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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. I. Band.

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pit, bis, pis, bay, pap, dur und pur, eines die Werthe git, til, gien, tun, gan,
kan, guil, tun, git, lit, gat, qak, lis, qis, kat und qat, eines die Werthe bat,
tat, bin, ein, dan, tan, din, tin, das, tas, dis, dis, day und tap, und außerdem
werden dir, Pir -- die, pit -- gir, kir -- kar, qar und zahlreiche andere
Sylbenzeichen so massenhaft mit einander vertauscht, daß von einer Unter¬
scheidung kaum noch die Rede sein kann. Sodann ist nur ein Zeichen vor¬
handen für da und edel, während du, tu und thu sast immer unterschieden
werden. Ferner hat die assyrische Schrift nur ein Zeichen für M und V.
Ein besonderes Zeichen für Aleph existirt nicht, der Spiritus lenis wird außer
beim Sylbenschluß einfach durch die Vocale ausgedrückt. Dieses indireet be¬
zeichnete Aleph muß auch He und Ajin vertreten. Bei der Herübernahme
fremder Namen wird Ajin entweder auf diese Weise oder durch Chet umschrieben.
In gewissen zusammengesetzten Sylbenwerthen scheint die Schrift sogar Chet und
Kaps nicht genügend auseinander zu halten. Sodann verfügt sie an einfachen
Sylbenzeichen, welche die Zischlaute vertreten, nur über je eines für za und 9a/
je eines für az, ay und as, je eines für in,;, iz und is, je eines für uz, u? und
us. Noch schlimmer steht es mit den zusammengesetzten Sylbenzeichen, wo
die Zischlaute an: Ende der Sylben fast niemals unterschieden werden, und
auch im Anlaute ist hier die Scheidung der Zischlaute nur unvollkommen
durchgeführt.

Ueberblicken wir diese Thatsachen, so gelangen wir zu der wenig tröstlichen
Ueberzeugung, daß die assyrische Schrift nur elf Consonanten als solche an¬
erkennt, die unter allen Umständen auseinander gehalten werden müssen, also
nur die Hälfte der Laute des altsemitischen Alphabets regelmäßig wiedergiebt.
Die Assyriologen nehmen daher an, daß ihr eine rein ideographische Schrift
zu Grunde liege, die für eine nichtsemitifche Sprache bestimmt gewesen sei. Wie
sie uns jetzt auf den Denkmälern entgegentritt, ist sie theils phonetisch oder
Lautschrift, theils ideographisch oder Bilderschrift. Darüber, ob etwas mit
Lautzeichen oder mit Begriffe vertretenden Keilgruppenbildern auszudrücken sei,
entschied keinerlei Gesetz, sondern der Schreiber wählte die Schreibweise nach
Bequemlichkeit, je nachdem die eine oder die andere der Norm, mit der Zeile
einen Satztheil auslaufen zu lassen, besser entsprach.

Eigenthümlich sind ferner der assyrischen Schrift eine lange Reihe von
Chikanen. Da haben wir zunächst die Homophonie, kraft deren in vielen
Fällen ein und derselbe Laut durch mehrere Zeichen ausgedrückt werden kann,
eine Thatsache, die Schrader früher geleugnet, später aber zugegeben hat. In
der von ihm gelieferten Liste der zusammengesetzten Sylbenzeichen, die auf Voll¬
ständigkeit keinen Anspruch erhebt, finden sich je zwei Zeichen für die folgenden
Werthe: git, gut, guy, gir, duk, tüp, zar, lin, kir und lip. Viel tiefer schneidet


pit, bis, pis, bay, pap, dur und pur, eines die Werthe git, til, gien, tun, gan,
kan, guil, tun, git, lit, gat, qak, lis, qis, kat und qat, eines die Werthe bat,
tat, bin, ein, dan, tan, din, tin, das, tas, dis, dis, day und tap, und außerdem
werden dir, Pir — die, pit — gir, kir — kar, qar und zahlreiche andere
Sylbenzeichen so massenhaft mit einander vertauscht, daß von einer Unter¬
scheidung kaum noch die Rede sein kann. Sodann ist nur ein Zeichen vor¬
handen für da und edel, während du, tu und thu sast immer unterschieden
werden. Ferner hat die assyrische Schrift nur ein Zeichen für M und V.
Ein besonderes Zeichen für Aleph existirt nicht, der Spiritus lenis wird außer
beim Sylbenschluß einfach durch die Vocale ausgedrückt. Dieses indireet be¬
zeichnete Aleph muß auch He und Ajin vertreten. Bei der Herübernahme
fremder Namen wird Ajin entweder auf diese Weise oder durch Chet umschrieben.
In gewissen zusammengesetzten Sylbenwerthen scheint die Schrift sogar Chet und
Kaps nicht genügend auseinander zu halten. Sodann verfügt sie an einfachen
Sylbenzeichen, welche die Zischlaute vertreten, nur über je eines für za und 9a/
je eines für az, ay und as, je eines für in,;, iz und is, je eines für uz, u? und
us. Noch schlimmer steht es mit den zusammengesetzten Sylbenzeichen, wo
die Zischlaute an: Ende der Sylben fast niemals unterschieden werden, und
auch im Anlaute ist hier die Scheidung der Zischlaute nur unvollkommen
durchgeführt.

Ueberblicken wir diese Thatsachen, so gelangen wir zu der wenig tröstlichen
Ueberzeugung, daß die assyrische Schrift nur elf Consonanten als solche an¬
erkennt, die unter allen Umständen auseinander gehalten werden müssen, also
nur die Hälfte der Laute des altsemitischen Alphabets regelmäßig wiedergiebt.
Die Assyriologen nehmen daher an, daß ihr eine rein ideographische Schrift
zu Grunde liege, die für eine nichtsemitifche Sprache bestimmt gewesen sei. Wie
sie uns jetzt auf den Denkmälern entgegentritt, ist sie theils phonetisch oder
Lautschrift, theils ideographisch oder Bilderschrift. Darüber, ob etwas mit
Lautzeichen oder mit Begriffe vertretenden Keilgruppenbildern auszudrücken sei,
entschied keinerlei Gesetz, sondern der Schreiber wählte die Schreibweise nach
Bequemlichkeit, je nachdem die eine oder die andere der Norm, mit der Zeile
einen Satztheil auslaufen zu lassen, besser entsprach.

Eigenthümlich sind ferner der assyrischen Schrift eine lange Reihe von
Chikanen. Da haben wir zunächst die Homophonie, kraft deren in vielen
Fällen ein und derselbe Laut durch mehrere Zeichen ausgedrückt werden kann,
eine Thatsache, die Schrader früher geleugnet, später aber zugegeben hat. In
der von ihm gelieferten Liste der zusammengesetzten Sylbenzeichen, die auf Voll¬
ständigkeit keinen Anspruch erhebt, finden sich je zwei Zeichen für die folgenden
Werthe: git, gut, guy, gir, duk, tüp, zar, lin, kir und lip. Viel tiefer schneidet


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157640/131>, abgerufen am 23.07.2024.