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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. I. Band.

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Der Assyriolog, gegen den sich diese Polemik vorzüglich richtet, ist der Ber¬
liner Professor und Akademiker E. Schrad er, früher in Jena, eigentlich Theolog.
nächster Grund der Bevorzugung ist nicht, wie man vermuthen könnte, der Um¬
stand, daß derselbe unter den deutschen Interpreten der Keilinschriften am Meisten
von sich und seinen Erfolgen reden zu machen verstanden hatte, sondern der,
daß er Dunckers hauptsächlicher Gewährsmann gewesen war, und daß er, als
v. Gutschmid die Benutzung der historischen Funde der Assyriologen von Seiten
Druckers besprochen und als unvorsichtig bezeichnet hatte*), der Meinung ge¬
wesen war, mit einer Antikritik antworten zu müssen**), die hochfahrende
Manieren haben dürfe. Unsere Schrift ist die ausführliche Erwiderung auf
diesen Versuch, sich zu wehren. Als wir sie durchlasen, gingen allmählich alle
andern Empfindungen, die wir hätten haben sollen, und die sich in der That
später wieder einstellten, Stannen z. B. über das stupende Wissen des Ver¬
fassers, Bewunderung seines Scharfsinnes, Wohlgefallen an der eleganten und
doch wuchtigen Art, mit der er seine Waffe handhabte, Freude, daß ahnende
Zweifel, die wir in den letzten Jahren in Betreff der Reelamen der Assyrio¬
logen gehabt, nun zur klaren Gewißheit erhoben waren, in dem einzigen Ge¬
fühle eines immer intensiver werdenden Mitleids ans. Der Gegner hätte, so
sagten wir uns zuletzt fast kummervoll, ungemein klug gethan, wenn er, des
Sprichworts eingedenk: Wer sich in Gefahr begiebt, kommt darin um, seine
Empfindlichkeit verschluckt, seine Vornehmheit bei sich behalten und im Stillen
die in jener ersten Recension ihm ertheilte Mahnung beherzigt und befolgt hätte,
sich zu bessern. Er war an den Unrechten gerathen, er war erdrückt, platt
geschlagen. Kurz, eine Thräne wäre am Orte gewesen über dieses Opfer un¬
vorsichtigen Selbstgefühls.

Wir denken, unsere Leser werden dieselbe Empfindung verspüren, wenn sie
Schraders Vertheidigung gelesen haben und wir ihnen jetzt die Beweisführung
v. Gutschnüds in einem Auszuge vorlegen.

Die assyrische Schrift ist keine Buchstaben-, sondern eine Sylben¬
schrift, und die Sylbenzeichen sind theils einfache (ba, cet), theils zusammen¬
gesetzte (bak). Doch werden die Mediae und Tenues, theilweise auch die em¬
phatischen Laute, häufig in der Schrift nicht unterschieden. So durchgehends
im Auslande sowohl der einfachen wie der zusammengesetzten Sylben. Ein
Zeichen kann ab und ap, ib und ip, ub und up, eiues ag, ak und aq, ig, ik
und iq, ug, ut und uq, eines ad, at, it, it, ud und ut bedeuten. Unter den
zusammengesetzten Sylbeuzeichen vertritt eines die Werthe bak, pat, bal, pat, dit,




*) In Teubners Jahrbüchern für classische Philologie.
In der Jenaer Literaturzeitung.

Der Assyriolog, gegen den sich diese Polemik vorzüglich richtet, ist der Ber¬
liner Professor und Akademiker E. Schrad er, früher in Jena, eigentlich Theolog.
nächster Grund der Bevorzugung ist nicht, wie man vermuthen könnte, der Um¬
stand, daß derselbe unter den deutschen Interpreten der Keilinschriften am Meisten
von sich und seinen Erfolgen reden zu machen verstanden hatte, sondern der,
daß er Dunckers hauptsächlicher Gewährsmann gewesen war, und daß er, als
v. Gutschmid die Benutzung der historischen Funde der Assyriologen von Seiten
Druckers besprochen und als unvorsichtig bezeichnet hatte*), der Meinung ge¬
wesen war, mit einer Antikritik antworten zu müssen**), die hochfahrende
Manieren haben dürfe. Unsere Schrift ist die ausführliche Erwiderung auf
diesen Versuch, sich zu wehren. Als wir sie durchlasen, gingen allmählich alle
andern Empfindungen, die wir hätten haben sollen, und die sich in der That
später wieder einstellten, Stannen z. B. über das stupende Wissen des Ver¬
fassers, Bewunderung seines Scharfsinnes, Wohlgefallen an der eleganten und
doch wuchtigen Art, mit der er seine Waffe handhabte, Freude, daß ahnende
Zweifel, die wir in den letzten Jahren in Betreff der Reelamen der Assyrio¬
logen gehabt, nun zur klaren Gewißheit erhoben waren, in dem einzigen Ge¬
fühle eines immer intensiver werdenden Mitleids ans. Der Gegner hätte, so
sagten wir uns zuletzt fast kummervoll, ungemein klug gethan, wenn er, des
Sprichworts eingedenk: Wer sich in Gefahr begiebt, kommt darin um, seine
Empfindlichkeit verschluckt, seine Vornehmheit bei sich behalten und im Stillen
die in jener ersten Recension ihm ertheilte Mahnung beherzigt und befolgt hätte,
sich zu bessern. Er war an den Unrechten gerathen, er war erdrückt, platt
geschlagen. Kurz, eine Thräne wäre am Orte gewesen über dieses Opfer un¬
vorsichtigen Selbstgefühls.

Wir denken, unsere Leser werden dieselbe Empfindung verspüren, wenn sie
Schraders Vertheidigung gelesen haben und wir ihnen jetzt die Beweisführung
v. Gutschnüds in einem Auszuge vorlegen.

Die assyrische Schrift ist keine Buchstaben-, sondern eine Sylben¬
schrift, und die Sylbenzeichen sind theils einfache (ba, cet), theils zusammen¬
gesetzte (bak). Doch werden die Mediae und Tenues, theilweise auch die em¬
phatischen Laute, häufig in der Schrift nicht unterschieden. So durchgehends
im Auslande sowohl der einfachen wie der zusammengesetzten Sylben. Ein
Zeichen kann ab und ap, ib und ip, ub und up, eiues ag, ak und aq, ig, ik
und iq, ug, ut und uq, eines ad, at, it, it, ud und ut bedeuten. Unter den
zusammengesetzten Sylbeuzeichen vertritt eines die Werthe bak, pat, bal, pat, dit,




*) In Teubners Jahrbüchern für classische Philologie.
In der Jenaer Literaturzeitung.
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[0130] Der Assyriolog, gegen den sich diese Polemik vorzüglich richtet, ist der Ber¬ liner Professor und Akademiker E. Schrad er, früher in Jena, eigentlich Theolog. nächster Grund der Bevorzugung ist nicht, wie man vermuthen könnte, der Um¬ stand, daß derselbe unter den deutschen Interpreten der Keilinschriften am Meisten von sich und seinen Erfolgen reden zu machen verstanden hatte, sondern der, daß er Dunckers hauptsächlicher Gewährsmann gewesen war, und daß er, als v. Gutschmid die Benutzung der historischen Funde der Assyriologen von Seiten Druckers besprochen und als unvorsichtig bezeichnet hatte*), der Meinung ge¬ wesen war, mit einer Antikritik antworten zu müssen**), die hochfahrende Manieren haben dürfe. Unsere Schrift ist die ausführliche Erwiderung auf diesen Versuch, sich zu wehren. Als wir sie durchlasen, gingen allmählich alle andern Empfindungen, die wir hätten haben sollen, und die sich in der That später wieder einstellten, Stannen z. B. über das stupende Wissen des Ver¬ fassers, Bewunderung seines Scharfsinnes, Wohlgefallen an der eleganten und doch wuchtigen Art, mit der er seine Waffe handhabte, Freude, daß ahnende Zweifel, die wir in den letzten Jahren in Betreff der Reelamen der Assyrio¬ logen gehabt, nun zur klaren Gewißheit erhoben waren, in dem einzigen Ge¬ fühle eines immer intensiver werdenden Mitleids ans. Der Gegner hätte, so sagten wir uns zuletzt fast kummervoll, ungemein klug gethan, wenn er, des Sprichworts eingedenk: Wer sich in Gefahr begiebt, kommt darin um, seine Empfindlichkeit verschluckt, seine Vornehmheit bei sich behalten und im Stillen die in jener ersten Recension ihm ertheilte Mahnung beherzigt und befolgt hätte, sich zu bessern. Er war an den Unrechten gerathen, er war erdrückt, platt geschlagen. Kurz, eine Thräne wäre am Orte gewesen über dieses Opfer un¬ vorsichtigen Selbstgefühls. Wir denken, unsere Leser werden dieselbe Empfindung verspüren, wenn sie Schraders Vertheidigung gelesen haben und wir ihnen jetzt die Beweisführung v. Gutschnüds in einem Auszuge vorlegen. Die assyrische Schrift ist keine Buchstaben-, sondern eine Sylben¬ schrift, und die Sylbenzeichen sind theils einfache (ba, cet), theils zusammen¬ gesetzte (bak). Doch werden die Mediae und Tenues, theilweise auch die em¬ phatischen Laute, häufig in der Schrift nicht unterschieden. So durchgehends im Auslande sowohl der einfachen wie der zusammengesetzten Sylben. Ein Zeichen kann ab und ap, ib und ip, ub und up, eiues ag, ak und aq, ig, ik und iq, ug, ut und uq, eines ad, at, it, it, ud und ut bedeuten. Unter den zusammengesetzten Sylbeuzeichen vertritt eines die Werthe bak, pat, bal, pat, dit, *) In Teubners Jahrbüchern für classische Philologie. In der Jenaer Literaturzeitung.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157640/130>, abgerufen am 23.07.2024.