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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. II. Band.

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Miavka, der in ihm vielleicht zum ersten Mal einen echten Vertreter der "pol¬
nischen Nation", einen polnischen Edelmann, vor Augen bekam, sehr bald
darin, daß der "Katolik" anfing von der polnischen Nationalität zu sprechen,
selbe auch den Oberschlesiern zuschrieb, sie auf die "Brüder" jenseits der
Provinz- und der Landesgrenze aufmerksam machte, die katholische Religion
und die polnische Nationalität gleichstellte, die Bewahrung der letzteren als
heilige Pflicht aufgab u. f. w. Obwohl Herr Miarka sich in dieser Frage
immer noch sehr gemäßigt verhielt, verstieß er doch in anderen Beziehungen
so oft gegen das Preßgesetz, daß er einmal über das andere zur Untersuchung
"ezogen wurde und sich Gefängnißstrafen von zusammen nahezu 1^2 Jahren zuzog.
Als er um Johanni 1873 sich der Abbüßung derselben unterzog, veranlaßte
Dr. v. Chlapowski bei dem posener Central-Comite' der Propaganda die Ab-
sendung eines Stellvertreters in der Redaction des "Katolik". der die
Nationalitätsfrage in dem Blatte mit viel mehr Dreistigkeit behandelte.

Der Weltpriester Franz Przyniczynski wanderte im Jünglingsalter aus
Russisch-Polen in Preußen ein, besuchte das katholische Gymnasium in
Posen, widmete sich dem geistlichen Stande und wurde als Religionslehrer
"in Lehrer-Seminar in Paradies angestellt. Mit solcher Sorgfalt wurde
^ Mühlerscher Zeit bei der Auswahl von Männern zur Besetzung
eines so wichtigen Amtes verfahren. Herr Przyniczynski ist selbst¬
verständlich ein eifriger Pole und Feind der Deutschen, an die ihn nichts in
seinem Herzen bindet, auch nicht Dank für die Gastlichkeit und das Vertrauen,
welche ihm, dem Ausländer, hier gewährt werden. Er rückte im "Katolik"
bald mit der bis dahin unerhörten Behauptung vor, Oberschlesien sei "pol¬
nische Erde", auf die allein die oberschlestschen, sowie die übrigen Polen ein
Necht haben', die Deutschen .seien "Fremde" , die hier nur geduldet werden.
größere Nachsicht für ihr Dasein schienen sie nur rechnen zu dürfen,
Kenn sie "gute Katholiken" waren. Ja, der fremde Priester ging in seiner
Keckheit so weit, von den Deutschen mit Spott und Hohn zu sprechen, na-
Kentlich sie mit dem Spitznamen "Fritzchen" zu bezeichnen. Das alles hatte
"atürlich nur den Zweck, das polnisch-sprechende overschlesische Volk von seinen
Rutsch-sprechenden Mitbürgern zu trennen, in ihm gegen diese möglichst viel
^Neigung zu wecken und ihm eine Art von Nationaldünkel beizubringen.

Im Jahre 1874 überwarf sich Herr Przyniczynski vorübergehend mit
v. Chlapowski. gab die Redaktion des "Katolik" auf und gründete in
^M nahen Beuthen ein Konkurrenzblatt, die "Gazeta goruoszlaska" (Ober-
schlesische Zeitung). Die dazu nöthigen Mittel erhielt er offenbar von der
pvsener Propaganda. die das Blatt auch bis auf den heutigen Tag aufrecht
ehalten hat, indem es ohne diese Stütze kaum über ein halbes Jahr Bestand
behalten hätte. Vor kurzem kam die Nachricht aus Beuthen O.-S., daß dort


Miavka, der in ihm vielleicht zum ersten Mal einen echten Vertreter der „pol¬
nischen Nation", einen polnischen Edelmann, vor Augen bekam, sehr bald
darin, daß der „Katolik" anfing von der polnischen Nationalität zu sprechen,
selbe auch den Oberschlesiern zuschrieb, sie auf die „Brüder" jenseits der
Provinz- und der Landesgrenze aufmerksam machte, die katholische Religion
und die polnische Nationalität gleichstellte, die Bewahrung der letzteren als
heilige Pflicht aufgab u. f. w. Obwohl Herr Miarka sich in dieser Frage
immer noch sehr gemäßigt verhielt, verstieß er doch in anderen Beziehungen
so oft gegen das Preßgesetz, daß er einmal über das andere zur Untersuchung
»ezogen wurde und sich Gefängnißstrafen von zusammen nahezu 1^2 Jahren zuzog.
Als er um Johanni 1873 sich der Abbüßung derselben unterzog, veranlaßte
Dr. v. Chlapowski bei dem posener Central-Comite' der Propaganda die Ab-
sendung eines Stellvertreters in der Redaction des „Katolik". der die
Nationalitätsfrage in dem Blatte mit viel mehr Dreistigkeit behandelte.

Der Weltpriester Franz Przyniczynski wanderte im Jünglingsalter aus
Russisch-Polen in Preußen ein, besuchte das katholische Gymnasium in
Posen, widmete sich dem geistlichen Stande und wurde als Religionslehrer
»in Lehrer-Seminar in Paradies angestellt. Mit solcher Sorgfalt wurde
^ Mühlerscher Zeit bei der Auswahl von Männern zur Besetzung
eines so wichtigen Amtes verfahren. Herr Przyniczynski ist selbst¬
verständlich ein eifriger Pole und Feind der Deutschen, an die ihn nichts in
seinem Herzen bindet, auch nicht Dank für die Gastlichkeit und das Vertrauen,
welche ihm, dem Ausländer, hier gewährt werden. Er rückte im „Katolik"
bald mit der bis dahin unerhörten Behauptung vor, Oberschlesien sei „pol¬
nische Erde", auf die allein die oberschlestschen, sowie die übrigen Polen ein
Necht haben', die Deutschen .seien „Fremde" , die hier nur geduldet werden.
größere Nachsicht für ihr Dasein schienen sie nur rechnen zu dürfen,
Kenn sie „gute Katholiken" waren. Ja, der fremde Priester ging in seiner
Keckheit so weit, von den Deutschen mit Spott und Hohn zu sprechen, na-
Kentlich sie mit dem Spitznamen „Fritzchen" zu bezeichnen. Das alles hatte
«atürlich nur den Zweck, das polnisch-sprechende overschlesische Volk von seinen
Rutsch-sprechenden Mitbürgern zu trennen, in ihm gegen diese möglichst viel
^Neigung zu wecken und ihm eine Art von Nationaldünkel beizubringen.

Im Jahre 1874 überwarf sich Herr Przyniczynski vorübergehend mit
v. Chlapowski. gab die Redaktion des „Katolik" auf und gründete in
^M nahen Beuthen ein Konkurrenzblatt, die „Gazeta goruoszlaska" (Ober-
schlesische Zeitung). Die dazu nöthigen Mittel erhielt er offenbar von der
pvsener Propaganda. die das Blatt auch bis auf den heutigen Tag aufrecht
ehalten hat, indem es ohne diese Stütze kaum über ein halbes Jahr Bestand
behalten hätte. Vor kurzem kam die Nachricht aus Beuthen O.-S., daß dort


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157686/343>, abgerufen am 27.09.2024.