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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. II. Band.

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der, sich des Wohlwollens von oben her erfreut hatte. Zwar sah es noch
gelegentlich einen Schriftsteller mit einer Jeremiade gegen sich auftreten, der
ungefähr wie 1703 Lawrence Spooner in seinem "I^ooKing (?1ass lor Lmoa-
Kers" lamentirte: "Die Sünde des maßlosen Tabaksgenusses schwillt und
wächst im Lande mit jedem Tage so sehr, daß ich sie nur mit den Wassern
Noahs vergleichen kann, die fünfzehn Ellen über die höchsten Berge an¬
schwollen." "Daß dieses Gebahren selbst unter den meisten Gottesfürchtigen
über alle Vernunft, Religion und Erfahrung triumphirt, erfüllt mit Staunen
und Entsetzen; daß sie gestatten, daß sich ein solches unnatürliches Feuer in
ihnen entzündet, welches sie in eine derartige (Nahrung und Unordnung versetzt,
ist ein Wunder und läßt uns mit dem Propheten Jeremias, Buch 2, Vers
12 ausrufen: Sollte sich doch der Himmel davor entsetzen, erschrecken und
sehr erbeben, spricht der Herr der Heerschaaren." Aber die Welt ließ auch
hiervor die Pfeife nicht ausgehen. Fast alle die gewaltigen Perücken , die
damals Mode waren, wurden von ihren Besitzern mit dem Dufte des vir-
ginischen Krautes durchräuchert. Die goldnen Namen der damaligen Litera¬
turperiode, Addison, Steele, Congreve, Phillips und Prior rauchten, Pope
und Swift folgten der Gewohnheit der französischen Geistlichkeit und schnupf¬
ten. König Georg der Zweite that desgleichen, und ebenso war Gibbon ein
großer Freund der Dose. In einem seiner Briefe schreibt er: "Ich zog meine
Dose heraus, klopfte darauf, nahm zwei Prisen und setzte meinen Vortrag
fort wie gewöhnlich, d. h. indem ich den Körper vorbeugte und den Zeige¬
finger ausstreckte." Der berühmte Dr. Parr genoß jeden Abend seine zwanzig
Pfeifen, quälende sogar in den Salons und Boudoirs von Damen und schreibt
von sich selbst, indem er sich beim Abfassen seiner Werke schildert, "ich ließ
vulkanische Qualmwolken nach der Decke aussteigen." Gleich ihm waren
Thomas Hobbes und Jsaak Newton leidenschaftliche Raucher, und helpe
widerlegten damit die Behauptung, daß der Tabak das Leben verkürze; denn
Hobbes wurde 92, Newton 85 Jahre alt. Unter den späteren Berühmt¬
heiten Englands waren Charles Land und der Dichter Bloomfield sowie
Walter Scott starke Raucher, während Campbell, Lord Byron, Thomas
Moore und Tennyson sich dem Tabaksgenusse nur mäßig Hingaben.

Während des Krieges mit den amerikanischen Colonien wurde der Tabak
theurer, und so ließ sein Gebrauch erheblich nach. Auch gewannen um diese
Zeit in den höheren Kreisen die Tabaksfeinde Terrain, so daß hier länger
als ein Menschenalter Pfeife und Cigarre fast allenthalben im Bann waren-

Aber, wie schon aus dem Ebengesagten zu ersehen, niemals fehlte es an
Ausnahmen. Die Lords Eldon und Stowell, desgleichen Lord BroughaM
kehrten sich nicht an jenes Vorurtheil. Die Herzöge von Sussex und De-
vonshire sanctionirten die alte Sitte, ja selbst Georg der Vierte wendete


der, sich des Wohlwollens von oben her erfreut hatte. Zwar sah es noch
gelegentlich einen Schriftsteller mit einer Jeremiade gegen sich auftreten, der
ungefähr wie 1703 Lawrence Spooner in seinem „I^ooKing (?1ass lor Lmoa-
Kers" lamentirte: „Die Sünde des maßlosen Tabaksgenusses schwillt und
wächst im Lande mit jedem Tage so sehr, daß ich sie nur mit den Wassern
Noahs vergleichen kann, die fünfzehn Ellen über die höchsten Berge an¬
schwollen." „Daß dieses Gebahren selbst unter den meisten Gottesfürchtigen
über alle Vernunft, Religion und Erfahrung triumphirt, erfüllt mit Staunen
und Entsetzen; daß sie gestatten, daß sich ein solches unnatürliches Feuer in
ihnen entzündet, welches sie in eine derartige (Nahrung und Unordnung versetzt,
ist ein Wunder und läßt uns mit dem Propheten Jeremias, Buch 2, Vers
12 ausrufen: Sollte sich doch der Himmel davor entsetzen, erschrecken und
sehr erbeben, spricht der Herr der Heerschaaren." Aber die Welt ließ auch
hiervor die Pfeife nicht ausgehen. Fast alle die gewaltigen Perücken , die
damals Mode waren, wurden von ihren Besitzern mit dem Dufte des vir-
ginischen Krautes durchräuchert. Die goldnen Namen der damaligen Litera¬
turperiode, Addison, Steele, Congreve, Phillips und Prior rauchten, Pope
und Swift folgten der Gewohnheit der französischen Geistlichkeit und schnupf¬
ten. König Georg der Zweite that desgleichen, und ebenso war Gibbon ein
großer Freund der Dose. In einem seiner Briefe schreibt er: „Ich zog meine
Dose heraus, klopfte darauf, nahm zwei Prisen und setzte meinen Vortrag
fort wie gewöhnlich, d. h. indem ich den Körper vorbeugte und den Zeige¬
finger ausstreckte." Der berühmte Dr. Parr genoß jeden Abend seine zwanzig
Pfeifen, quälende sogar in den Salons und Boudoirs von Damen und schreibt
von sich selbst, indem er sich beim Abfassen seiner Werke schildert, „ich ließ
vulkanische Qualmwolken nach der Decke aussteigen." Gleich ihm waren
Thomas Hobbes und Jsaak Newton leidenschaftliche Raucher, und helpe
widerlegten damit die Behauptung, daß der Tabak das Leben verkürze; denn
Hobbes wurde 92, Newton 85 Jahre alt. Unter den späteren Berühmt¬
heiten Englands waren Charles Land und der Dichter Bloomfield sowie
Walter Scott starke Raucher, während Campbell, Lord Byron, Thomas
Moore und Tennyson sich dem Tabaksgenusse nur mäßig Hingaben.

Während des Krieges mit den amerikanischen Colonien wurde der Tabak
theurer, und so ließ sein Gebrauch erheblich nach. Auch gewannen um diese
Zeit in den höheren Kreisen die Tabaksfeinde Terrain, so daß hier länger
als ein Menschenalter Pfeife und Cigarre fast allenthalben im Bann waren-

Aber, wie schon aus dem Ebengesagten zu ersehen, niemals fehlte es an
Ausnahmen. Die Lords Eldon und Stowell, desgleichen Lord BroughaM
kehrten sich nicht an jenes Vorurtheil. Die Herzöge von Sussex und De-
vonshire sanctionirten die alte Sitte, ja selbst Georg der Vierte wendete


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[0336] der, sich des Wohlwollens von oben her erfreut hatte. Zwar sah es noch gelegentlich einen Schriftsteller mit einer Jeremiade gegen sich auftreten, der ungefähr wie 1703 Lawrence Spooner in seinem „I^ooKing (?1ass lor Lmoa- Kers" lamentirte: „Die Sünde des maßlosen Tabaksgenusses schwillt und wächst im Lande mit jedem Tage so sehr, daß ich sie nur mit den Wassern Noahs vergleichen kann, die fünfzehn Ellen über die höchsten Berge an¬ schwollen." „Daß dieses Gebahren selbst unter den meisten Gottesfürchtigen über alle Vernunft, Religion und Erfahrung triumphirt, erfüllt mit Staunen und Entsetzen; daß sie gestatten, daß sich ein solches unnatürliches Feuer in ihnen entzündet, welches sie in eine derartige (Nahrung und Unordnung versetzt, ist ein Wunder und läßt uns mit dem Propheten Jeremias, Buch 2, Vers 12 ausrufen: Sollte sich doch der Himmel davor entsetzen, erschrecken und sehr erbeben, spricht der Herr der Heerschaaren." Aber die Welt ließ auch hiervor die Pfeife nicht ausgehen. Fast alle die gewaltigen Perücken , die damals Mode waren, wurden von ihren Besitzern mit dem Dufte des vir- ginischen Krautes durchräuchert. Die goldnen Namen der damaligen Litera¬ turperiode, Addison, Steele, Congreve, Phillips und Prior rauchten, Pope und Swift folgten der Gewohnheit der französischen Geistlichkeit und schnupf¬ ten. König Georg der Zweite that desgleichen, und ebenso war Gibbon ein großer Freund der Dose. In einem seiner Briefe schreibt er: „Ich zog meine Dose heraus, klopfte darauf, nahm zwei Prisen und setzte meinen Vortrag fort wie gewöhnlich, d. h. indem ich den Körper vorbeugte und den Zeige¬ finger ausstreckte." Der berühmte Dr. Parr genoß jeden Abend seine zwanzig Pfeifen, quälende sogar in den Salons und Boudoirs von Damen und schreibt von sich selbst, indem er sich beim Abfassen seiner Werke schildert, „ich ließ vulkanische Qualmwolken nach der Decke aussteigen." Gleich ihm waren Thomas Hobbes und Jsaak Newton leidenschaftliche Raucher, und helpe widerlegten damit die Behauptung, daß der Tabak das Leben verkürze; denn Hobbes wurde 92, Newton 85 Jahre alt. Unter den späteren Berühmt¬ heiten Englands waren Charles Land und der Dichter Bloomfield sowie Walter Scott starke Raucher, während Campbell, Lord Byron, Thomas Moore und Tennyson sich dem Tabaksgenusse nur mäßig Hingaben. Während des Krieges mit den amerikanischen Colonien wurde der Tabak theurer, und so ließ sein Gebrauch erheblich nach. Auch gewannen um diese Zeit in den höheren Kreisen die Tabaksfeinde Terrain, so daß hier länger als ein Menschenalter Pfeife und Cigarre fast allenthalben im Bann waren- Aber, wie schon aus dem Ebengesagten zu ersehen, niemals fehlte es an Ausnahmen. Die Lords Eldon und Stowell, desgleichen Lord BroughaM kehrten sich nicht an jenes Vorurtheil. Die Herzöge von Sussex und De- vonshire sanctionirten die alte Sitte, ja selbst Georg der Vierte wendete

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157686/336>, abgerufen am 20.10.2024.