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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. II. Band.

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denn bis zu den genannten Gedecken wurde schon im Jahre 1848 die deutsche
Sprachgrenze gezogen. Hätten damals die Schleswig-Holsteiner gesiegt und
einen eignen Kleinstaat zu Stande gebracht, so hätte sich die Germanisation
von Nordschleswig rasch und leicht vollzogen. Bis dahin waren die Dänen
im Süden der Königsau durchaus nicht dänisch, sondern Schleswig-holsteinisch
gesinnt, die amtliche Sprache, z. B. auf dem Landtage des Herzogthums, war
nicht dänisch, sondern plattdeutsch, (hochdeutsch. D. Red.) welche achtungswürdige
Sprache der alten Hansa als Landessprache galt und zur Vermittelung der Ger¬
manisation diente. Die Stimmung der schleswigschen Dänen änderte sich, als
anderthalb Jahrzehnte hindurch das Deutsche, das Hoch- wie das Platt-Deutsche,
von den Jnseldänen in der Landschaft mit Gewalt unterdrückt wurde. Als dann
die Preußen kamen, mit denen die Schleswiger sich durch keine geschichtlichen
Erinnerungen verbunden fühlten, da brach das Gefühl der Verwandtschaft
mit den Skandinaviern jenseits des Betts und der Königsau bis in die
untersten Volksschichten durch. Jederman sind die Kundgebungen der An¬
hänglichkeit an Dänemark bekannt, die seit 1866 ununterbrochen von
den Nordschleswigern ausgehen, es erübrigt also, weiter auf sie einzu¬
gehen. Daß sie aber mit der feindseligen Abwehr der deutschen Sprache
verbunden sind, das ergiebt sich aus der Königlichen Verordnung. Man ersieht
aus ihr zugleich, daß die Kenntniß der Sprache des Staates in keinem Lan¬
destheile so wenig verbreitet ist, wie in Nordschleswig.

Ein ganz anderes Ergebniß zeigt die Verordnung in der nordöstlichen
Ecke Ostpreußens, in Preußisch-Litauen. Die Sprachkarten von 1848 (z. B.
eine von Kiepert) und die älteren (Bernhardy) zeigen das ganze große Gebiet
von Nimmersatt bis Angerburg und bis zur russischen Grenze bei Goldapp
als von der litauischen Sprache eingenommen mit Ausschluß von zwei deut¬
schen Sprachinseln am Pregel und einer kleinen um Memel- Die Boeckh'sche
Karte von 1861, allerdings die erste und einzige, welche auf genauen amt¬
lichen Ermittelungen beruht, zeigt die Litauer im Süden des Pregels und
in einem breiten Streifen nördlich von dem Strom fast ganz verschwunden,
und der Rest der Landschaft erscheint durch deutsche Sprachparzellen so zer¬
nagt und zerfressen, wie eine Schiffsplanke durch den Bohrwurm. Dennoch
findet man neben dem Kreise Heydekrug auch die Kreise Memel. Niederung
und Tilsit noch mit sehr ansehnlichen rein litauischen Strecken bedeckt. Heute
nun liegt das Bedürfniß des ferneren amtlichen Gebrauchs der Volkssprache
Nach der Königlichen Verordnung nur in den Landgemeinden des Kreises Heydekrug
und das auch nur mit Ausnahme von vier Amtsbezirken vor. Daraus er¬
giebt sich ein besonderes rasches Vorschreiten der deutschen Sprache und das
baldige Aussterben der litauischen in Preußen.


denn bis zu den genannten Gedecken wurde schon im Jahre 1848 die deutsche
Sprachgrenze gezogen. Hätten damals die Schleswig-Holsteiner gesiegt und
einen eignen Kleinstaat zu Stande gebracht, so hätte sich die Germanisation
von Nordschleswig rasch und leicht vollzogen. Bis dahin waren die Dänen
im Süden der Königsau durchaus nicht dänisch, sondern Schleswig-holsteinisch
gesinnt, die amtliche Sprache, z. B. auf dem Landtage des Herzogthums, war
nicht dänisch, sondern plattdeutsch, (hochdeutsch. D. Red.) welche achtungswürdige
Sprache der alten Hansa als Landessprache galt und zur Vermittelung der Ger¬
manisation diente. Die Stimmung der schleswigschen Dänen änderte sich, als
anderthalb Jahrzehnte hindurch das Deutsche, das Hoch- wie das Platt-Deutsche,
von den Jnseldänen in der Landschaft mit Gewalt unterdrückt wurde. Als dann
die Preußen kamen, mit denen die Schleswiger sich durch keine geschichtlichen
Erinnerungen verbunden fühlten, da brach das Gefühl der Verwandtschaft
mit den Skandinaviern jenseits des Betts und der Königsau bis in die
untersten Volksschichten durch. Jederman sind die Kundgebungen der An¬
hänglichkeit an Dänemark bekannt, die seit 1866 ununterbrochen von
den Nordschleswigern ausgehen, es erübrigt also, weiter auf sie einzu¬
gehen. Daß sie aber mit der feindseligen Abwehr der deutschen Sprache
verbunden sind, das ergiebt sich aus der Königlichen Verordnung. Man ersieht
aus ihr zugleich, daß die Kenntniß der Sprache des Staates in keinem Lan¬
destheile so wenig verbreitet ist, wie in Nordschleswig.

Ein ganz anderes Ergebniß zeigt die Verordnung in der nordöstlichen
Ecke Ostpreußens, in Preußisch-Litauen. Die Sprachkarten von 1848 (z. B.
eine von Kiepert) und die älteren (Bernhardy) zeigen das ganze große Gebiet
von Nimmersatt bis Angerburg und bis zur russischen Grenze bei Goldapp
als von der litauischen Sprache eingenommen mit Ausschluß von zwei deut¬
schen Sprachinseln am Pregel und einer kleinen um Memel- Die Boeckh'sche
Karte von 1861, allerdings die erste und einzige, welche auf genauen amt¬
lichen Ermittelungen beruht, zeigt die Litauer im Süden des Pregels und
in einem breiten Streifen nördlich von dem Strom fast ganz verschwunden,
und der Rest der Landschaft erscheint durch deutsche Sprachparzellen so zer¬
nagt und zerfressen, wie eine Schiffsplanke durch den Bohrwurm. Dennoch
findet man neben dem Kreise Heydekrug auch die Kreise Memel. Niederung
und Tilsit noch mit sehr ansehnlichen rein litauischen Strecken bedeckt. Heute
nun liegt das Bedürfniß des ferneren amtlichen Gebrauchs der Volkssprache
Nach der Königlichen Verordnung nur in den Landgemeinden des Kreises Heydekrug
und das auch nur mit Ausnahme von vier Amtsbezirken vor. Daraus er¬
giebt sich ein besonderes rasches Vorschreiten der deutschen Sprache und das
baldige Aussterben der litauischen in Preußen.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157686/75>, abgerufen am 27.09.2024.