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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. II. Band.

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zwei verschiedene Außenansichten der Marienkirche, sodann ein Portal derselben,
einen Theil des Flügelaltars und eine Anzahl kirchlicher Geräthe, endlich von
der Katharinenkirchs Außen- und Innenansicht, das Innere der Sacristei und
einen Theil von den Schnitzereien am sogenannten "Heiligen Grabe".

In dem erläuternden Text zu den eben erwähnten Tafeln ist die Er¬
bauungszeit der Chemnitzer Klosterkirche (1514 -- 1626) richtig angegeben,
auch die richtige Wahrnehmung ausgesprochen, daß das von naturalistischem
Astwerk umzogene Portal auffallend an die Umrahmung des einen Blattes
aus Dürer's "Marienleben" (Begegnung zwischen Joachim und Anna) er¬
innere. An die Erwähnung der Geißelungsgruppe -- vulgo "Martersäule" --
knüpft der Herausgeber folgenden mir unverständlichen Satz: "Häufiger (als
was?) kommen hier (in Chemnitz?) außer den vielen noch vorhandenen (wo?)
Flügelaltären Ecce-Homo-Statuen vor, welche zumeist in abschreckender Qual
den Mann der Schmerzen darstellen." Die Notizen über Annaberg werden
wie oben bei Freiberg durch ein paar Angaben über das Aufkommen des
dortigen Bergbaues, die Gründung und den Namen der Stadt eröffnet.
Ueber die Baugeschichte der Annenkirche erhalten wir fnlgende Höchst wichtige
Aufschlüsse: "Herzog Georg legte im Jahre 1499 in Gegenwart seiner Brüder
Heinrich (des Frommen) und Friedrich (Hochmeister des deutschen Ordens)
unter Assistenz des Bischofs Johann VI. von Meißen und einer glänzenden
Gesellschaft von Fürsten und Herren den Grundstein zur Annenkirche. Die
Einweihung ward 1619 in Gegenwart des Herzogs Georg durch den Bischof
von Meißen Johann VII. (man beachte die elegante Abwechslung in der
Wortstellung!) mit großer Pracht vollzogen, aber erst 1626 ward der Bau
vollendet." Bei diesen außergewöhnlich interessanten Angaben läßt sich der
Verfasser auch wieder einmal herbei, seine Quelle zu nennen; es ist der dritte
Band der "Saxonia", jenes biedern NolkSbilderbuches, welches in den dreißiger
Jahren fünf Jahrgänge erlebte und welches noch heute ein unentbehrliches
Hilfsmittel für den kleinen Provinzialblättchenreporter bildet, wenn er um
eine historische Notiz aus der sächsischen Städtegeschichte in Verlegenheit ist.
Wegen der Anlage der Kirche wird Otte's "Handbuch", das für Andreae
ein wahres Noth-, Trost- und Hilfsbüchlein gewesen sein muß. wieder um
drei Zeilen in Contribution gesetzt, von der "Goldner Pforte" erfahren
wir, daß sie von dem 1604 abgebrannten Franeiskanerkloster erst in die
Annakirche versetzt worden sei, und daß "ihre Sculpturen wieder lebhaft
an Dürer erinnern und bei eifrigstem Festhalten an älterer Structur das
Eindringen der Renaissance in lustiger Weise zeigt" (sie); von den sonstigen
Kunstwerken der Kirche wird wenigstens das Material mitgetheilt. Ueber
Tafel 26 leistet der Herausgeber wieder folgende Stilprobe: "Blatt 26 bringt
noch ein schönes Beispiel der Schmiedeeisen-Technik. Es ist die Thür zu


zwei verschiedene Außenansichten der Marienkirche, sodann ein Portal derselben,
einen Theil des Flügelaltars und eine Anzahl kirchlicher Geräthe, endlich von
der Katharinenkirchs Außen- und Innenansicht, das Innere der Sacristei und
einen Theil von den Schnitzereien am sogenannten „Heiligen Grabe".

In dem erläuternden Text zu den eben erwähnten Tafeln ist die Er¬
bauungszeit der Chemnitzer Klosterkirche (1514 — 1626) richtig angegeben,
auch die richtige Wahrnehmung ausgesprochen, daß das von naturalistischem
Astwerk umzogene Portal auffallend an die Umrahmung des einen Blattes
aus Dürer's „Marienleben" (Begegnung zwischen Joachim und Anna) er¬
innere. An die Erwähnung der Geißelungsgruppe — vulgo „Martersäule" —
knüpft der Herausgeber folgenden mir unverständlichen Satz: „Häufiger (als
was?) kommen hier (in Chemnitz?) außer den vielen noch vorhandenen (wo?)
Flügelaltären Ecce-Homo-Statuen vor, welche zumeist in abschreckender Qual
den Mann der Schmerzen darstellen." Die Notizen über Annaberg werden
wie oben bei Freiberg durch ein paar Angaben über das Aufkommen des
dortigen Bergbaues, die Gründung und den Namen der Stadt eröffnet.
Ueber die Baugeschichte der Annenkirche erhalten wir fnlgende Höchst wichtige
Aufschlüsse: „Herzog Georg legte im Jahre 1499 in Gegenwart seiner Brüder
Heinrich (des Frommen) und Friedrich (Hochmeister des deutschen Ordens)
unter Assistenz des Bischofs Johann VI. von Meißen und einer glänzenden
Gesellschaft von Fürsten und Herren den Grundstein zur Annenkirche. Die
Einweihung ward 1619 in Gegenwart des Herzogs Georg durch den Bischof
von Meißen Johann VII. (man beachte die elegante Abwechslung in der
Wortstellung!) mit großer Pracht vollzogen, aber erst 1626 ward der Bau
vollendet." Bei diesen außergewöhnlich interessanten Angaben läßt sich der
Verfasser auch wieder einmal herbei, seine Quelle zu nennen; es ist der dritte
Band der „Saxonia", jenes biedern NolkSbilderbuches, welches in den dreißiger
Jahren fünf Jahrgänge erlebte und welches noch heute ein unentbehrliches
Hilfsmittel für den kleinen Provinzialblättchenreporter bildet, wenn er um
eine historische Notiz aus der sächsischen Städtegeschichte in Verlegenheit ist.
Wegen der Anlage der Kirche wird Otte's „Handbuch", das für Andreae
ein wahres Noth-, Trost- und Hilfsbüchlein gewesen sein muß. wieder um
drei Zeilen in Contribution gesetzt, von der „Goldner Pforte" erfahren
wir, daß sie von dem 1604 abgebrannten Franeiskanerkloster erst in die
Annakirche versetzt worden sei, und daß „ihre Sculpturen wieder lebhaft
an Dürer erinnern und bei eifrigstem Festhalten an älterer Structur das
Eindringen der Renaissance in lustiger Weise zeigt" (sie); von den sonstigen
Kunstwerken der Kirche wird wenigstens das Material mitgetheilt. Ueber
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noch ein schönes Beispiel der Schmiedeeisen-Technik. Es ist die Thür zu


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[0496] zwei verschiedene Außenansichten der Marienkirche, sodann ein Portal derselben, einen Theil des Flügelaltars und eine Anzahl kirchlicher Geräthe, endlich von der Katharinenkirchs Außen- und Innenansicht, das Innere der Sacristei und einen Theil von den Schnitzereien am sogenannten „Heiligen Grabe". In dem erläuternden Text zu den eben erwähnten Tafeln ist die Er¬ bauungszeit der Chemnitzer Klosterkirche (1514 — 1626) richtig angegeben, auch die richtige Wahrnehmung ausgesprochen, daß das von naturalistischem Astwerk umzogene Portal auffallend an die Umrahmung des einen Blattes aus Dürer's „Marienleben" (Begegnung zwischen Joachim und Anna) er¬ innere. An die Erwähnung der Geißelungsgruppe — vulgo „Martersäule" — knüpft der Herausgeber folgenden mir unverständlichen Satz: „Häufiger (als was?) kommen hier (in Chemnitz?) außer den vielen noch vorhandenen (wo?) Flügelaltären Ecce-Homo-Statuen vor, welche zumeist in abschreckender Qual den Mann der Schmerzen darstellen." Die Notizen über Annaberg werden wie oben bei Freiberg durch ein paar Angaben über das Aufkommen des dortigen Bergbaues, die Gründung und den Namen der Stadt eröffnet. Ueber die Baugeschichte der Annenkirche erhalten wir fnlgende Höchst wichtige Aufschlüsse: „Herzog Georg legte im Jahre 1499 in Gegenwart seiner Brüder Heinrich (des Frommen) und Friedrich (Hochmeister des deutschen Ordens) unter Assistenz des Bischofs Johann VI. von Meißen und einer glänzenden Gesellschaft von Fürsten und Herren den Grundstein zur Annenkirche. Die Einweihung ward 1619 in Gegenwart des Herzogs Georg durch den Bischof von Meißen Johann VII. (man beachte die elegante Abwechslung in der Wortstellung!) mit großer Pracht vollzogen, aber erst 1626 ward der Bau vollendet." Bei diesen außergewöhnlich interessanten Angaben läßt sich der Verfasser auch wieder einmal herbei, seine Quelle zu nennen; es ist der dritte Band der „Saxonia", jenes biedern NolkSbilderbuches, welches in den dreißiger Jahren fünf Jahrgänge erlebte und welches noch heute ein unentbehrliches Hilfsmittel für den kleinen Provinzialblättchenreporter bildet, wenn er um eine historische Notiz aus der sächsischen Städtegeschichte in Verlegenheit ist. Wegen der Anlage der Kirche wird Otte's „Handbuch", das für Andreae ein wahres Noth-, Trost- und Hilfsbüchlein gewesen sein muß. wieder um drei Zeilen in Contribution gesetzt, von der „Goldner Pforte" erfahren wir, daß sie von dem 1604 abgebrannten Franeiskanerkloster erst in die Annakirche versetzt worden sei, und daß „ihre Sculpturen wieder lebhaft an Dürer erinnern und bei eifrigstem Festhalten an älterer Structur das Eindringen der Renaissance in lustiger Weise zeigt" (sie); von den sonstigen Kunstwerken der Kirche wird wenigstens das Material mitgetheilt. Ueber Tafel 26 leistet der Herausgeber wieder folgende Stilprobe: „Blatt 26 bringt noch ein schönes Beispiel der Schmiedeeisen-Technik. Es ist die Thür zu

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157686/496>, abgerufen am 27.09.2024.