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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. I. Band.

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biete bis hin zur großen See, welche im Osten gelegen", in Besitz. Schrader
macht aus Bilchn "Balkh." Was mag er sich dabei gedacht haben? Er
folgte nach v. Gutschmid wahrscheinlich ohne nähere Prüfung einer französischen
Quelle. "Balkh ist die französische Orthographie der neupersischen Form des
Namens Bakhtri, aus dem zunächst dnrch dieselbe Lantwcmdlung, die part zu
gut werden ließ, Bansi und erst daraus wieder durch eine Umstellung Bates
geworden ist. Und diese neupersischeste aller neupersischen Formen findet
Schrader auf einer assyrischen Inschrift des nennten Jahrhunderts vor Christi
Geburt wieder! Und diese Inschrift läßt Bilchn "bis zur großen See im
Osten" unterworfen werden, welcher Ausdruck im Munde eines Assyrers doch
nur das Kaspische.Meer bedeuten kann. Balkh liegt aber für den Assyrer jen¬
seits, nicht diesseits des Kaspischen Meeres. Anderswo erklärt zwar Schrader,
der persische Golf sei gemeint, aber auch abgesehen davon, daß dieser südlich,
nicht östlich von Assyrien liegt, wäre damit nichts gewonnen; denn wer hat je
von einem bis zum persischen Meerbusen reichenden Gebiete von Balkh gehört?
Und zum Schlüsse möchten wir noch daran erinnern, daß wir uns wohl ent¬
sinnen, von einer Stadt, einer Provinz, niemals aber von einem Gebirge Balkh
gelesen zu haben."

"Vielleicht keine Stelle ist für Schraders geographische Beweisführung
charakteristischer als die, welche wir aus Anlaß der Erwähnung von Palastav,
d. h. Philistäa, in einer Inschrift Binnirars des Dritten lesen: "Auffallen
muß es aber, daß, währeud Nordisraels (Land Omri) Erwähnung geschieht,
das von den angeführten Ländern gänzlich eingeschlossene Juda Übergängen
ist. Daß dieses absichtlich geschehen, etwa, weil dieses allein nicht tributär ge¬
wesen, ist kaum denkbar. Es gewinnt somit den Anschein, als ob die Assyrer
unter Palastav, d. h. Philistäa, auch Juda mitbegriffen haben, etwa wie
später dieser Name (Palästina) Gesammtname für ganz Kanaan geworden ist.
Ist dem so, so begreift sich, wie in der Verwaltungsliste. . . . der Feldzug
Tiglath Pilesers des Vierten lediglich als nach "Pilasta" (Pi-la-as-ta), d. h.
Philistäa, nicht zugleich, wie man doch erwarten sollte, nach Juda, bezw. Sa-
marien gerichtet bezeichnet wird." Gleich nachher definirt dann Schrader ohne
Weiteres "Pilasta, d. h. Nordisrael und Phönicien." Also erst wird unter
einer schon an sich geographisch wie historisch betrachtet nichts weniger als
unbedenklichen Anwendung des Argumentum a silentio daraus, daß Juda neben
Palastav nicht erwähnt wird, gefolgert, daß die Assyrer Juda mit zu Palastav
gerechnet hätten, und hieraus wieder, daß sie auch Samarien, Nordisrael nnter
Pilasta mit inbegriffen haben werden, obgleich doch die ganze Argumentirnng
davon ausgegangen war, daß zwar Nordisrael, nicht aber Juda neben Palastav
besonders aufgeführt worden. Die Assyrer hätten es demnach ähnlich gemacht,


biete bis hin zur großen See, welche im Osten gelegen", in Besitz. Schrader
macht aus Bilchn „Balkh." Was mag er sich dabei gedacht haben? Er
folgte nach v. Gutschmid wahrscheinlich ohne nähere Prüfung einer französischen
Quelle. „Balkh ist die französische Orthographie der neupersischen Form des
Namens Bakhtri, aus dem zunächst dnrch dieselbe Lantwcmdlung, die part zu
gut werden ließ, Bansi und erst daraus wieder durch eine Umstellung Bates
geworden ist. Und diese neupersischeste aller neupersischen Formen findet
Schrader auf einer assyrischen Inschrift des nennten Jahrhunderts vor Christi
Geburt wieder! Und diese Inschrift läßt Bilchn „bis zur großen See im
Osten" unterworfen werden, welcher Ausdruck im Munde eines Assyrers doch
nur das Kaspische.Meer bedeuten kann. Balkh liegt aber für den Assyrer jen¬
seits, nicht diesseits des Kaspischen Meeres. Anderswo erklärt zwar Schrader,
der persische Golf sei gemeint, aber auch abgesehen davon, daß dieser südlich,
nicht östlich von Assyrien liegt, wäre damit nichts gewonnen; denn wer hat je
von einem bis zum persischen Meerbusen reichenden Gebiete von Balkh gehört?
Und zum Schlüsse möchten wir noch daran erinnern, daß wir uns wohl ent¬
sinnen, von einer Stadt, einer Provinz, niemals aber von einem Gebirge Balkh
gelesen zu haben."

„Vielleicht keine Stelle ist für Schraders geographische Beweisführung
charakteristischer als die, welche wir aus Anlaß der Erwähnung von Palastav,
d. h. Philistäa, in einer Inschrift Binnirars des Dritten lesen: „Auffallen
muß es aber, daß, währeud Nordisraels (Land Omri) Erwähnung geschieht,
das von den angeführten Ländern gänzlich eingeschlossene Juda Übergängen
ist. Daß dieses absichtlich geschehen, etwa, weil dieses allein nicht tributär ge¬
wesen, ist kaum denkbar. Es gewinnt somit den Anschein, als ob die Assyrer
unter Palastav, d. h. Philistäa, auch Juda mitbegriffen haben, etwa wie
später dieser Name (Palästina) Gesammtname für ganz Kanaan geworden ist.
Ist dem so, so begreift sich, wie in der Verwaltungsliste. . . . der Feldzug
Tiglath Pilesers des Vierten lediglich als nach „Pilasta" (Pi-la-as-ta), d. h.
Philistäa, nicht zugleich, wie man doch erwarten sollte, nach Juda, bezw. Sa-
marien gerichtet bezeichnet wird." Gleich nachher definirt dann Schrader ohne
Weiteres „Pilasta, d. h. Nordisrael und Phönicien." Also erst wird unter
einer schon an sich geographisch wie historisch betrachtet nichts weniger als
unbedenklichen Anwendung des Argumentum a silentio daraus, daß Juda neben
Palastav nicht erwähnt wird, gefolgert, daß die Assyrer Juda mit zu Palastav
gerechnet hätten, und hieraus wieder, daß sie auch Samarien, Nordisrael nnter
Pilasta mit inbegriffen haben werden, obgleich doch die ganze Argumentirnng
davon ausgegangen war, daß zwar Nordisrael, nicht aber Juda neben Palastav
besonders aufgeführt worden. Die Assyrer hätten es demnach ähnlich gemacht,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157640/139>, abgerufen am 23.07.2024.