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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. II. Band.

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etwas ganz anderes haben bieten können, als die kahle Notiz, daß Christian I.
im Jahre 1588 den Dresdner Hofbaumeister Nosseni von Lugano mit ihrer
Herstellung beauftragt habe, und die nichtssagende und obendrein schlecht sti-
lisirte Phrase: "Man muß den Architecten, Bildhauer und Decorateur be¬
wundern, welche Fülle zumeist gut "ertheilter Zier er im kleinen Raume
untergebracht."

Den Plan zur Erbauung der Begräbnißkopelle im Dom zu Freiberg
hatte bereits Kurfürst August im Jahre 1585 gefaßt, als seine Gemahlin,
die Kurfürstin Anna, gestorben war. Schon damals sandte er seinen Zeug¬
meister Paul Buchner und seinen Baumeister Nosseni nach Freiberg zur Be¬
sichtigung des Domchores, und diese fertigten denn auch Pläne und Zeich¬
nungen an. Giovanni Maria Nosseni war 1344 in Lugano im Can-
ton Tessin geboren, wurde Anfang des Jahres 1873 an den Dresdner Hof
berufen und im Sommer dieses Jahres als kurfüstlicher Baumeister, Bild¬
hauer und Maler angestellt. Nach Kurfürst August's Tode nahm dessen
Sohn und Nachfolger, Kurfürst Christian I., ein baulustiger Herr, den Plan
seines Vorgängers auf. In den sächsischen Serpentinstein-, Alabaster- und
Marmorbrüchen, um deren Erschließung sich Nosseni große Verdienste erworben,
begann ein reges Leben. Im Herbst 1588 reiste Nosseni auf mehrere Monate
nach Italien, unter anderem auch zu dem Zwecke, um von dort Bildhauer,
Bildgießer und Steinmetzen mitzubringen. In Florenz setzte er sich mit
Giovanni da Bologna in Verbindung, und durch dessen Vermittlung wurde
der Erzgießer Carlo de Cesare, der damals am Florentiner Hofe beschäf¬
tigt war, zeitweilig für Sachsen gewonnen. Ende Dezember 1588 kehrte
Nosseni zurück, im Herbst 1590 langte auch Carlo de Cesare mit seinen Ge¬
hilfen in Freiberg an. Dem Letzteren wurde Modellirung und Guß der vier
bronzenen Statuen von Herzog Heinrich (Tafel 9 bei Andreae), Kurfürst
August und den Gemahlinnen beider (Kurfürstin Anna auf Tafel 10), der
vier Figuren der Fides, Charttas, spes und Justitia, welche sich in den
Nischen der Altarkapelle befinden (Tafel 8) und der acht als Schtldhalter
dienenden Engel übertragen.

Als Christian I. 1591 starb und drei unmündige Prinzen hinterließ,
wurde die Fortführung des Werkes ernstlich gefährdet. Die von den fürst¬
lichen Vormündern, Kurfürst Johann Georg von Brandenburg und Herzog
Friedrich Wilhelm I. von Sachsen-Weimar, eingesetzte Commission rieth, den
Bau auf bescheidenere Grenzen einzuziehen und die Mehrzahl der Arbeiter
zu entlassen. Der letztere Vormund, welcher Administrator des kursächsischen
Landes war, entschied sich dafür, ein einfacheres Monument zu bauen, zu
dem die bereits bearbeiteten Steine verwende: werden sollten. Buchner und
Nosseni stellten ihm jedoch vor, daß bereits mehr als die Hälfte der Marmor-


etwas ganz anderes haben bieten können, als die kahle Notiz, daß Christian I.
im Jahre 1588 den Dresdner Hofbaumeister Nosseni von Lugano mit ihrer
Herstellung beauftragt habe, und die nichtssagende und obendrein schlecht sti-
lisirte Phrase: „Man muß den Architecten, Bildhauer und Decorateur be¬
wundern, welche Fülle zumeist gut «ertheilter Zier er im kleinen Raume
untergebracht."

Den Plan zur Erbauung der Begräbnißkopelle im Dom zu Freiberg
hatte bereits Kurfürst August im Jahre 1585 gefaßt, als seine Gemahlin,
die Kurfürstin Anna, gestorben war. Schon damals sandte er seinen Zeug¬
meister Paul Buchner und seinen Baumeister Nosseni nach Freiberg zur Be¬
sichtigung des Domchores, und diese fertigten denn auch Pläne und Zeich¬
nungen an. Giovanni Maria Nosseni war 1344 in Lugano im Can-
ton Tessin geboren, wurde Anfang des Jahres 1873 an den Dresdner Hof
berufen und im Sommer dieses Jahres als kurfüstlicher Baumeister, Bild¬
hauer und Maler angestellt. Nach Kurfürst August's Tode nahm dessen
Sohn und Nachfolger, Kurfürst Christian I., ein baulustiger Herr, den Plan
seines Vorgängers auf. In den sächsischen Serpentinstein-, Alabaster- und
Marmorbrüchen, um deren Erschließung sich Nosseni große Verdienste erworben,
begann ein reges Leben. Im Herbst 1588 reiste Nosseni auf mehrere Monate
nach Italien, unter anderem auch zu dem Zwecke, um von dort Bildhauer,
Bildgießer und Steinmetzen mitzubringen. In Florenz setzte er sich mit
Giovanni da Bologna in Verbindung, und durch dessen Vermittlung wurde
der Erzgießer Carlo de Cesare, der damals am Florentiner Hofe beschäf¬
tigt war, zeitweilig für Sachsen gewonnen. Ende Dezember 1588 kehrte
Nosseni zurück, im Herbst 1590 langte auch Carlo de Cesare mit seinen Ge¬
hilfen in Freiberg an. Dem Letzteren wurde Modellirung und Guß der vier
bronzenen Statuen von Herzog Heinrich (Tafel 9 bei Andreae), Kurfürst
August und den Gemahlinnen beider (Kurfürstin Anna auf Tafel 10), der
vier Figuren der Fides, Charttas, spes und Justitia, welche sich in den
Nischen der Altarkapelle befinden (Tafel 8) und der acht als Schtldhalter
dienenden Engel übertragen.

Als Christian I. 1591 starb und drei unmündige Prinzen hinterließ,
wurde die Fortführung des Werkes ernstlich gefährdet. Die von den fürst¬
lichen Vormündern, Kurfürst Johann Georg von Brandenburg und Herzog
Friedrich Wilhelm I. von Sachsen-Weimar, eingesetzte Commission rieth, den
Bau auf bescheidenere Grenzen einzuziehen und die Mehrzahl der Arbeiter
zu entlassen. Der letztere Vormund, welcher Administrator des kursächsischen
Landes war, entschied sich dafür, ein einfacheres Monument zu bauen, zu
dem die bereits bearbeiteten Steine verwende: werden sollten. Buchner und
Nosseni stellten ihm jedoch vor, daß bereits mehr als die Hälfte der Marmor-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157686/471>, abgerufen am 27.09.2024.