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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. II. Band.

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sondern daß sie ein Citat a u s Münster's "Cosmographey" ist. Aber Andreae
ist eben sehr genügsam in seinem Quellenbedürfniß. Woher der Verfasser
das genaue Datum über den Bau der alten Marienkirche hat, weiß ich
nicht; die "Goldne Pforte", die der Rest jener Kirche ist, gilt ihrer Stilformen
wegen allgemein als ein Werk aus der Mitte des dreizehnten Jahrhunderts.
Möglich, daß diese Datirung etwas zu spät ist. Heuchler setzt in seiner
Monographie über den Freiberger Dom*) den Bau desselben zwischen 1160
-- 1180, aber auch dies beruht offenbar nur auf willkürlicher Annahme.
Zwar giebt Moller in seiner Chronik von Freiberg die Jahre 1162--1175
als die Gründungsjahre der Stadt an; sie können aber doch nicht ohne
weiteres für die Erbauungsjahre der Kirche genommen werden. Der Bau
des jetzigen Domes ist nicht erst 1520, sondern schon gegen 1512 beendigt
gewesen; den Anfang des Baues weiß wieder niemand weiter als Andreae
so genau anzugeben. Der Anbau der Begräbnißkapelle endlich hat nicht
1588 stattgefunden, sondern die Zeit von 1388--1594 in Anspruch ge-
nommen.

Die nun folgenden Bemerkungen über die "Goldene Pforte" mögen im
Ganzen hingehen. Sie bilden verhältnißmäßig die eingehendste Partie des
ganzen Textes, wiewohl sie noch immer dürftig genug sind, wenn man sie
selbst mit dem vergleicht, was Lübke in seiner "Geschichte der Plastik" (2.
Aufl. S. 418 f.) darüber giebt. Um die Erklärung des Figurenschmuckes
der Pforte, namentlich der acht zwischen den Säulen stehenden Figuren, ist
es aber nicht so schlimm bestellt, wie Andreae uns glauben machen möchte.
Wenn auch viele Partieen des oben erwähnten Heuchler'schen Buches in Folge
neuerer archivalischer Forschungen veraltet sind, so darf doch das, was er
über die "Goldne Pforte" giebt, in der Hauptsache als feststehend betrachtet
werden. Darnach haben wir zur Linken von außen nach innen folgende
vier Figuren: den Propheten Daniel, die Königin von Saba, den König
Salomo und Johannes den Täufer, zur Rechten von außen nach innen den
Hohenpriester Aaron, Ecclesia (die Braut aus dem Hohenltede), König David und
den Propheten Raum. Eine richtige Bemerkung macht der Herausgeber über
den ornamentalen Theil der Pforte, wenn er darauf hinweist, daß die Archi-
volten, welche als Fortsetzung der Säulen aufzufassen sind, in ihrer Orna-
mentation zu schwer und unruhig erscheinen. Während an den Portalwänden
die schönste und klarste Gliederung herrscht und die Figuren zwischen den
discret ornamentirter Säulen bedeutungsvoll hervortreten, werden die Figuren
an den Bogen zwischen den plump ornamentirter Rundstäben fast erdrückt.



") Der Dom zu Freiberg, in geschichtlicher und kunsthistorischer Beziehung beschrieben
von E. Heuchler. Freiberg. 1862.

sondern daß sie ein Citat a u s Münster's „Cosmographey" ist. Aber Andreae
ist eben sehr genügsam in seinem Quellenbedürfniß. Woher der Verfasser
das genaue Datum über den Bau der alten Marienkirche hat, weiß ich
nicht; die „Goldne Pforte", die der Rest jener Kirche ist, gilt ihrer Stilformen
wegen allgemein als ein Werk aus der Mitte des dreizehnten Jahrhunderts.
Möglich, daß diese Datirung etwas zu spät ist. Heuchler setzt in seiner
Monographie über den Freiberger Dom*) den Bau desselben zwischen 1160
— 1180, aber auch dies beruht offenbar nur auf willkürlicher Annahme.
Zwar giebt Moller in seiner Chronik von Freiberg die Jahre 1162—1175
als die Gründungsjahre der Stadt an; sie können aber doch nicht ohne
weiteres für die Erbauungsjahre der Kirche genommen werden. Der Bau
des jetzigen Domes ist nicht erst 1520, sondern schon gegen 1512 beendigt
gewesen; den Anfang des Baues weiß wieder niemand weiter als Andreae
so genau anzugeben. Der Anbau der Begräbnißkapelle endlich hat nicht
1588 stattgefunden, sondern die Zeit von 1388—1594 in Anspruch ge-
nommen.

Die nun folgenden Bemerkungen über die „Goldene Pforte" mögen im
Ganzen hingehen. Sie bilden verhältnißmäßig die eingehendste Partie des
ganzen Textes, wiewohl sie noch immer dürftig genug sind, wenn man sie
selbst mit dem vergleicht, was Lübke in seiner „Geschichte der Plastik" (2.
Aufl. S. 418 f.) darüber giebt. Um die Erklärung des Figurenschmuckes
der Pforte, namentlich der acht zwischen den Säulen stehenden Figuren, ist
es aber nicht so schlimm bestellt, wie Andreae uns glauben machen möchte.
Wenn auch viele Partieen des oben erwähnten Heuchler'schen Buches in Folge
neuerer archivalischer Forschungen veraltet sind, so darf doch das, was er
über die „Goldne Pforte" giebt, in der Hauptsache als feststehend betrachtet
werden. Darnach haben wir zur Linken von außen nach innen folgende
vier Figuren: den Propheten Daniel, die Königin von Saba, den König
Salomo und Johannes den Täufer, zur Rechten von außen nach innen den
Hohenpriester Aaron, Ecclesia (die Braut aus dem Hohenltede), König David und
den Propheten Raum. Eine richtige Bemerkung macht der Herausgeber über
den ornamentalen Theil der Pforte, wenn er darauf hinweist, daß die Archi-
volten, welche als Fortsetzung der Säulen aufzufassen sind, in ihrer Orna-
mentation zu schwer und unruhig erscheinen. Während an den Portalwänden
die schönste und klarste Gliederung herrscht und die Figuren zwischen den
discret ornamentirter Säulen bedeutungsvoll hervortreten, werden die Figuren
an den Bogen zwischen den plump ornamentirter Rundstäben fast erdrückt.



") Der Dom zu Freiberg, in geschichtlicher und kunsthistorischer Beziehung beschrieben
von E. Heuchler. Freiberg. 1862.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157686/467>, abgerufen am 20.10.2024.