Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. II. Band.wieder, so war er bleich und matt, schlief wie todt und arbeitete darnach still Ein Hufner in einem Dorfe bei Düppel, welches nur sieben Bohlstellen Neben diesen und einer Anzahl ähnlicher alter Geschichten giebt es aber Grenzvot"n IV. l87ö. 47
wieder, so war er bleich und matt, schlief wie todt und arbeitete darnach still Ein Hufner in einem Dorfe bei Düppel, welches nur sieben Bohlstellen Neben diesen und einer Anzahl ähnlicher alter Geschichten giebt es aber Grenzvot«n IV. l87ö. 47
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wieder, so war er bleich und matt, schlief wie todt und arbeitete darnach still
und in sich gekehrt, bis es ihn wieder rief. Wohin er ging und was er sah,
theilte er niemand mit. Die Leute aber sagten, sobald jemand in der Um¬
gegend nur noch einen Monat zu leben habe, zwinge es den Burschen, an sein
Fenster zu gehen und hinein zu blicken. Dann sehe er ihn, der in Wirklichkeit
Noch gesund sei, im Todtenhemde im Sarge liegen, und müsse mit dem Stocke
dreimal an das Fenster klopfen. Vergebens suchte der Bursch sich des Stockes
on entledigen, er warf ihn in einen Bach, zerhackte, verbrannte ihn, aber
immer war er wieder da, bis einmal an einem Weihnachtsabend ein Mann
^schien, der den Stock abholte.
Ein Hufner in einem Dorfe bei Düppel, welches nur sieben Bohlstellen
(größere Güter) hatte, ging einst spät von einem Aerrel (Leichenschmäuse)
^im. Da kam ihm vor, als sähe er aus dem Kirchhofe vor ihm drei weiße
Betttücher aufflattern. Als sie an ihm vorüberschwebten, hörte er sie sagen:
»Eins, zwei, drei!", und etwas angetrunken, beging er den Frevel, bis fünf
Weiterzuzählen. Gleich nachher aber befiel ihn eine Angst, wie wenn er damit
Unglück angerichtet hätte. Und man sah bald, daß dem wirklich so war.
-LN demselben Jahre starben von den sieben Hühnern des Ortes erst drei und
^rze Zeit darauf noch zwei. Der Tod der ersten drei war durch die fliegen-
^n Tücher angedeutet worden, den der beiden letzten hatte der, welcher das
Befiehl erblickt, durch sein unbesonnenes Weiterzählen veranlaßt. So meinten
-wenigstens die Leute, als man ihm, der selbst der fünfte Todte war, sein
Aerrel hielt.
Neben diesen und einer Anzahl ähnlicher alter Geschichten giebt es aber
^ Schleswig-Holstein eine große Menge verwandter, die sich in der neuesten
^eit begeben haben sollen. Ein Pastor im östlichen Schleswig erzählte mir,
ein Knecht seines Vaters ein Visionär gewesen. Der Vater, ein wohl-
^derber Landmann, hatte sich zum Vergnügen neben seinen bäuerlichen
Seiten mit Tischlerei beschäftigt und unter Anderm auch Särge angefertigt.
^ er sie billiger geliefert, als eigentliche Meister, so waren häufig Be-
^klungen eingelaufen. Der Knecht aber hatte diese stets vorhergesagt, und
"rüber befragt, hatte er nach einigem Zögern geantwortet, je nun. er sähe
^"n jedesmal den „Wirth" (so wird der Hausherr hier gewöhnlich vom
^esinde bezeichnet) des Nachts nach dem Balken gehen, wo er Hobel und
> 6ge verwahrte, und dieses Handwerkszeug herunterholen. Eine Frau
' Amte Tondern hatte in den ersten fünfziger Jahren ein Gesicht, in
^ ^em sie den neueingesetzten dänischen Pastor hastig aus seinem Hause
°willen und auf einem Leiterwagen wegfahren sah. Sie wunderte sich da-
nk>I^ ""^ "zählte es weiter. Der Geistliche wußte von nichts, merkte aber
^ einigem Besinnen den Wunsch, welcher der Vision das Leben gegeben,
Grenzvot«n IV. l87ö. 47
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