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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. II. Band.

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wachsenen Personen und siebzehn von Kindern. Zwei dieser Platten hat Andreae
mit abbilden lassen, die des im Jahre 1541 verstorbnen Herzog Hi>inrich's des
Frommen und die eines 1612 im ersten Lebensjahre verstorbenen Söhnleins
Kurfürst Johann Georg's I. Aber auch über sie weiß er in seinen Erläute¬
rungen weiter nichts zu bemerken, als daß sie "geschickt gravirt" sind; über
ihre Geschichte und ihre Technik erfahren wir nicht eine Silbe.

Nun sind wir aber auch über die Freiberger Grabplatten schon seit
mehreren Jahren so gut orientirt, wie wir nur wünschen können.*) Es ist
so gut wie sicher, daß sie sämmtlich aus den Gießhütten der berühmten Frei¬
berger Glocken- und Stückgießerfamilie Hilliger (Hilger, Hylger) hervor¬
gegangen sind, die bereits seit dem Anfange des fünfzehnten Jahrhunderts in
Freiberg nachweisbar ist. Der erste hervorragende Vertreter dieser Familie, die
von schlichten "Kandelgießern" sich allmählich zu kunstgeübten Meistern em¬
porgearbeitet hatte, war Martin Hilliger (1484 -- 1644). Von diesem
stammte der berühmteste des ganzen Geschlechts, Wo is Hillig er (1611 --1676)
und dessen jüngerer Bruder Oswald Hilliger (geb. 1618, gestorben 1646
in Stettin) ab. Wolf bekleidete seit 1667 wiederholt das Bürgermeisteramt
in seiner Vaterstadt, 1667 wurde er zum kurfürstlichen Stückgießer ernannt.
Seine Thätigkeit erstreckte sich weit über Sachsen hinaus; Glocken mit der
Inschrift "Wolff Hylger zu Freibergk goß mich" sind weit verbreitet. Von
ihm und seinem Bruder Oswald gemeinschaftlich gearbeitet ist die prachtvolle
Bronzetafel mit Porträtmedaillons in der Schloßkirche zu Torgau vom
Jahre 1646,**) von Wolf allein das prächtige, mit vielen Statuetten ge¬
schmückte Grabmal des 1660 gestorbenen Herzogs Philipp I. von Pommern
in der Peterskirche in Wolgast. Im Freiberger Dom stammt, wie oben er¬
wähnt, nachweislich aus seiner Werkstatt das Crucifix auf dem Grabmale des
Kurfürsten Moritz und außerdem mindestens acht Grabplatten, nämlich die
von Herzog Heinrich's des Frommen Gemahlin Katharina und von sieben der
Meist in zartem Alter verstorbenen Kinder Kurfürst August's. Der Ruf Wolf
Hilltger's erbte sodann auf seinen ältesten Sohn Martin Hilliger (geb.
1L38, gestorben 1601 in Dresden) der schon dem Vater ein treuer Gehilfe
gewesen war. Er scheint auch schon bei dessen Lebzeiten selbständig durch
Kurfürst August beschäftigt gewesen zu sein, wurde aber 1677 beurlaubt und
lebte bis 1687 in Graz im Dienste Erzherzog Carl's von Steiermark. Graz
besitzt noch jetzt von ihm eine mächtige Glocke in dem von dem genannten




") Vgl. namentlich die trefflichen, einander ergänzenden Arbeiten von Jul. Schmidt:
'-Die Glocken- und Stückgießerfamilie Hilliger" in den Mittheilungen des Freiberger Alter-
thumsvereins 1866, S. 34l ff. und von Gerlach: "Die mittelalterlichen gravirten messingenen
^abplatten" ehb. S. 38!! f.
Vgl. Lübke, Geschichte der deutschen Renaissance, S. 783.

wachsenen Personen und siebzehn von Kindern. Zwei dieser Platten hat Andreae
mit abbilden lassen, die des im Jahre 1541 verstorbnen Herzog Hi>inrich's des
Frommen und die eines 1612 im ersten Lebensjahre verstorbenen Söhnleins
Kurfürst Johann Georg's I. Aber auch über sie weiß er in seinen Erläute¬
rungen weiter nichts zu bemerken, als daß sie „geschickt gravirt« sind; über
ihre Geschichte und ihre Technik erfahren wir nicht eine Silbe.

Nun sind wir aber auch über die Freiberger Grabplatten schon seit
mehreren Jahren so gut orientirt, wie wir nur wünschen können.*) Es ist
so gut wie sicher, daß sie sämmtlich aus den Gießhütten der berühmten Frei¬
berger Glocken- und Stückgießerfamilie Hilliger (Hilger, Hylger) hervor¬
gegangen sind, die bereits seit dem Anfange des fünfzehnten Jahrhunderts in
Freiberg nachweisbar ist. Der erste hervorragende Vertreter dieser Familie, die
von schlichten „Kandelgießern" sich allmählich zu kunstgeübten Meistern em¬
porgearbeitet hatte, war Martin Hilliger (1484 — 1644). Von diesem
stammte der berühmteste des ganzen Geschlechts, Wo is Hillig er (1611 —1676)
und dessen jüngerer Bruder Oswald Hilliger (geb. 1618, gestorben 1646
in Stettin) ab. Wolf bekleidete seit 1667 wiederholt das Bürgermeisteramt
in seiner Vaterstadt, 1667 wurde er zum kurfürstlichen Stückgießer ernannt.
Seine Thätigkeit erstreckte sich weit über Sachsen hinaus; Glocken mit der
Inschrift „Wolff Hylger zu Freibergk goß mich" sind weit verbreitet. Von
ihm und seinem Bruder Oswald gemeinschaftlich gearbeitet ist die prachtvolle
Bronzetafel mit Porträtmedaillons in der Schloßkirche zu Torgau vom
Jahre 1646,**) von Wolf allein das prächtige, mit vielen Statuetten ge¬
schmückte Grabmal des 1660 gestorbenen Herzogs Philipp I. von Pommern
in der Peterskirche in Wolgast. Im Freiberger Dom stammt, wie oben er¬
wähnt, nachweislich aus seiner Werkstatt das Crucifix auf dem Grabmale des
Kurfürsten Moritz und außerdem mindestens acht Grabplatten, nämlich die
von Herzog Heinrich's des Frommen Gemahlin Katharina und von sieben der
Meist in zartem Alter verstorbenen Kinder Kurfürst August's. Der Ruf Wolf
Hilltger's erbte sodann auf seinen ältesten Sohn Martin Hilliger (geb.
1L38, gestorben 1601 in Dresden) der schon dem Vater ein treuer Gehilfe
gewesen war. Er scheint auch schon bei dessen Lebzeiten selbständig durch
Kurfürst August beschäftigt gewesen zu sein, wurde aber 1677 beurlaubt und
lebte bis 1687 in Graz im Dienste Erzherzog Carl's von Steiermark. Graz
besitzt noch jetzt von ihm eine mächtige Glocke in dem von dem genannten




") Vgl. namentlich die trefflichen, einander ergänzenden Arbeiten von Jul. Schmidt:
'-Die Glocken- und Stückgießerfamilie Hilliger" in den Mittheilungen des Freiberger Alter-
thumsvereins 1866, S. 34l ff. und von Gerlach: „Die mittelalterlichen gravirten messingenen
^abplatten" ehb. S. 38!! f.
Vgl. Lübke, Geschichte der deutschen Renaissance, S. 783.
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[0473] wachsenen Personen und siebzehn von Kindern. Zwei dieser Platten hat Andreae mit abbilden lassen, die des im Jahre 1541 verstorbnen Herzog Hi>inrich's des Frommen und die eines 1612 im ersten Lebensjahre verstorbenen Söhnleins Kurfürst Johann Georg's I. Aber auch über sie weiß er in seinen Erläute¬ rungen weiter nichts zu bemerken, als daß sie „geschickt gravirt« sind; über ihre Geschichte und ihre Technik erfahren wir nicht eine Silbe. Nun sind wir aber auch über die Freiberger Grabplatten schon seit mehreren Jahren so gut orientirt, wie wir nur wünschen können.*) Es ist so gut wie sicher, daß sie sämmtlich aus den Gießhütten der berühmten Frei¬ berger Glocken- und Stückgießerfamilie Hilliger (Hilger, Hylger) hervor¬ gegangen sind, die bereits seit dem Anfange des fünfzehnten Jahrhunderts in Freiberg nachweisbar ist. Der erste hervorragende Vertreter dieser Familie, die von schlichten „Kandelgießern" sich allmählich zu kunstgeübten Meistern em¬ porgearbeitet hatte, war Martin Hilliger (1484 — 1644). Von diesem stammte der berühmteste des ganzen Geschlechts, Wo is Hillig er (1611 —1676) und dessen jüngerer Bruder Oswald Hilliger (geb. 1618, gestorben 1646 in Stettin) ab. Wolf bekleidete seit 1667 wiederholt das Bürgermeisteramt in seiner Vaterstadt, 1667 wurde er zum kurfürstlichen Stückgießer ernannt. Seine Thätigkeit erstreckte sich weit über Sachsen hinaus; Glocken mit der Inschrift „Wolff Hylger zu Freibergk goß mich" sind weit verbreitet. Von ihm und seinem Bruder Oswald gemeinschaftlich gearbeitet ist die prachtvolle Bronzetafel mit Porträtmedaillons in der Schloßkirche zu Torgau vom Jahre 1646,**) von Wolf allein das prächtige, mit vielen Statuetten ge¬ schmückte Grabmal des 1660 gestorbenen Herzogs Philipp I. von Pommern in der Peterskirche in Wolgast. Im Freiberger Dom stammt, wie oben er¬ wähnt, nachweislich aus seiner Werkstatt das Crucifix auf dem Grabmale des Kurfürsten Moritz und außerdem mindestens acht Grabplatten, nämlich die von Herzog Heinrich's des Frommen Gemahlin Katharina und von sieben der Meist in zartem Alter verstorbenen Kinder Kurfürst August's. Der Ruf Wolf Hilltger's erbte sodann auf seinen ältesten Sohn Martin Hilliger (geb. 1L38, gestorben 1601 in Dresden) der schon dem Vater ein treuer Gehilfe gewesen war. Er scheint auch schon bei dessen Lebzeiten selbständig durch Kurfürst August beschäftigt gewesen zu sein, wurde aber 1677 beurlaubt und lebte bis 1687 in Graz im Dienste Erzherzog Carl's von Steiermark. Graz besitzt noch jetzt von ihm eine mächtige Glocke in dem von dem genannten ") Vgl. namentlich die trefflichen, einander ergänzenden Arbeiten von Jul. Schmidt: '-Die Glocken- und Stückgießerfamilie Hilliger" in den Mittheilungen des Freiberger Alter- thumsvereins 1866, S. 34l ff. und von Gerlach: „Die mittelalterlichen gravirten messingenen ^abplatten" ehb. S. 38!! f. Vgl. Lübke, Geschichte der deutschen Renaissance, S. 783.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157686/473>, abgerufen am 20.10.2024.