Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. I. Band.Was den Eisenbahnbetrieb betrifft, so liegen die Vortheile des größeren Was den Eisenbahnbetrieb betrifft, so liegen die Vortheile des größeren <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0106" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/137279"/> <p xml:id="ID_391" next="#ID_392"> Was den Eisenbahnbetrieb betrifft, so liegen die Vortheile des größeren<lb/> Umfanges des Betriebs auf flacher Hand, dem System der Staatsbahnen ge¬<lb/> bührt also auch in dieser Beziehung der Vorzug, insofern sie ein größeres<lb/> Netz umfassen, als jede der Privatbahnen, mit welchen sie verglichen werden<lb/> können. Insofern ergiebt sich auch ein Vortheil der Reichsbahnen vor den<lb/> einzelnen Staatsbahnen. Wir sind nicht gewillt, alle die mannigfachen Uebel¬<lb/> stünde des gegenwärtigen Eisenbahnbetriebs im deutschen Reiche mit seinen<lb/> ca. 70 selbständigen Verwaltungen und seinen 500 verschiedenen Tarifen auf's<lb/> Neue bis in's Detail zu verfolgen oder zu wiederholen, was bereits in den<lb/> preußischen Motiven oder in den Schriften von Maybach und Weizmann an<lb/> Unzuträglichkeiten dieser vielköpfigen Verwaltungen nachgewiesen ist. Wir<lb/> wollen nur einige Hauptpunkte hervorheben, in welchen der Reichsbetrieb den<lb/> Vorzug verdient. 1) Das ganze Betriebsmaterial wird mehr nach überein¬<lb/> stimmenden Mustern fabrizirt, so daß wie bei den amerikanischen Nähmaschinen<lb/> jeder Theil derselben Gattung von Wagen an jedem einzelnen Wagen ver¬<lb/> wendet werden und bei nöthigen Reparaturen ausgewechselt werden kann. Da¬<lb/> durch wird nicht nur Zeit gespart, sondern auch Kosten, weil Einzelrepara¬<lb/> turen viel theurer siud, als wenn die Stücke im Großen fabrizirt und blos<lb/> ausgewechselt werden. Ferner wird eine bessere Ausnützung der Wagen be¬<lb/> wirkt, weil dieselben nicht so lange zur Reparatur leer stehen. Zwar ist der<lb/> Verein der deutschen Eisenbahnverwaltungen ans Anregung des preußischen<lb/> Handelsministers bemüht, die im französischen Krieg gemachten Erfahrungen<lb/> auszunutzen, da nämlich während desselben durch die Verschiedenheit des Ma¬<lb/> terials häufige Verzögerungen eingetreten waren, so sucht man Nvrmal-<lb/> schablonen für das Untergestell der Güterwagen, sowie auch für die Persvnen-<lb/> wagen und Loevmvtiven zu vereinbaren. Allein bis alle diese Vereinbarungen<lb/> zum Ziel geführt haben, pflegt eine so lange Zeit zu verstreichen, daß gerade<lb/> dadurch der Vorzug des größeren Compler.es erwiesen wird. Nicht blos da¬<lb/> durch indessen, daß jede einzelne Schraube am ganzen deutschen Wagenpark<lb/> auf jeden einzelnen Wagen paßt, würde das Reichseisenbahnsystem den Vorzug<lb/> verdienen, sondern auch dadurch, daß gewisse technische Verbesserungen rascher und<lb/> leichter eingeführt werden können. In neuester Zeit behaupten z. B. hervor¬<lb/> ragende englische Ingenieure, daß bei den Güterwagen sämmtlicher Eisenbahnen<lb/> eine gewisse Verschwendung dadurch herrsche, daß dieselben bloß aus Rücksicht<lb/> auf die schwerste Last gebaut werden, nämlich so, daß jeder einzelner Güter¬<lb/> wagen die für sein Kaliber bestimmte schwerste Last soll tragen können. Die<lb/> Folge davon ist, daß der größte Theil der Güterwagen, weil er weniger als<lb/> die schwerste Beladung hat, nicht bloß überflüssigerweise zu schwer gebaut ist,<lb/> mehr Holz und Metall enthält als nöthig ist und daher theurer zu stehen</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0106]
Was den Eisenbahnbetrieb betrifft, so liegen die Vortheile des größeren
Umfanges des Betriebs auf flacher Hand, dem System der Staatsbahnen ge¬
bührt also auch in dieser Beziehung der Vorzug, insofern sie ein größeres
Netz umfassen, als jede der Privatbahnen, mit welchen sie verglichen werden
können. Insofern ergiebt sich auch ein Vortheil der Reichsbahnen vor den
einzelnen Staatsbahnen. Wir sind nicht gewillt, alle die mannigfachen Uebel¬
stünde des gegenwärtigen Eisenbahnbetriebs im deutschen Reiche mit seinen
ca. 70 selbständigen Verwaltungen und seinen 500 verschiedenen Tarifen auf's
Neue bis in's Detail zu verfolgen oder zu wiederholen, was bereits in den
preußischen Motiven oder in den Schriften von Maybach und Weizmann an
Unzuträglichkeiten dieser vielköpfigen Verwaltungen nachgewiesen ist. Wir
wollen nur einige Hauptpunkte hervorheben, in welchen der Reichsbetrieb den
Vorzug verdient. 1) Das ganze Betriebsmaterial wird mehr nach überein¬
stimmenden Mustern fabrizirt, so daß wie bei den amerikanischen Nähmaschinen
jeder Theil derselben Gattung von Wagen an jedem einzelnen Wagen ver¬
wendet werden und bei nöthigen Reparaturen ausgewechselt werden kann. Da¬
durch wird nicht nur Zeit gespart, sondern auch Kosten, weil Einzelrepara¬
turen viel theurer siud, als wenn die Stücke im Großen fabrizirt und blos
ausgewechselt werden. Ferner wird eine bessere Ausnützung der Wagen be¬
wirkt, weil dieselben nicht so lange zur Reparatur leer stehen. Zwar ist der
Verein der deutschen Eisenbahnverwaltungen ans Anregung des preußischen
Handelsministers bemüht, die im französischen Krieg gemachten Erfahrungen
auszunutzen, da nämlich während desselben durch die Verschiedenheit des Ma¬
terials häufige Verzögerungen eingetreten waren, so sucht man Nvrmal-
schablonen für das Untergestell der Güterwagen, sowie auch für die Persvnen-
wagen und Loevmvtiven zu vereinbaren. Allein bis alle diese Vereinbarungen
zum Ziel geführt haben, pflegt eine so lange Zeit zu verstreichen, daß gerade
dadurch der Vorzug des größeren Compler.es erwiesen wird. Nicht blos da¬
durch indessen, daß jede einzelne Schraube am ganzen deutschen Wagenpark
auf jeden einzelnen Wagen paßt, würde das Reichseisenbahnsystem den Vorzug
verdienen, sondern auch dadurch, daß gewisse technische Verbesserungen rascher und
leichter eingeführt werden können. In neuester Zeit behaupten z. B. hervor¬
ragende englische Ingenieure, daß bei den Güterwagen sämmtlicher Eisenbahnen
eine gewisse Verschwendung dadurch herrsche, daß dieselben bloß aus Rücksicht
auf die schwerste Last gebaut werden, nämlich so, daß jeder einzelner Güter¬
wagen die für sein Kaliber bestimmte schwerste Last soll tragen können. Die
Folge davon ist, daß der größte Theil der Güterwagen, weil er weniger als
die schwerste Beladung hat, nicht bloß überflüssigerweise zu schwer gebaut ist,
mehr Holz und Metall enthält als nöthig ist und daher theurer zu stehen
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