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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. II. Band.

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nach glänzenden Dingen im Wasser schnappen und sie verschlingen, ohne sie
dann wieder von sich geben zu können.

Brand erzählt in seiner "Geschichte von Newcastle", daß ein Herr aus
dieser Stadt am Ausflusse des Tyne in die Nordsee um die Mitte des sieb¬
zehnten Jahrhunderts aus Versehen einen Ring über das Geländer der
Brücke in den Strom fallen ließ. Jahre verflossen, und die Sache war längst
vergessen, als seine Frau eines Tages auf dem Markte einen Fisch kaufte,
in dessen Magen der verlorene Ring lag.

Im "Gentlemans Magazine" vom Februar 1763 ist der Bericht einer
Frau aus Deptford zu lesen, die, als sie in einem Boote nach Whitstable
fuhr, den Beweis führen wollte, daß niemand arm zu sein brauche, wenn er
die Absicht habe, es nicht zu bleiben. Warm werdend bei ihrer Rede, warf
sie ihren goldnen Ring in die See und sagte (ungefähr wie die Herrin des
Verwellenhofs aus der Kölberger Haide), "es sei für jedermann ganz ebenso
unmöglich, gegen seinen Willen arm zu werden, als es unmöglich für sie
sei. diesen ihren Ring wieder zu sehen." Den zweiten Tag. nachdem sie ans
Land gestiegen, kaufte sie auf dem Markte einige Makrelen, und die Magd
begann dieselben zum Mittagsessen zurecht zu machen. In einer davon fand
sie einen goldnen Ring. Sie lief zu ihrer Frau und zeigte ihr ihn, und
diese erkannte darin den von ihr in die See geworfnen Ring.

Sehr wunderbar, aber auch sehr verdächtig, obwohl mit Namen von
noch lebenden Personen und Jahreszahlen von sehr neuem Datum ausge¬
stattet, ist folgende Erzählung, welche vor einigen Jahren amerikanische Zei¬
tungen aus Se. Johns in Neufoundland mittheilten. "Ein Fischer in der
Nachbarschaft dieser Stadt fand in den Eingeweiden eines Stockfisches, den
er in der Trintly Bucht gefangen, einen Siegelring mit dem Monogramm
L. Der Fischer, Namens John Potter, behielt seinen Fund einige Zeit
für sich, indeß wurde die Sache allmählig ruchtbar, und so ging ihm vom
Colonialsekretär die Aufforderung zu, den Ring nach Se. Johns zu senden
oder selbst zu bringen, da er Briefe von einer Familie Burnam in dem eng¬
lischen Städtchen Poole erhalten, worin dieselbe behauptete, daß sie Grund
zu der Ueberzeugung habe, der Ring habe einer gewissen Pauline Burnam
gehört, die eine von den Passagieren des Dampfschiffs "Ungko Saxoen" ge¬
wesen, welches im Jahre 1861 bei der zu Neufoundland gehörigen Chance
Bay gescheitert und untergegangen sei. Besagte Pauline Burnam sei eine
nahe Verwandte der Familie gewesen. Der Fischer, in dessen Besitz sich
der Ring befand, brachte ihn nach Se. Johns und zeigte ihn auf dem Bureau
des Colonialsekretärs. Nach kurzem Aufenthalt stellte man ihm hier einen
Herrn Burnam vor, welcher in dem Ringe sogleich den Trauring seiner
Mutter erkannte, den sie seit ihrer im Jahre 1848 zu Huddersfield erfolgten


nach glänzenden Dingen im Wasser schnappen und sie verschlingen, ohne sie
dann wieder von sich geben zu können.

Brand erzählt in seiner „Geschichte von Newcastle", daß ein Herr aus
dieser Stadt am Ausflusse des Tyne in die Nordsee um die Mitte des sieb¬
zehnten Jahrhunderts aus Versehen einen Ring über das Geländer der
Brücke in den Strom fallen ließ. Jahre verflossen, und die Sache war längst
vergessen, als seine Frau eines Tages auf dem Markte einen Fisch kaufte,
in dessen Magen der verlorene Ring lag.

Im „Gentlemans Magazine" vom Februar 1763 ist der Bericht einer
Frau aus Deptford zu lesen, die, als sie in einem Boote nach Whitstable
fuhr, den Beweis führen wollte, daß niemand arm zu sein brauche, wenn er
die Absicht habe, es nicht zu bleiben. Warm werdend bei ihrer Rede, warf
sie ihren goldnen Ring in die See und sagte (ungefähr wie die Herrin des
Verwellenhofs aus der Kölberger Haide), „es sei für jedermann ganz ebenso
unmöglich, gegen seinen Willen arm zu werden, als es unmöglich für sie
sei. diesen ihren Ring wieder zu sehen." Den zweiten Tag. nachdem sie ans
Land gestiegen, kaufte sie auf dem Markte einige Makrelen, und die Magd
begann dieselben zum Mittagsessen zurecht zu machen. In einer davon fand
sie einen goldnen Ring. Sie lief zu ihrer Frau und zeigte ihr ihn, und
diese erkannte darin den von ihr in die See geworfnen Ring.

Sehr wunderbar, aber auch sehr verdächtig, obwohl mit Namen von
noch lebenden Personen und Jahreszahlen von sehr neuem Datum ausge¬
stattet, ist folgende Erzählung, welche vor einigen Jahren amerikanische Zei¬
tungen aus Se. Johns in Neufoundland mittheilten. „Ein Fischer in der
Nachbarschaft dieser Stadt fand in den Eingeweiden eines Stockfisches, den
er in der Trintly Bucht gefangen, einen Siegelring mit dem Monogramm
L. Der Fischer, Namens John Potter, behielt seinen Fund einige Zeit
für sich, indeß wurde die Sache allmählig ruchtbar, und so ging ihm vom
Colonialsekretär die Aufforderung zu, den Ring nach Se. Johns zu senden
oder selbst zu bringen, da er Briefe von einer Familie Burnam in dem eng¬
lischen Städtchen Poole erhalten, worin dieselbe behauptete, daß sie Grund
zu der Ueberzeugung habe, der Ring habe einer gewissen Pauline Burnam
gehört, die eine von den Passagieren des Dampfschiffs „Ungko Saxoen" ge¬
wesen, welches im Jahre 1861 bei der zu Neufoundland gehörigen Chance
Bay gescheitert und untergegangen sei. Besagte Pauline Burnam sei eine
nahe Verwandte der Familie gewesen. Der Fischer, in dessen Besitz sich
der Ring befand, brachte ihn nach Se. Johns und zeigte ihn auf dem Bureau
des Colonialsekretärs. Nach kurzem Aufenthalt stellte man ihm hier einen
Herrn Burnam vor, welcher in dem Ringe sogleich den Trauring seiner
Mutter erkannte, den sie seit ihrer im Jahre 1848 zu Huddersfield erfolgten


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157686/492>, abgerufen am 27.09.2024.