Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

in der That, in genügender Menge in den Magen gebracht, beinahe augen¬
blicklich tödtet. Ein Hund stirbt von einem Tropfen schon. Feine Tabaks¬
sorten enthalten nur 2 bis 4, grobe und schwere dagegen, wie die franzö¬
sischen, holländischen und deutschen, 7 bis 8 Procent Nicotin. Schlöfing fand
in trocknen entrippten Blättern aus dem französischen Departement Lot 7..,"
in solchen aus Mrginien 6."?. in solchen aus Kentucky 6.0-,. in solchen aus
dem Elsaß 3,2,. in solchen aus Maryland nur 2,-zg und in solchen aus Ha¬
vanna weniger als 2 Procent. Auch der türkische Tabak enthält wenig Ni¬
cotin. Nach Lincke wird der Nicotingehalt des Tabaks durch das Schwitzen
stark vermindert. Kohlende Tabake haben mehr Nicotin in sich als gut
brennende. Das Kohlen verschwindet aber durch fortgesetztes Schwitzenlassen,
und in gleichem Maße nimmt der Nicotingehalt ab. Was davon übrig bleibt,
verbrennt zum größten Theile beim Rauchen, und der Rest, schwerlich
noch viel kräftiger als die Atome von Pflanzengift in gewissen zahmen homö¬
opathischen Pülverchen, verwandelt sich (bei Pfeifen mit Abguß) in ein brenz-
liches Oel. Letzteres wird von civilisirten Menschen weggegossen, von den
Grönländern aber, wenn französische Reisende die Wahrheit erzählt haben,
wohlschmeckend gefunden und getrunken. Daß es ihnen Beschwerden verur¬
sacht habe, wird nicht gemeldet, es kann also nach dem Proceß, den es beim
Rauchen durchmacht, nicht sehr schädlich sein.

Weniger harmlos möchte das im Kautabak lauernde Nicotin sein, indeß
Wer Matrosen kennt, wird auch daran nicht recht glauben wollen. Am ge¬
fährlichsten sollte der Schnupftabak sein, von dem manche Sorten 2 Procent
enthalten; da er indeß auch nicht gegessen zu werden pflegt, so dürfen wir
uns nicht wundern, wenn es trotzdem pasfionirte Schnupfer gegeben hat. die
bchizig Jahre und älter wurden und niemals krank waren. Wäre es den¬
noch, wie allerdings wahrscheinlich ist, das Nicotin, wenn "der Bub', zum
Rauchen noch nicht reif", sich mit "seines Baders Tabakspfeif'" an der Stadt¬
mauer zu erfreuen ging und seine Freude durch gewisse krankheitsartige Er¬
scheinungen beeinträchtigt und auf einige Zeit verdrängt sah, nun, so geht
das wie mit andern Dingen, die Anfangs nicht recht bekommen, an die man
sich aber allmählig gewöhnt, und in denen man zuletzt eine gute Gabe Gottes
verehrt, welche man um Alles in der Welt Nichtwissen möchte. Aller Anfang
's5 schwer, und oft moäus in rebus.

Mit der letzteren Maxime ist auch das Meiste von dem auf sein rechtes
Maß zurückgeführt, was Riant von den Folgen fortgesetzten Tabaksgenusses
sagt. Ex x^n nur von maßlosem Rauchen. Schnupfen oder Kauen reden,
und nur von solcher Maßlosigkeit bei Leuten, die ihre Schwächen dem Tabak
gegenüber nicht berücksichtigen, wenn er fortfährt:


in der That, in genügender Menge in den Magen gebracht, beinahe augen¬
blicklich tödtet. Ein Hund stirbt von einem Tropfen schon. Feine Tabaks¬
sorten enthalten nur 2 bis 4, grobe und schwere dagegen, wie die franzö¬
sischen, holländischen und deutschen, 7 bis 8 Procent Nicotin. Schlöfing fand
in trocknen entrippten Blättern aus dem französischen Departement Lot 7..,«
in solchen aus Mrginien 6.«?. in solchen aus Kentucky 6.0-,. in solchen aus
dem Elsaß 3,2,. in solchen aus Maryland nur 2,-zg und in solchen aus Ha¬
vanna weniger als 2 Procent. Auch der türkische Tabak enthält wenig Ni¬
cotin. Nach Lincke wird der Nicotingehalt des Tabaks durch das Schwitzen
stark vermindert. Kohlende Tabake haben mehr Nicotin in sich als gut
brennende. Das Kohlen verschwindet aber durch fortgesetztes Schwitzenlassen,
und in gleichem Maße nimmt der Nicotingehalt ab. Was davon übrig bleibt,
verbrennt zum größten Theile beim Rauchen, und der Rest, schwerlich
noch viel kräftiger als die Atome von Pflanzengift in gewissen zahmen homö¬
opathischen Pülverchen, verwandelt sich (bei Pfeifen mit Abguß) in ein brenz-
liches Oel. Letzteres wird von civilisirten Menschen weggegossen, von den
Grönländern aber, wenn französische Reisende die Wahrheit erzählt haben,
wohlschmeckend gefunden und getrunken. Daß es ihnen Beschwerden verur¬
sacht habe, wird nicht gemeldet, es kann also nach dem Proceß, den es beim
Rauchen durchmacht, nicht sehr schädlich sein.

Weniger harmlos möchte das im Kautabak lauernde Nicotin sein, indeß
Wer Matrosen kennt, wird auch daran nicht recht glauben wollen. Am ge¬
fährlichsten sollte der Schnupftabak sein, von dem manche Sorten 2 Procent
enthalten; da er indeß auch nicht gegessen zu werden pflegt, so dürfen wir
uns nicht wundern, wenn es trotzdem pasfionirte Schnupfer gegeben hat. die
bchizig Jahre und älter wurden und niemals krank waren. Wäre es den¬
noch, wie allerdings wahrscheinlich ist, das Nicotin, wenn „der Bub', zum
Rauchen noch nicht reif", sich mit „seines Baders Tabakspfeif'" an der Stadt¬
mauer zu erfreuen ging und seine Freude durch gewisse krankheitsartige Er¬
scheinungen beeinträchtigt und auf einige Zeit verdrängt sah, nun, so geht
das wie mit andern Dingen, die Anfangs nicht recht bekommen, an die man
sich aber allmählig gewöhnt, und in denen man zuletzt eine gute Gabe Gottes
verehrt, welche man um Alles in der Welt Nichtwissen möchte. Aller Anfang
's5 schwer, und oft moäus in rebus.

Mit der letzteren Maxime ist auch das Meiste von dem auf sein rechtes
Maß zurückgeführt, was Riant von den Folgen fortgesetzten Tabaksgenusses
sagt. Ex x^n nur von maßlosem Rauchen. Schnupfen oder Kauen reden,
und nur von solcher Maßlosigkeit bei Leuten, die ihre Schwächen dem Tabak
gegenüber nicht berücksichtigen, wenn er fortfährt:


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0407" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/137046"/>
          <p xml:id="ID_1281" prev="#ID_1280"> in der That, in genügender Menge in den Magen gebracht, beinahe augen¬<lb/>
blicklich tödtet. Ein Hund stirbt von einem Tropfen schon. Feine Tabaks¬<lb/>
sorten enthalten nur 2 bis 4, grobe und schwere dagegen, wie die franzö¬<lb/>
sischen, holländischen und deutschen, 7 bis 8 Procent Nicotin. Schlöfing fand<lb/>
in trocknen entrippten Blättern aus dem französischen Departement Lot 7..,«<lb/>
in solchen aus Mrginien 6.«?. in solchen aus Kentucky 6.0-,. in solchen aus<lb/>
dem Elsaß 3,2,. in solchen aus Maryland nur 2,-zg und in solchen aus Ha¬<lb/>
vanna weniger als 2 Procent. Auch der türkische Tabak enthält wenig Ni¬<lb/>
cotin. Nach Lincke wird der Nicotingehalt des Tabaks durch das Schwitzen<lb/>
stark vermindert. Kohlende Tabake haben mehr Nicotin in sich als gut<lb/>
brennende. Das Kohlen verschwindet aber durch fortgesetztes Schwitzenlassen,<lb/>
und in gleichem Maße nimmt der Nicotingehalt ab. Was davon übrig bleibt,<lb/>
verbrennt zum größten Theile beim Rauchen, und der Rest, schwerlich<lb/>
noch viel kräftiger als die Atome von Pflanzengift in gewissen zahmen homö¬<lb/>
opathischen Pülverchen, verwandelt sich (bei Pfeifen mit Abguß) in ein brenz-<lb/>
liches Oel. Letzteres wird von civilisirten Menschen weggegossen, von den<lb/>
Grönländern aber, wenn französische Reisende die Wahrheit erzählt haben,<lb/>
wohlschmeckend gefunden und getrunken. Daß es ihnen Beschwerden verur¬<lb/>
sacht habe, wird nicht gemeldet, es kann also nach dem Proceß, den es beim<lb/>
Rauchen durchmacht, nicht sehr schädlich sein.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1282"> Weniger harmlos möchte das im Kautabak lauernde Nicotin sein, indeß<lb/>
Wer Matrosen kennt, wird auch daran nicht recht glauben wollen. Am ge¬<lb/>
fährlichsten sollte der Schnupftabak sein, von dem manche Sorten 2 Procent<lb/>
enthalten; da er indeß auch nicht gegessen zu werden pflegt, so dürfen wir<lb/>
uns nicht wundern, wenn es trotzdem pasfionirte Schnupfer gegeben hat. die<lb/>
bchizig Jahre und älter wurden und niemals krank waren. Wäre es den¬<lb/>
noch, wie allerdings wahrscheinlich ist, das Nicotin, wenn &#x201E;der Bub', zum<lb/>
Rauchen noch nicht reif", sich mit &#x201E;seines Baders Tabakspfeif'" an der Stadt¬<lb/>
mauer zu erfreuen ging und seine Freude durch gewisse krankheitsartige Er¬<lb/>
scheinungen beeinträchtigt und auf einige Zeit verdrängt sah, nun, so geht<lb/>
das wie mit andern Dingen, die Anfangs nicht recht bekommen, an die man<lb/>
sich aber allmählig gewöhnt, und in denen man zuletzt eine gute Gabe Gottes<lb/>
verehrt, welche man um Alles in der Welt Nichtwissen möchte. Aller Anfang<lb/>
's5 schwer, und oft moäus in rebus.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1283"> Mit der letzteren Maxime ist auch das Meiste von dem auf sein rechtes<lb/>
Maß zurückgeführt, was Riant von den Folgen fortgesetzten Tabaksgenusses<lb/>
sagt. Ex x^n nur von maßlosem Rauchen. Schnupfen oder Kauen reden,<lb/>
und nur von solcher Maßlosigkeit bei Leuten, die ihre Schwächen dem Tabak<lb/>
gegenüber nicht berücksichtigen, wenn er fortfährt:</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0407] in der That, in genügender Menge in den Magen gebracht, beinahe augen¬ blicklich tödtet. Ein Hund stirbt von einem Tropfen schon. Feine Tabaks¬ sorten enthalten nur 2 bis 4, grobe und schwere dagegen, wie die franzö¬ sischen, holländischen und deutschen, 7 bis 8 Procent Nicotin. Schlöfing fand in trocknen entrippten Blättern aus dem französischen Departement Lot 7..,« in solchen aus Mrginien 6.«?. in solchen aus Kentucky 6.0-,. in solchen aus dem Elsaß 3,2,. in solchen aus Maryland nur 2,-zg und in solchen aus Ha¬ vanna weniger als 2 Procent. Auch der türkische Tabak enthält wenig Ni¬ cotin. Nach Lincke wird der Nicotingehalt des Tabaks durch das Schwitzen stark vermindert. Kohlende Tabake haben mehr Nicotin in sich als gut brennende. Das Kohlen verschwindet aber durch fortgesetztes Schwitzenlassen, und in gleichem Maße nimmt der Nicotingehalt ab. Was davon übrig bleibt, verbrennt zum größten Theile beim Rauchen, und der Rest, schwerlich noch viel kräftiger als die Atome von Pflanzengift in gewissen zahmen homö¬ opathischen Pülverchen, verwandelt sich (bei Pfeifen mit Abguß) in ein brenz- liches Oel. Letzteres wird von civilisirten Menschen weggegossen, von den Grönländern aber, wenn französische Reisende die Wahrheit erzählt haben, wohlschmeckend gefunden und getrunken. Daß es ihnen Beschwerden verur¬ sacht habe, wird nicht gemeldet, es kann also nach dem Proceß, den es beim Rauchen durchmacht, nicht sehr schädlich sein. Weniger harmlos möchte das im Kautabak lauernde Nicotin sein, indeß Wer Matrosen kennt, wird auch daran nicht recht glauben wollen. Am ge¬ fährlichsten sollte der Schnupftabak sein, von dem manche Sorten 2 Procent enthalten; da er indeß auch nicht gegessen zu werden pflegt, so dürfen wir uns nicht wundern, wenn es trotzdem pasfionirte Schnupfer gegeben hat. die bchizig Jahre und älter wurden und niemals krank waren. Wäre es den¬ noch, wie allerdings wahrscheinlich ist, das Nicotin, wenn „der Bub', zum Rauchen noch nicht reif", sich mit „seines Baders Tabakspfeif'" an der Stadt¬ mauer zu erfreuen ging und seine Freude durch gewisse krankheitsartige Er¬ scheinungen beeinträchtigt und auf einige Zeit verdrängt sah, nun, so geht das wie mit andern Dingen, die Anfangs nicht recht bekommen, an die man sich aber allmählig gewöhnt, und in denen man zuletzt eine gute Gabe Gottes verehrt, welche man um Alles in der Welt Nichtwissen möchte. Aller Anfang 's5 schwer, und oft moäus in rebus. Mit der letzteren Maxime ist auch das Meiste von dem auf sein rechtes Maß zurückgeführt, was Riant von den Folgen fortgesetzten Tabaksgenusses sagt. Ex x^n nur von maßlosem Rauchen. Schnupfen oder Kauen reden, und nur von solcher Maßlosigkeit bei Leuten, die ihre Schwächen dem Tabak gegenüber nicht berücksichtigen, wenn er fortfährt:

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157686
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157686/407
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157686/407>, abgerufen am 20.10.2024.