Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

Monographie herausgiebt; er resumirt durch ein kurzes Summarium jeden
Paragraphen, was die Uebersicht und das allgemeine Verständniß des Doku¬
mentes wesentlich erleichtert. Aus dieser Urkunde entnehmen wir die successiven
Veränderungen und Vervollkommnungen der Straßburger Constitution vom
Jahre 1405 an bis 1482, wo sie ihre vollendete Gestalt erhielt. Folgende
Punkte sind die wichtigsten: Im Patriziat findet eine Scheidung statt; von
1419 an theilen sich die "Geschlechter" in gehorsame und widerspenstige;
die getreuen Constofler, 89 Familien, bleiben im Verband des neuen Staats¬
lebens, die anderen ziehen aus und fallen dem Landadel und den Fürsten zu.
Das war eine politische Nothwendigkeit, hervorgerufen durch die neue Sach¬
lage. Der Ammeister behält äußerlich Ehren und Würden, wie auch der
große Rath und die Schöffenversammlung, allein im Staatsmechanismus
entsteht, neben der wechselnden Negierung ein beständiges Regiment,
das im Grunde im Besitz der Gewalt ist, und alle Angelegenheiten der Stadt
leitet. Es sind dies die drei geheimen Stuben der Dreizehner (XIII),
Fünfzehner (XV) und El nun d zwanz i g er (XXI). Der Ursprung
der Dreizehner fällt ins Jahr 1392; da wurde, in kriegerischen Zeiten, eine
Commission von neun Mitgliedern, die sog. Nenner ernannt, die das Kriegs¬
wesen zu leiten hatten, und zwar unabhängig vom großen Rathe. Aus
derselben heraus entwickelte sich mit der Zeit ein ständiges Negierungscollegium,
bestehend aus 4 Constoflern. 4 Altammeistern und 4 Handwerkern und dem
regierenden Ammeister. Dieses Kollegium, dessen Mitglieder lebenslänglich
ernannt waren und dem der jeweilig amtirende Stallmeister prästdirte, hatte
die Befugnisse, man erlaube mir einen modernen, aber adäquaten Ausdruck,
eines Ministeriums des Aeußern und des Krieges. Ein Dreizehner konnte
in jedes beliebige Amt der kleinen Republik, als Ammeister, Stallmeister oder
Rathsherr gewählt werden, ohne deshalb seine Stelle zu verlieren. Nur die
Kammer der Fünf zehn er war ihm verschlossen. Dieses städtische Ver-
waltungscollegium entstand im Jahre 1433 und entsprach einem inneren Be¬
dürfniß. Wohl waren Ordnungen und Gesetze in der Stadt; Niemand aber
controlirte, ob dieselben auch treu gehandhabt würden, denn der frühere Rath
übte zugleich mit der gesetzgebenden auch die vollführende Gewalt aus. Eine
Art Staatsrath, ein oberster Gerichtshof war demnach nothwendig geworden.
Aus dieser Idee entsprang die Entstehung der Fünfzehnerkammer, die, in
vollständiger Trennung von der bestehenden Verwaltungsbehörde, kein Mit-
glted aufnehmen sollte, das ein öffentliches Amt bekleidete. Dieses Collegium
bestand aus S Constoflern und 10 Handwerkern und ergänzte sich selbst; nur
wer 33 Jahre zurückgelegt hatte, durfte darin sitzen; die Mitglieder waren
lebenslänglich ernannt und bildeten eine weitere Abtheilung des beständigen
Regiments. Die Fünszehner waren die Wächter des Gesetzes und die Bürgen


Grenzboten IV. 1876. 7

Monographie herausgiebt; er resumirt durch ein kurzes Summarium jeden
Paragraphen, was die Uebersicht und das allgemeine Verständniß des Doku¬
mentes wesentlich erleichtert. Aus dieser Urkunde entnehmen wir die successiven
Veränderungen und Vervollkommnungen der Straßburger Constitution vom
Jahre 1405 an bis 1482, wo sie ihre vollendete Gestalt erhielt. Folgende
Punkte sind die wichtigsten: Im Patriziat findet eine Scheidung statt; von
1419 an theilen sich die „Geschlechter" in gehorsame und widerspenstige;
die getreuen Constofler, 89 Familien, bleiben im Verband des neuen Staats¬
lebens, die anderen ziehen aus und fallen dem Landadel und den Fürsten zu.
Das war eine politische Nothwendigkeit, hervorgerufen durch die neue Sach¬
lage. Der Ammeister behält äußerlich Ehren und Würden, wie auch der
große Rath und die Schöffenversammlung, allein im Staatsmechanismus
entsteht, neben der wechselnden Negierung ein beständiges Regiment,
das im Grunde im Besitz der Gewalt ist, und alle Angelegenheiten der Stadt
leitet. Es sind dies die drei geheimen Stuben der Dreizehner (XIII),
Fünfzehner (XV) und El nun d zwanz i g er (XXI). Der Ursprung
der Dreizehner fällt ins Jahr 1392; da wurde, in kriegerischen Zeiten, eine
Commission von neun Mitgliedern, die sog. Nenner ernannt, die das Kriegs¬
wesen zu leiten hatten, und zwar unabhängig vom großen Rathe. Aus
derselben heraus entwickelte sich mit der Zeit ein ständiges Negierungscollegium,
bestehend aus 4 Constoflern. 4 Altammeistern und 4 Handwerkern und dem
regierenden Ammeister. Dieses Kollegium, dessen Mitglieder lebenslänglich
ernannt waren und dem der jeweilig amtirende Stallmeister prästdirte, hatte
die Befugnisse, man erlaube mir einen modernen, aber adäquaten Ausdruck,
eines Ministeriums des Aeußern und des Krieges. Ein Dreizehner konnte
in jedes beliebige Amt der kleinen Republik, als Ammeister, Stallmeister oder
Rathsherr gewählt werden, ohne deshalb seine Stelle zu verlieren. Nur die
Kammer der Fünf zehn er war ihm verschlossen. Dieses städtische Ver-
waltungscollegium entstand im Jahre 1433 und entsprach einem inneren Be¬
dürfniß. Wohl waren Ordnungen und Gesetze in der Stadt; Niemand aber
controlirte, ob dieselben auch treu gehandhabt würden, denn der frühere Rath
übte zugleich mit der gesetzgebenden auch die vollführende Gewalt aus. Eine
Art Staatsrath, ein oberster Gerichtshof war demnach nothwendig geworden.
Aus dieser Idee entsprang die Entstehung der Fünfzehnerkammer, die, in
vollständiger Trennung von der bestehenden Verwaltungsbehörde, kein Mit-
glted aufnehmen sollte, das ein öffentliches Amt bekleidete. Dieses Collegium
bestand aus S Constoflern und 10 Handwerkern und ergänzte sich selbst; nur
wer 33 Jahre zurückgelegt hatte, durfte darin sitzen; die Mitglieder waren
lebenslänglich ernannt und bildeten eine weitere Abtheilung des beständigen
Regiments. Die Fünszehner waren die Wächter des Gesetzes und die Bürgen


Grenzboten IV. 1876. 7
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0053" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/136692"/>
          <p xml:id="ID_130" prev="#ID_129" next="#ID_131"> Monographie herausgiebt; er resumirt durch ein kurzes Summarium jeden<lb/>
Paragraphen, was die Uebersicht und das allgemeine Verständniß des Doku¬<lb/>
mentes wesentlich erleichtert. Aus dieser Urkunde entnehmen wir die successiven<lb/>
Veränderungen und Vervollkommnungen der Straßburger Constitution vom<lb/>
Jahre 1405 an bis 1482, wo sie ihre vollendete Gestalt erhielt. Folgende<lb/>
Punkte sind die wichtigsten: Im Patriziat findet eine Scheidung statt; von<lb/>
1419 an theilen sich die &#x201E;Geschlechter" in gehorsame und widerspenstige;<lb/>
die getreuen Constofler, 89 Familien, bleiben im Verband des neuen Staats¬<lb/>
lebens, die anderen ziehen aus und fallen dem Landadel und den Fürsten zu.<lb/>
Das war eine politische Nothwendigkeit, hervorgerufen durch die neue Sach¬<lb/>
lage. Der Ammeister behält äußerlich Ehren und Würden, wie auch der<lb/>
große Rath und die Schöffenversammlung, allein im Staatsmechanismus<lb/>
entsteht, neben der wechselnden Negierung ein beständiges Regiment,<lb/>
das im Grunde im Besitz der Gewalt ist, und alle Angelegenheiten der Stadt<lb/>
leitet. Es sind dies die drei geheimen Stuben der Dreizehner (XIII),<lb/>
Fünfzehner (XV) und El nun d zwanz i g er (XXI). Der Ursprung<lb/>
der Dreizehner fällt ins Jahr 1392; da wurde, in kriegerischen Zeiten, eine<lb/>
Commission von neun Mitgliedern, die sog. Nenner ernannt, die das Kriegs¬<lb/>
wesen zu leiten hatten, und zwar unabhängig vom großen Rathe. Aus<lb/>
derselben heraus entwickelte sich mit der Zeit ein ständiges Negierungscollegium,<lb/>
bestehend aus 4 Constoflern. 4 Altammeistern und 4 Handwerkern und dem<lb/>
regierenden Ammeister. Dieses Kollegium, dessen Mitglieder lebenslänglich<lb/>
ernannt waren und dem der jeweilig amtirende Stallmeister prästdirte, hatte<lb/>
die Befugnisse, man erlaube mir einen modernen, aber adäquaten Ausdruck,<lb/>
eines Ministeriums des Aeußern und des Krieges. Ein Dreizehner konnte<lb/>
in jedes beliebige Amt der kleinen Republik, als Ammeister, Stallmeister oder<lb/>
Rathsherr gewählt werden, ohne deshalb seine Stelle zu verlieren. Nur die<lb/>
Kammer der Fünf zehn er war ihm verschlossen. Dieses städtische Ver-<lb/>
waltungscollegium entstand im Jahre 1433 und entsprach einem inneren Be¬<lb/>
dürfniß. Wohl waren Ordnungen und Gesetze in der Stadt; Niemand aber<lb/>
controlirte, ob dieselben auch treu gehandhabt würden, denn der frühere Rath<lb/>
übte zugleich mit der gesetzgebenden auch die vollführende Gewalt aus. Eine<lb/>
Art Staatsrath, ein oberster Gerichtshof war demnach nothwendig geworden.<lb/>
Aus dieser Idee entsprang die Entstehung der Fünfzehnerkammer, die, in<lb/>
vollständiger Trennung von der bestehenden Verwaltungsbehörde, kein Mit-<lb/>
glted aufnehmen sollte, das ein öffentliches Amt bekleidete. Dieses Collegium<lb/>
bestand aus S Constoflern und 10 Handwerkern und ergänzte sich selbst; nur<lb/>
wer 33 Jahre zurückgelegt hatte, durfte darin sitzen; die Mitglieder waren<lb/>
lebenslänglich ernannt und bildeten eine weitere Abtheilung des beständigen<lb/>
Regiments. Die Fünszehner waren die Wächter des Gesetzes und die Bürgen</p><lb/>
          <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten IV. 1876. 7</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0053] Monographie herausgiebt; er resumirt durch ein kurzes Summarium jeden Paragraphen, was die Uebersicht und das allgemeine Verständniß des Doku¬ mentes wesentlich erleichtert. Aus dieser Urkunde entnehmen wir die successiven Veränderungen und Vervollkommnungen der Straßburger Constitution vom Jahre 1405 an bis 1482, wo sie ihre vollendete Gestalt erhielt. Folgende Punkte sind die wichtigsten: Im Patriziat findet eine Scheidung statt; von 1419 an theilen sich die „Geschlechter" in gehorsame und widerspenstige; die getreuen Constofler, 89 Familien, bleiben im Verband des neuen Staats¬ lebens, die anderen ziehen aus und fallen dem Landadel und den Fürsten zu. Das war eine politische Nothwendigkeit, hervorgerufen durch die neue Sach¬ lage. Der Ammeister behält äußerlich Ehren und Würden, wie auch der große Rath und die Schöffenversammlung, allein im Staatsmechanismus entsteht, neben der wechselnden Negierung ein beständiges Regiment, das im Grunde im Besitz der Gewalt ist, und alle Angelegenheiten der Stadt leitet. Es sind dies die drei geheimen Stuben der Dreizehner (XIII), Fünfzehner (XV) und El nun d zwanz i g er (XXI). Der Ursprung der Dreizehner fällt ins Jahr 1392; da wurde, in kriegerischen Zeiten, eine Commission von neun Mitgliedern, die sog. Nenner ernannt, die das Kriegs¬ wesen zu leiten hatten, und zwar unabhängig vom großen Rathe. Aus derselben heraus entwickelte sich mit der Zeit ein ständiges Negierungscollegium, bestehend aus 4 Constoflern. 4 Altammeistern und 4 Handwerkern und dem regierenden Ammeister. Dieses Kollegium, dessen Mitglieder lebenslänglich ernannt waren und dem der jeweilig amtirende Stallmeister prästdirte, hatte die Befugnisse, man erlaube mir einen modernen, aber adäquaten Ausdruck, eines Ministeriums des Aeußern und des Krieges. Ein Dreizehner konnte in jedes beliebige Amt der kleinen Republik, als Ammeister, Stallmeister oder Rathsherr gewählt werden, ohne deshalb seine Stelle zu verlieren. Nur die Kammer der Fünf zehn er war ihm verschlossen. Dieses städtische Ver- waltungscollegium entstand im Jahre 1433 und entsprach einem inneren Be¬ dürfniß. Wohl waren Ordnungen und Gesetze in der Stadt; Niemand aber controlirte, ob dieselben auch treu gehandhabt würden, denn der frühere Rath übte zugleich mit der gesetzgebenden auch die vollführende Gewalt aus. Eine Art Staatsrath, ein oberster Gerichtshof war demnach nothwendig geworden. Aus dieser Idee entsprang die Entstehung der Fünfzehnerkammer, die, in vollständiger Trennung von der bestehenden Verwaltungsbehörde, kein Mit- glted aufnehmen sollte, das ein öffentliches Amt bekleidete. Dieses Collegium bestand aus S Constoflern und 10 Handwerkern und ergänzte sich selbst; nur wer 33 Jahre zurückgelegt hatte, durfte darin sitzen; die Mitglieder waren lebenslänglich ernannt und bildeten eine weitere Abtheilung des beständigen Regiments. Die Fünszehner waren die Wächter des Gesetzes und die Bürgen Grenzboten IV. 1876. 7

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157686
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157686/53
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157686/53>, abgerufen am 27.09.2024.