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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. II. Band.

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Sicherheit verleihen, sondern auf die Dauer auch eine bedeutende Ersparnis
gewähren. Deshalb haben Staatsbahnen und solche große Privatbahnen,
deren Gründung noch in die erste Periode des Eisenbahnwesens fällt und
die daher in guten Verhältnissen sich befinden, angefangen, die Eisenschienen
durch Stahlschienen zu ersetzen. So hatte die Köln-Mindener Bahn schon
im Jahre 1867 begonnen, ungefähr gleichzeitig mit den preußischen Staats¬
bahnen, ihre sämmtlichen Hauptlinien mit Stahlschienen auszurüsten. Im
Jahre 1870 waren auf den Linien der Köln-Mindener Bahn bereits über
300 Kilometer Geleise in Stahlschienen verlegt, die Reichsbahnen Elsaß-
Lothringens wurden gleichfalls sofort, nach ihrer Besitzergreifung, mit Stahl¬
schienen ausgerüstet. Nach Rußland werden neuerdings fast nur Stahl¬
schienen versendet. In Frankreich haben alle großen Bahnen beschlossen
und begonnen, ihre Linien mit Stahlschienen zu belegen, und die eng-
lischen großen Bahnen, welche in ihrer kolossalen Ausdehnung ganz
die Bedeutung von Staatsbahnen haben, sind längst mit diesem Bei¬
spiel vorangegangen. Dagegen wurden während der ganzen letzten Grün¬
derperiode die in Deutschland und Oesterreich neu gegründeten Eisenbahnen
lediglich mit Eisenschienen ausgerüstet, weil das veranschlagte Kapital für
die größere Auslage der Stahlschienen nicht ausgereicht hätte.

Eine ähnliche Wirkung hat die den Verwaltungen von Privatbahnen
mit Nothwendigkeit auferlegte Jagd nach Dividenden. Die Verwaltungs¬
räthe und Direktoren der Privateisenbahnen sind, weil sie nach jedem Ge¬
schäftsjahr gewechselt werden können, naturgemäß genöthigt, die Aktionäre
möglichst bei guter Laune zu erhalten. Wodurch kann dieß aber besser ge¬
schehen, als durch Vertheilung reichlicher Dividenden? Diese Rücksicht auf die
baldige Vertheilung einer möglichst hohen Dividende wirkt daher auch da¬
hin, daß die Verwaltungen so sparsam als möglich in der Erneuerung des
Geleises wie des Betriebsmaterials zu Werke gehen und den Erneuerungs¬
fonds so viel als möglich zu Gunsten der Dividende schmälern. Je jünger
die Bahn, desto mehr ist sie diesem Verfahren ausgesetzt, weil die Direktoren
und Verwaltungsräthe noch ein größeres Interesse haben, sich bei ihren
Aktionären beliebt zu machen. Nur Männer, die im Dienste einer alten
soliden Privatbahn ergraut sind, brauchen keine solchen Rücksichten zu nehmen,
und daher stößt man auch in dieser Beziehung auf so riesige Contraste
zwischen alten und neuen Privatbahnen, sowohl in Beziehung auf den Er¬
neuerungsfonds, als auch in Hinsicht der Ausgaben für das Beamten- und
Arbeiterpersonal. Zu den solidesten Bahnen gehört in dieser Beziehung die
Berlin-Hamburger, und zu denjenigen, gegen welche die meisten Klagen er¬
hoben wurden und auf der auch die meisten Unglücksfälle sich ereigneten, die
Berlin-AnHalter Bahn. Die Ausgaben dieser beiden Privatbahnen und der


Sicherheit verleihen, sondern auf die Dauer auch eine bedeutende Ersparnis
gewähren. Deshalb haben Staatsbahnen und solche große Privatbahnen,
deren Gründung noch in die erste Periode des Eisenbahnwesens fällt und
die daher in guten Verhältnissen sich befinden, angefangen, die Eisenschienen
durch Stahlschienen zu ersetzen. So hatte die Köln-Mindener Bahn schon
im Jahre 1867 begonnen, ungefähr gleichzeitig mit den preußischen Staats¬
bahnen, ihre sämmtlichen Hauptlinien mit Stahlschienen auszurüsten. Im
Jahre 1870 waren auf den Linien der Köln-Mindener Bahn bereits über
300 Kilometer Geleise in Stahlschienen verlegt, die Reichsbahnen Elsaß-
Lothringens wurden gleichfalls sofort, nach ihrer Besitzergreifung, mit Stahl¬
schienen ausgerüstet. Nach Rußland werden neuerdings fast nur Stahl¬
schienen versendet. In Frankreich haben alle großen Bahnen beschlossen
und begonnen, ihre Linien mit Stahlschienen zu belegen, und die eng-
lischen großen Bahnen, welche in ihrer kolossalen Ausdehnung ganz
die Bedeutung von Staatsbahnen haben, sind längst mit diesem Bei¬
spiel vorangegangen. Dagegen wurden während der ganzen letzten Grün¬
derperiode die in Deutschland und Oesterreich neu gegründeten Eisenbahnen
lediglich mit Eisenschienen ausgerüstet, weil das veranschlagte Kapital für
die größere Auslage der Stahlschienen nicht ausgereicht hätte.

Eine ähnliche Wirkung hat die den Verwaltungen von Privatbahnen
mit Nothwendigkeit auferlegte Jagd nach Dividenden. Die Verwaltungs¬
räthe und Direktoren der Privateisenbahnen sind, weil sie nach jedem Ge¬
schäftsjahr gewechselt werden können, naturgemäß genöthigt, die Aktionäre
möglichst bei guter Laune zu erhalten. Wodurch kann dieß aber besser ge¬
schehen, als durch Vertheilung reichlicher Dividenden? Diese Rücksicht auf die
baldige Vertheilung einer möglichst hohen Dividende wirkt daher auch da¬
hin, daß die Verwaltungen so sparsam als möglich in der Erneuerung des
Geleises wie des Betriebsmaterials zu Werke gehen und den Erneuerungs¬
fonds so viel als möglich zu Gunsten der Dividende schmälern. Je jünger
die Bahn, desto mehr ist sie diesem Verfahren ausgesetzt, weil die Direktoren
und Verwaltungsräthe noch ein größeres Interesse haben, sich bei ihren
Aktionären beliebt zu machen. Nur Männer, die im Dienste einer alten
soliden Privatbahn ergraut sind, brauchen keine solchen Rücksichten zu nehmen,
und daher stößt man auch in dieser Beziehung auf so riesige Contraste
zwischen alten und neuen Privatbahnen, sowohl in Beziehung auf den Er¬
neuerungsfonds, als auch in Hinsicht der Ausgaben für das Beamten- und
Arbeiterpersonal. Zu den solidesten Bahnen gehört in dieser Beziehung die
Berlin-Hamburger, und zu denjenigen, gegen welche die meisten Klagen er¬
hoben wurden und auf der auch die meisten Unglücksfälle sich ereigneten, die
Berlin-AnHalter Bahn. Die Ausgaben dieser beiden Privatbahnen und der


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157686/507>, abgerufen am 20.10.2024.