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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. II. Band.

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Werken, darunter "das Glöckchen der Heiligen Hedwig." Man brachte zu¬
nächst vorzugsweise nur harmlose religiöse Stoffe zur Aufführung, um die
Staatsbehörden erst sicher zu machen. Die gehässigen, aufwiegelnden würden
wohl alsbald gefolgt sein, wenn die Bezirksregierung nicht, gestützt auf
einen ez. der Gewerbe-Ordnung, dem spät durch ein Verbot ein Ende ge¬
wacht hätte.

Noch ist zu erwähnen, daß besonders durch Dr. v, Chlapowski. der bis
Johannis d. I. die Stellung einer Art von Hauptagenten der polnischen
Propaganda für Oberschlesien einnahm, eine beträchtliche Anzahl von polnischen
Handwerkern, auch einige Aerzte, Apotheker u, s. w- von bewährten National-
e'fer aus Posen, z. Th, auch aus Galizien nach Oberschlesien gezogen worden
sind, gewissermaßen um die Rasse zu veredeln. Diese vereinzelten Eiferer ver-
mögen aber höchstens in den Kolkos vor einer Handvoll schon anderweitig
hinreichend bearbeiteter Zuhörer den Ton anzugeben, für die Masse der
Bürgerschaften bleiben sie ganz ohne Einfluß; wohl aber hat schon mancher
von ihnen für das Ueberwallen seiner nationalen Gefühle vor ven Richter
treten und sich einsperren lassen müssen. Von der Bestrafung des Dr. Brod-
ziak (eigentlich Brodsack) in Königshütte haben wir bereits Erwähnung ge¬
than. Ein Uhrmacher, wie dieser ein Posener. wurde gleichfalls wegen
Majestätsbeleidigung zu einem Jahr Gefängniß verurtheilt. Es kam dabei
Sur Sprache, daß er im Bierhause auch von "deutschen Hunden", die aus
dem Lande zu treiben seien und vor denen der Pole, wenn er ihnen begegne,
ausspucken müsse, gegeifert hatte. Solche Sprache darf der polnische "Patriot"
Wohl eher in einer Winkelkneipe Posens, aber nicht in dem immer noch vor¬
liegend gut preußischen Oberschlesien wagen.

Ja. Oberschlesien ist noch gut preußisch, in seinen gebildeten Ständen
auch gut deutsch gesinnt. Alle Mühen und Künste der Aufwiegler haben
Während 6 bis 8 Jahren auch bei der Masse des polnischsprechenden Volkes
"ur einen unerheblichen Erfolg gehabt, die Zahl der für die polnische Idee
^ Oberschlesien ernstlich Gewonnenen wird vielleicht nicht über Hundert hin¬
ausgehen. Aufgewiegelt sind die Massen, wer sollte das bestreiten? Aber
nicht für ein Phantasie - Polenreich, sondern einzig religiös. Alles, was die
Wühler über die Bedrängniß und Bedrohung der katholischen Religion dem
einfältigen Volke vorschwindeln, das dringt zu seinem Herzen, das regt es
"uf- In der Beziehung leisten die Nationalitätswähler nur die Nebenarbeit;
^ Hauptarbeit ist schon vor ihnen und dann mit ihnen Hand in Hand von
ultramontanen Priestern besorgt worden. Der Erfolg entspricht denn
auch diesen Bestrebungen: Die Landtags- und Reichstagswahlen fallen in
sast ganz Oberschlesien auf Ultramontane, nicht aber auf Vertreter der
Drüschen Bestrebungen. Ein weiterer Erfolg besteht in der noch vermehrten


Werken, darunter „das Glöckchen der Heiligen Hedwig." Man brachte zu¬
nächst vorzugsweise nur harmlose religiöse Stoffe zur Aufführung, um die
Staatsbehörden erst sicher zu machen. Die gehässigen, aufwiegelnden würden
wohl alsbald gefolgt sein, wenn die Bezirksregierung nicht, gestützt auf
einen ez. der Gewerbe-Ordnung, dem spät durch ein Verbot ein Ende ge¬
wacht hätte.

Noch ist zu erwähnen, daß besonders durch Dr. v, Chlapowski. der bis
Johannis d. I. die Stellung einer Art von Hauptagenten der polnischen
Propaganda für Oberschlesien einnahm, eine beträchtliche Anzahl von polnischen
Handwerkern, auch einige Aerzte, Apotheker u, s. w- von bewährten National-
e'fer aus Posen, z. Th, auch aus Galizien nach Oberschlesien gezogen worden
sind, gewissermaßen um die Rasse zu veredeln. Diese vereinzelten Eiferer ver-
mögen aber höchstens in den Kolkos vor einer Handvoll schon anderweitig
hinreichend bearbeiteter Zuhörer den Ton anzugeben, für die Masse der
Bürgerschaften bleiben sie ganz ohne Einfluß; wohl aber hat schon mancher
von ihnen für das Ueberwallen seiner nationalen Gefühle vor ven Richter
treten und sich einsperren lassen müssen. Von der Bestrafung des Dr. Brod-
ziak (eigentlich Brodsack) in Königshütte haben wir bereits Erwähnung ge¬
than. Ein Uhrmacher, wie dieser ein Posener. wurde gleichfalls wegen
Majestätsbeleidigung zu einem Jahr Gefängniß verurtheilt. Es kam dabei
Sur Sprache, daß er im Bierhause auch von „deutschen Hunden", die aus
dem Lande zu treiben seien und vor denen der Pole, wenn er ihnen begegne,
ausspucken müsse, gegeifert hatte. Solche Sprache darf der polnische „Patriot"
Wohl eher in einer Winkelkneipe Posens, aber nicht in dem immer noch vor¬
liegend gut preußischen Oberschlesien wagen.

Ja. Oberschlesien ist noch gut preußisch, in seinen gebildeten Ständen
auch gut deutsch gesinnt. Alle Mühen und Künste der Aufwiegler haben
Während 6 bis 8 Jahren auch bei der Masse des polnischsprechenden Volkes
"ur einen unerheblichen Erfolg gehabt, die Zahl der für die polnische Idee
^ Oberschlesien ernstlich Gewonnenen wird vielleicht nicht über Hundert hin¬
ausgehen. Aufgewiegelt sind die Massen, wer sollte das bestreiten? Aber
nicht für ein Phantasie - Polenreich, sondern einzig religiös. Alles, was die
Wühler über die Bedrängniß und Bedrohung der katholischen Religion dem
einfältigen Volke vorschwindeln, das dringt zu seinem Herzen, das regt es
"uf- In der Beziehung leisten die Nationalitätswähler nur die Nebenarbeit;
^ Hauptarbeit ist schon vor ihnen und dann mit ihnen Hand in Hand von
ultramontanen Priestern besorgt worden. Der Erfolg entspricht denn
auch diesen Bestrebungen: Die Landtags- und Reichstagswahlen fallen in
sast ganz Oberschlesien auf Ultramontane, nicht aber auf Vertreter der
Drüschen Bestrebungen. Ein weiterer Erfolg besteht in der noch vermehrten


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[0347] Werken, darunter „das Glöckchen der Heiligen Hedwig." Man brachte zu¬ nächst vorzugsweise nur harmlose religiöse Stoffe zur Aufführung, um die Staatsbehörden erst sicher zu machen. Die gehässigen, aufwiegelnden würden wohl alsbald gefolgt sein, wenn die Bezirksregierung nicht, gestützt auf einen ez. der Gewerbe-Ordnung, dem spät durch ein Verbot ein Ende ge¬ wacht hätte. Noch ist zu erwähnen, daß besonders durch Dr. v, Chlapowski. der bis Johannis d. I. die Stellung einer Art von Hauptagenten der polnischen Propaganda für Oberschlesien einnahm, eine beträchtliche Anzahl von polnischen Handwerkern, auch einige Aerzte, Apotheker u, s. w- von bewährten National- e'fer aus Posen, z. Th, auch aus Galizien nach Oberschlesien gezogen worden sind, gewissermaßen um die Rasse zu veredeln. Diese vereinzelten Eiferer ver- mögen aber höchstens in den Kolkos vor einer Handvoll schon anderweitig hinreichend bearbeiteter Zuhörer den Ton anzugeben, für die Masse der Bürgerschaften bleiben sie ganz ohne Einfluß; wohl aber hat schon mancher von ihnen für das Ueberwallen seiner nationalen Gefühle vor ven Richter treten und sich einsperren lassen müssen. Von der Bestrafung des Dr. Brod- ziak (eigentlich Brodsack) in Königshütte haben wir bereits Erwähnung ge¬ than. Ein Uhrmacher, wie dieser ein Posener. wurde gleichfalls wegen Majestätsbeleidigung zu einem Jahr Gefängniß verurtheilt. Es kam dabei Sur Sprache, daß er im Bierhause auch von „deutschen Hunden", die aus dem Lande zu treiben seien und vor denen der Pole, wenn er ihnen begegne, ausspucken müsse, gegeifert hatte. Solche Sprache darf der polnische „Patriot" Wohl eher in einer Winkelkneipe Posens, aber nicht in dem immer noch vor¬ liegend gut preußischen Oberschlesien wagen. Ja. Oberschlesien ist noch gut preußisch, in seinen gebildeten Ständen auch gut deutsch gesinnt. Alle Mühen und Künste der Aufwiegler haben Während 6 bis 8 Jahren auch bei der Masse des polnischsprechenden Volkes "ur einen unerheblichen Erfolg gehabt, die Zahl der für die polnische Idee ^ Oberschlesien ernstlich Gewonnenen wird vielleicht nicht über Hundert hin¬ ausgehen. Aufgewiegelt sind die Massen, wer sollte das bestreiten? Aber nicht für ein Phantasie - Polenreich, sondern einzig religiös. Alles, was die Wühler über die Bedrängniß und Bedrohung der katholischen Religion dem einfältigen Volke vorschwindeln, das dringt zu seinem Herzen, das regt es "uf- In der Beziehung leisten die Nationalitätswähler nur die Nebenarbeit; ^ Hauptarbeit ist schon vor ihnen und dann mit ihnen Hand in Hand von ultramontanen Priestern besorgt worden. Der Erfolg entspricht denn auch diesen Bestrebungen: Die Landtags- und Reichstagswahlen fallen in sast ganz Oberschlesien auf Ultramontane, nicht aber auf Vertreter der Drüschen Bestrebungen. Ein weiterer Erfolg besteht in der noch vermehrten

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157686/347>, abgerufen am 27.09.2024.