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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. II. Band.

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so fehlt diese beim französischen Cure; dagegen vermögen wir uns diesen wieder
nicht ohne Schnupftabaksdose zu denken.

Von der Entwickelung der Dinge in Deutschland sagen wir sonst nur,
daß auch hier der Tabak literarisch (z. B. von Moscherosch, Scriver und dem
Jesuiten Bälde) stark angefeindet wurde und auch hier seiner Gegner spottete.
Goethe und Heine waren ihm gram, Prinz Eugen war ein warmer Freund
der Prise, Friedrich der Große schnupfte unmäßig aus der Westentasche, sein
gestrenger Papa quälende mit dem alten Dessauer und dem Akademiker und
Hofnarren G u n du n g nicht weniger maßlos im Tabakscollegium, und Hohe
und Geringe, Gelehrte und Ungelehrte thaten es ihm bis auf den heutigen
Tag, unbehelligt von einem Monopole, nach.

Was aber auch England einst, Frankreich jetzt und Deutschland stets
auf diesem Gebiete geleistet haben mag, die Palme gebührt hier den Hol¬
ländern, die von 1L80 an bis heute, durch kein störendes Gesetz erschreckt und
beeinträchtigt, behäbig, gemächlich und bedächtig geraucht und fortgeraucht
haben. Bekannt ist die reizende Schilderung Washington Jrvings von dem,
was sie im Fache des Tabaksgenusses leisten. Vergessen aber wird sein, was
vor etwa drei Jahren die Zeitungen meldeten.

An einem Apriltage des Jahres 1872 oder 73 starb in der Nähe von
Rotterdam Mynheer Klaus, "der König der Raucher" genannt. Durch
Leinwandhandel reich geworden, hatte er von seinem großen Vermögen einen
sehr eigenthümlichen Gebrauch gemacht. Bei Rotterdam hatte er sich ein
stattliches Haus gebaut und darin ein Museum für Tabakspfeifen einge¬
richtet, die in chronologischer Reihenfolge geordnet und nach den Nationali¬
täten aufgestellt waren. (Wir haben 1842 bei dem Reichstagsabgeordneten
Wigard in Dresden und 18S3 in der Zelle eines Insassen des schleswigschen
Irrenhauses Aehnliches gesehen.) In dem Testamente, welches er kurz vor
seinem Ableben machte, ordnete er an, daß alle Raucher des Landes zu seinem
Leichenbegängnisse geladen und jedem 10 Pfund Tabak nebst zwei Thon¬
pfeifen neuester Facon, auf denen Name. Wappen und Todestag des Erb¬
lassers angebracht waren, verehrt werden sollten. Dafür sollten sie mit
seinen Verwandten und Freunden dem Sarge mit brennenden Pfeifen folgen
und ihm, statt der üblichen drei Hände voll Erde, die Asche derselben in's
Grab ausklopfen. Die Armen der Nachbarschaft, die diesen Wünschen nach¬
kamen, sollten jedes Jahr am Todestage des wunderlichen Herrn wieder 1v
Pfund Tabak und überdieß ein Fäßchen gutes Bier erhalten. Er befahl
serner, seinen eichnen Sarg mit den Cederbretchen der Cigarrenkisten auszu¬
füttern, die er ausgeraucht, und ihm eine Büchse mit französischem Caporal,
ein Packet holländisches Apenhaar, seine Leibpfetfe und eine Schachtel mit


so fehlt diese beim französischen Cure; dagegen vermögen wir uns diesen wieder
nicht ohne Schnupftabaksdose zu denken.

Von der Entwickelung der Dinge in Deutschland sagen wir sonst nur,
daß auch hier der Tabak literarisch (z. B. von Moscherosch, Scriver und dem
Jesuiten Bälde) stark angefeindet wurde und auch hier seiner Gegner spottete.
Goethe und Heine waren ihm gram, Prinz Eugen war ein warmer Freund
der Prise, Friedrich der Große schnupfte unmäßig aus der Westentasche, sein
gestrenger Papa quälende mit dem alten Dessauer und dem Akademiker und
Hofnarren G u n du n g nicht weniger maßlos im Tabakscollegium, und Hohe
und Geringe, Gelehrte und Ungelehrte thaten es ihm bis auf den heutigen
Tag, unbehelligt von einem Monopole, nach.

Was aber auch England einst, Frankreich jetzt und Deutschland stets
auf diesem Gebiete geleistet haben mag, die Palme gebührt hier den Hol¬
ländern, die von 1L80 an bis heute, durch kein störendes Gesetz erschreckt und
beeinträchtigt, behäbig, gemächlich und bedächtig geraucht und fortgeraucht
haben. Bekannt ist die reizende Schilderung Washington Jrvings von dem,
was sie im Fache des Tabaksgenusses leisten. Vergessen aber wird sein, was
vor etwa drei Jahren die Zeitungen meldeten.

An einem Apriltage des Jahres 1872 oder 73 starb in der Nähe von
Rotterdam Mynheer Klaus, „der König der Raucher" genannt. Durch
Leinwandhandel reich geworden, hatte er von seinem großen Vermögen einen
sehr eigenthümlichen Gebrauch gemacht. Bei Rotterdam hatte er sich ein
stattliches Haus gebaut und darin ein Museum für Tabakspfeifen einge¬
richtet, die in chronologischer Reihenfolge geordnet und nach den Nationali¬
täten aufgestellt waren. (Wir haben 1842 bei dem Reichstagsabgeordneten
Wigard in Dresden und 18S3 in der Zelle eines Insassen des schleswigschen
Irrenhauses Aehnliches gesehen.) In dem Testamente, welches er kurz vor
seinem Ableben machte, ordnete er an, daß alle Raucher des Landes zu seinem
Leichenbegängnisse geladen und jedem 10 Pfund Tabak nebst zwei Thon¬
pfeifen neuester Facon, auf denen Name. Wappen und Todestag des Erb¬
lassers angebracht waren, verehrt werden sollten. Dafür sollten sie mit
seinen Verwandten und Freunden dem Sarge mit brennenden Pfeifen folgen
und ihm, statt der üblichen drei Hände voll Erde, die Asche derselben in's
Grab ausklopfen. Die Armen der Nachbarschaft, die diesen Wünschen nach¬
kamen, sollten jedes Jahr am Todestage des wunderlichen Herrn wieder 1v
Pfund Tabak und überdieß ein Fäßchen gutes Bier erhalten. Er befahl
serner, seinen eichnen Sarg mit den Cederbretchen der Cigarrenkisten auszu¬
füttern, die er ausgeraucht, und ihm eine Büchse mit französischem Caporal,
ein Packet holländisches Apenhaar, seine Leibpfetfe und eine Schachtel mit


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[0338] so fehlt diese beim französischen Cure; dagegen vermögen wir uns diesen wieder nicht ohne Schnupftabaksdose zu denken. Von der Entwickelung der Dinge in Deutschland sagen wir sonst nur, daß auch hier der Tabak literarisch (z. B. von Moscherosch, Scriver und dem Jesuiten Bälde) stark angefeindet wurde und auch hier seiner Gegner spottete. Goethe und Heine waren ihm gram, Prinz Eugen war ein warmer Freund der Prise, Friedrich der Große schnupfte unmäßig aus der Westentasche, sein gestrenger Papa quälende mit dem alten Dessauer und dem Akademiker und Hofnarren G u n du n g nicht weniger maßlos im Tabakscollegium, und Hohe und Geringe, Gelehrte und Ungelehrte thaten es ihm bis auf den heutigen Tag, unbehelligt von einem Monopole, nach. Was aber auch England einst, Frankreich jetzt und Deutschland stets auf diesem Gebiete geleistet haben mag, die Palme gebührt hier den Hol¬ ländern, die von 1L80 an bis heute, durch kein störendes Gesetz erschreckt und beeinträchtigt, behäbig, gemächlich und bedächtig geraucht und fortgeraucht haben. Bekannt ist die reizende Schilderung Washington Jrvings von dem, was sie im Fache des Tabaksgenusses leisten. Vergessen aber wird sein, was vor etwa drei Jahren die Zeitungen meldeten. An einem Apriltage des Jahres 1872 oder 73 starb in der Nähe von Rotterdam Mynheer Klaus, „der König der Raucher" genannt. Durch Leinwandhandel reich geworden, hatte er von seinem großen Vermögen einen sehr eigenthümlichen Gebrauch gemacht. Bei Rotterdam hatte er sich ein stattliches Haus gebaut und darin ein Museum für Tabakspfeifen einge¬ richtet, die in chronologischer Reihenfolge geordnet und nach den Nationali¬ täten aufgestellt waren. (Wir haben 1842 bei dem Reichstagsabgeordneten Wigard in Dresden und 18S3 in der Zelle eines Insassen des schleswigschen Irrenhauses Aehnliches gesehen.) In dem Testamente, welches er kurz vor seinem Ableben machte, ordnete er an, daß alle Raucher des Landes zu seinem Leichenbegängnisse geladen und jedem 10 Pfund Tabak nebst zwei Thon¬ pfeifen neuester Facon, auf denen Name. Wappen und Todestag des Erb¬ lassers angebracht waren, verehrt werden sollten. Dafür sollten sie mit seinen Verwandten und Freunden dem Sarge mit brennenden Pfeifen folgen und ihm, statt der üblichen drei Hände voll Erde, die Asche derselben in's Grab ausklopfen. Die Armen der Nachbarschaft, die diesen Wünschen nach¬ kamen, sollten jedes Jahr am Todestage des wunderlichen Herrn wieder 1v Pfund Tabak und überdieß ein Fäßchen gutes Bier erhalten. Er befahl serner, seinen eichnen Sarg mit den Cederbretchen der Cigarrenkisten auszu¬ füttern, die er ausgeraucht, und ihm eine Büchse mit französischem Caporal, ein Packet holländisches Apenhaar, seine Leibpfetfe und eine Schachtel mit

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157686/338>, abgerufen am 27.09.2024.