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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. II. Band.

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Ein Stück der Empore mit einem Theile der Lebensalter des weiblichen
Geschlechtes zeigt Tafel 22. Jede Altersstufe ist nach der im Mittelalter
beliebten Symbolik durch einen neben der Frau auf einem Wappenschilde
angebrachten Vogel charakterisirt.*) Die daran zunächst sich anschließende
Darstellung zeigt einen Mann mit einem Spruchzettel, dessen Inschrift --
freilich in der Abbildung so gut wie nicht zu lesen -- lautet: "1499 ist ge¬
legt das Fundament, 1325 ist das Werk vollende." Andreae erwähnt diese
Reliefs mit keiner Silbe, eben so wenig die auf Tafel 18 erkennbaren des
Predigtstuhles, welcher, wie es in einer handschriftlichen Annaberger Chronik
des 16. Jahrhunderts heißt (bei Spieß, S. 201) 1516 "von Bilech a u ekelt
ausgesetzet" ist. Die beiden auf Blatt 23 vereinigten Gemälde -- zwei
Altarflügel, eine Maria mit dem Jesuskinde auf dem Halbmond stehend
und eine heilige Katharina -- sind, wie der Herausgeber jedenfalls richtig ge¬
sehen hat, von ein und demselben Künstler gemalt. Waagen ist nicht auf
diese Wahrnehmung verfallen, wohl nur weil die Bilder in der Kirche an
verschiedenen Stellen hingen; hat man den Vergleich so bequem wie hier in
der Photographie, so kann kaum ein Zweifel darüber sein. Die Katharina
war Waagen geneigt, nach dem auf dem Bilde befindlichen Monogramm,
das man mit einiger Phantasie II K lesen kann, für eine Jugendarbeit des
jüngern Holbein zu halten. Die Holbeinausstellung in Dresden hat jedoch
gelehrt, daß das Bild "gar nichts mit Holbein gemein" hat.**) Von be¬
freundeter Seite werde ich darauf aufmerksam gemacht, daß beide Bilder an
den Meister des Hallischen Altars erinnern sollen. Der Taufstein auf Tafel
25 ist im Jahre 1556 aus der Cisterzienserkirche in Grünhayn nach Annaberg
versetzt worden.

lieber die Kunstwerke in Lauenstein vermag ich nichts genaueres bei¬
zubringen. Worauf die von Andreae gegebene ungenau-genaue Angabe, das
Portal sei "um 1601(?)" gefertigt, sich gründet, weiß ich nicht. Jul. Schmidt
erwähnt in seinen oben mehrfach angeführten "Beiträgen zur Kunstgeschichte
Sachsens" (S. 161) das Monument Günther's von Bünau in einer
Kapelle hinter dem Altare der Kirche in Lauenstein, welches laut des Con-
tractes 1611 von dem Bildhauer Lorenz Hornung in Pirna aus Sand¬
stein, Marmor und Alabaster, "allermaßen wie ihm die unterschriebene Vi-
sirung angegeben", verfertigt worden sei, und vermuthet, daß der Entwurf
dazu von Nosseni herrühre. Ob das von Andreae abgebildete Portal zu
diesem Begräbniß gehört, ist leider bei den abscheulich oberflächlichen Angaben
des Herausgebers nicht zu errathen.




') Deutlicher abgebildet sind vier dieser Reliefs bei Puttrich, Lfg. 19 und 20, Tf. S.
'
Nach A. v. Zahns Urtheil in den Jahrbüchern für Kunstwissenschaft V, S. 209, dem
auch Weltmann (Holbein und seine Zeit, 2. Aufl., S. 9ö) beigetreten ist.

Ein Stück der Empore mit einem Theile der Lebensalter des weiblichen
Geschlechtes zeigt Tafel 22. Jede Altersstufe ist nach der im Mittelalter
beliebten Symbolik durch einen neben der Frau auf einem Wappenschilde
angebrachten Vogel charakterisirt.*) Die daran zunächst sich anschließende
Darstellung zeigt einen Mann mit einem Spruchzettel, dessen Inschrift —
freilich in der Abbildung so gut wie nicht zu lesen — lautet: „1499 ist ge¬
legt das Fundament, 1325 ist das Werk vollende." Andreae erwähnt diese
Reliefs mit keiner Silbe, eben so wenig die auf Tafel 18 erkennbaren des
Predigtstuhles, welcher, wie es in einer handschriftlichen Annaberger Chronik
des 16. Jahrhunderts heißt (bei Spieß, S. 201) 1516 „von Bilech a u ekelt
ausgesetzet" ist. Die beiden auf Blatt 23 vereinigten Gemälde — zwei
Altarflügel, eine Maria mit dem Jesuskinde auf dem Halbmond stehend
und eine heilige Katharina — sind, wie der Herausgeber jedenfalls richtig ge¬
sehen hat, von ein und demselben Künstler gemalt. Waagen ist nicht auf
diese Wahrnehmung verfallen, wohl nur weil die Bilder in der Kirche an
verschiedenen Stellen hingen; hat man den Vergleich so bequem wie hier in
der Photographie, so kann kaum ein Zweifel darüber sein. Die Katharina
war Waagen geneigt, nach dem auf dem Bilde befindlichen Monogramm,
das man mit einiger Phantasie II K lesen kann, für eine Jugendarbeit des
jüngern Holbein zu halten. Die Holbeinausstellung in Dresden hat jedoch
gelehrt, daß das Bild „gar nichts mit Holbein gemein" hat.**) Von be¬
freundeter Seite werde ich darauf aufmerksam gemacht, daß beide Bilder an
den Meister des Hallischen Altars erinnern sollen. Der Taufstein auf Tafel
25 ist im Jahre 1556 aus der Cisterzienserkirche in Grünhayn nach Annaberg
versetzt worden.

lieber die Kunstwerke in Lauenstein vermag ich nichts genaueres bei¬
zubringen. Worauf die von Andreae gegebene ungenau-genaue Angabe, das
Portal sei „um 1601(?)" gefertigt, sich gründet, weiß ich nicht. Jul. Schmidt
erwähnt in seinen oben mehrfach angeführten „Beiträgen zur Kunstgeschichte
Sachsens" (S. 161) das Monument Günther's von Bünau in einer
Kapelle hinter dem Altare der Kirche in Lauenstein, welches laut des Con-
tractes 1611 von dem Bildhauer Lorenz Hornung in Pirna aus Sand¬
stein, Marmor und Alabaster, „allermaßen wie ihm die unterschriebene Vi-
sirung angegeben", verfertigt worden sei, und vermuthet, daß der Entwurf
dazu von Nosseni herrühre. Ob das von Andreae abgebildete Portal zu
diesem Begräbniß gehört, ist leider bei den abscheulich oberflächlichen Angaben
des Herausgebers nicht zu errathen.




') Deutlicher abgebildet sind vier dieser Reliefs bei Puttrich, Lfg. 19 und 20, Tf. S.
'
Nach A. v. Zahns Urtheil in den Jahrbüchern für Kunstwissenschaft V, S. 209, dem
auch Weltmann (Holbein und seine Zeit, 2. Aufl., S. 9ö) beigetreten ist.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157686/500>, abgerufen am 27.09.2024.