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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. II. Band.

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das ist auch mein Glaube. Die Umfuhr nämlich, eine Straße neben der
die Leinestadt durchschneidenden Eisenbahn, ist entweder inzwischen schon ver¬
schwunden oder wird demnächst der Erde gleich gemacht werden, und wie kann
da die Welfenwurst auf ihr Platz finden?

Soeben finde ich noch, daß auch Westphalen und die Schweiz Prophe¬
zeiungen wie die des hannoverschen Wickenthies und Visionen wie die von
Neocorus erzählte und die der mittelschleswigschen Landleute aufzuweisen
haben, daß serner diese Visionen in einem Falle bestimmt, wahrscheinlich aber
nicht blos in diesem einen, mit der Fata Morgana der nordischen Ebene noch
näher verwandt waren, als ich zu Anfang dieses Artikels meinte, und daß
endlich jene Weissagungen und diese Gesichte mehr oder minder deutliche An¬
klänge an den Glauben an eine bevorstehende große Schlacht enthalten, die
dem ewigen Frieden vorangehen werde, und die in Baiern auf das Walser¬
feld, in Thüringen auf die Ebene bei Pfiffelbach zwischen Erfurt und Weimar
und in Westphalen gewöhnlich auf eine Halde vor dem Dorfe Bremen in
der Nähe von Werk verlegt wird.

Durch ganz Westphalen ist die Sage von einer Schlacht verbreitet, die
einst auf rother Erde stattfinden soll. Kühn berichtet darüber sowie über
die daraus bezüglichen Gesichte u. A. etwa Folgendes:

Bei Thudorf unweit Paderborn hat man einige Jahre vor 1839 ge¬
sehen , daß sich der Himmel geöffnet und eine Straße aus demselben zur
Erde geführt hat, an deren linker Seite sich ein Wirthshaus befand. Auf
dieser Seite sah man lange Züge von Soldaten, zuerst in blauen, dann in
rothen Uniformen hinreiten, die, als sie auf der Erde ankamen, ihre Pferde
an einer Stelle anbauten, an welcher früher Eichen (der dürre Birnbaum des
Walserseldes) gestanden haben.

Der "blinde Junge von Eisen". ein prophetischer Schäfer, hat verkündet,
die große Schlacht werde auf dem Bockskamp bei Paderborn geschlagen wer¬
den, man werde dabei bis an die Enten (Knöchel) im Blute waten, und
wenn sie vorüber sei, werde wieder einer mit sechs Füchsen nach Schloß
Neuhaus fahren, d. h. Paderborn wieder seinen eignen Herrn bekommen.

Wieder andere Volkspropheten Westphalens haben (vor 1869, seit 1866
und 1871 gewiß nicht mehr) Truppenzüge und Kämpfe auf dem Schaf¬
berge bei Jbbenbühren beobachtet. Die Meisten erzählten aber, daß die
Schlacht dereinst am Lausebrink beim Birkenbaum in der Nähe von Werk
stattfinden werde. Der Birkenbaum ist eine Haidenfläche beim Dorfe Bremen,
die ohne Zweifel ihren Namen von einem Baume hat, der ebenfalls mit
dem auf dem Walserfelde verwandt ist. An dem neuen Heat (Feldthor) eines
dort liegenden Gehöfts sollten die Reiter ihre Pferde anbinden. Der König,
der hier siegen würde, sollte nach den Einen der König von Preußen, nach


das ist auch mein Glaube. Die Umfuhr nämlich, eine Straße neben der
die Leinestadt durchschneidenden Eisenbahn, ist entweder inzwischen schon ver¬
schwunden oder wird demnächst der Erde gleich gemacht werden, und wie kann
da die Welfenwurst auf ihr Platz finden?

Soeben finde ich noch, daß auch Westphalen und die Schweiz Prophe¬
zeiungen wie die des hannoverschen Wickenthies und Visionen wie die von
Neocorus erzählte und die der mittelschleswigschen Landleute aufzuweisen
haben, daß serner diese Visionen in einem Falle bestimmt, wahrscheinlich aber
nicht blos in diesem einen, mit der Fata Morgana der nordischen Ebene noch
näher verwandt waren, als ich zu Anfang dieses Artikels meinte, und daß
endlich jene Weissagungen und diese Gesichte mehr oder minder deutliche An¬
klänge an den Glauben an eine bevorstehende große Schlacht enthalten, die
dem ewigen Frieden vorangehen werde, und die in Baiern auf das Walser¬
feld, in Thüringen auf die Ebene bei Pfiffelbach zwischen Erfurt und Weimar
und in Westphalen gewöhnlich auf eine Halde vor dem Dorfe Bremen in
der Nähe von Werk verlegt wird.

Durch ganz Westphalen ist die Sage von einer Schlacht verbreitet, die
einst auf rother Erde stattfinden soll. Kühn berichtet darüber sowie über
die daraus bezüglichen Gesichte u. A. etwa Folgendes:

Bei Thudorf unweit Paderborn hat man einige Jahre vor 1839 ge¬
sehen , daß sich der Himmel geöffnet und eine Straße aus demselben zur
Erde geführt hat, an deren linker Seite sich ein Wirthshaus befand. Auf
dieser Seite sah man lange Züge von Soldaten, zuerst in blauen, dann in
rothen Uniformen hinreiten, die, als sie auf der Erde ankamen, ihre Pferde
an einer Stelle anbauten, an welcher früher Eichen (der dürre Birnbaum des
Walserseldes) gestanden haben.

Der „blinde Junge von Eisen". ein prophetischer Schäfer, hat verkündet,
die große Schlacht werde auf dem Bockskamp bei Paderborn geschlagen wer¬
den, man werde dabei bis an die Enten (Knöchel) im Blute waten, und
wenn sie vorüber sei, werde wieder einer mit sechs Füchsen nach Schloß
Neuhaus fahren, d. h. Paderborn wieder seinen eignen Herrn bekommen.

Wieder andere Volkspropheten Westphalens haben (vor 1869, seit 1866
und 1871 gewiß nicht mehr) Truppenzüge und Kämpfe auf dem Schaf¬
berge bei Jbbenbühren beobachtet. Die Meisten erzählten aber, daß die
Schlacht dereinst am Lausebrink beim Birkenbaum in der Nähe von Werk
stattfinden werde. Der Birkenbaum ist eine Haidenfläche beim Dorfe Bremen,
die ohne Zweifel ihren Namen von einem Baume hat, der ebenfalls mit
dem auf dem Walserfelde verwandt ist. An dem neuen Heat (Feldthor) eines
dort liegenden Gehöfts sollten die Reiter ihre Pferde anbinden. Der König,
der hier siegen würde, sollte nach den Einen der König von Preußen, nach


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157686/380>, abgerufen am 27.09.2024.