berichtet

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157640/141>, abgerufen am 23.07.2024.