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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. II. Band.

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ergreifen und stäupen, vornehmen den Bart abscheeren und sie aus dew
Lande jagen lassen. Es wiederholte sich nach allen Richtungen die Bethätigung
des alten Verses: "MtuiÄM vxx"IIg,8 turea,, wmvu us^us recurrot"; das
Rauchen war allerdings nicht eben etwas Natürliches, aber den Engländern
zur andern Natur geworden. Wenn der Absolutismus unnöthige und un¬
billige Gesetze macht, so denkt das Volk naturgemäß an Wege zur Umgehung
derselben. Da Jakobs Einfuhrzoll einer Unterdrückung der Einfuhr nahe
kam, fingen die englischen Farmer an, auf ihrem eignen Boden Tabak z"
bauen, und als der "schottische Salomo" darauf hin ein Verbot gegen diesen
"Mißbrauch des Bodens unseres fruchtbaren Königreichs" erließ, erinnerte
man sich, daß nur die Einfuhr des virginischen Tabaks mit jenem exorbitan¬
ten Zoll belegt war, und bezog sein Rauch- und Schnupfmaterial mit der
alten wohlfeilen Abgabe von den spanischen und portugiesischen Nieder¬
lassungen in Amerika. Jakob verbot darauf jeden Tabakshandel in England,
der nicht auf Grund eines von ihm um schweres Geld zu lösenden Patents
betrieben wurde. Aber es gelang ihm durch diese Monopolisirung nur, die
Londoner Gesellschaft der mit Virginien handelnden Kaufleute zu ruintren
und -- seine Taschen mit Geld zu füllen; denn der Tabaksgenuß
florirre fort.

Karl der Erste theilte den Abscheu seines Vaters gegen den Tabak, be¬
handelte wie dieser den Verschleiß desselben als Monopol und ließ alle Vor-^
Stellungen der dadurch geschädigten virginischen Pflanzer unbeachtet. Unbillig
zwar und unartig, aber erklärlich ist's daher, wenn Leute sich freuten, daß
die Soldaten Cromwells ihm, als er in den Tagen seines Unglücks in
der Wachtstube von Westminster saß, den Qualm ihrer Pfeifen in's Gesicht
bliesen.

Auch die Herrschaft der Puritaner war dem Tabak nicht hold. CroM-
well war zwar selbst ein starker Raucher, wollte aber so wenig wie Jacob
den Anbau des Tabaks in England dulden und schickte daher seine Truppe"
aus, um da, wo das Kraut gepflanzt worden, die Ernten niederzutreten.

Karl der Zweite bestätigte nach der Restauration die alten Verbote des
Anbaus von Tabak in England, dehnte sie auf Irland aus und setzte eine
Geldstrafe von 40 Schillingen, die später auf 10 Pfund Se. erhöht wurde,
auf jede Ruthe mit Tabak bepflanzten Landes. Auch untersagte er den
Mitgliedern der Universität Cambridge außer dem Tragen von Perücken und
dem Ablesen ihrer Predigten das Rauchen. Ihm so wenig wie seinen Ab¬
gängern am Ruder der Regierung gelang es, den Genuß des Tabaks Z"
unterdrücken oder auch nur erheblich einzuschränken. Der französische Reiset
de Nochefort, der unter ihm England besuchte, berichtet, daß dort Frauen
ebensowohl wie Männer rauchten, ja daß die Kinder von ihren Mütter"


ergreifen und stäupen, vornehmen den Bart abscheeren und sie aus dew
Lande jagen lassen. Es wiederholte sich nach allen Richtungen die Bethätigung
des alten Verses: „MtuiÄM vxx«IIg,8 turea,, wmvu us^us recurrot"; das
Rauchen war allerdings nicht eben etwas Natürliches, aber den Engländern
zur andern Natur geworden. Wenn der Absolutismus unnöthige und un¬
billige Gesetze macht, so denkt das Volk naturgemäß an Wege zur Umgehung
derselben. Da Jakobs Einfuhrzoll einer Unterdrückung der Einfuhr nahe
kam, fingen die englischen Farmer an, auf ihrem eignen Boden Tabak z»
bauen, und als der „schottische Salomo" darauf hin ein Verbot gegen diesen
„Mißbrauch des Bodens unseres fruchtbaren Königreichs" erließ, erinnerte
man sich, daß nur die Einfuhr des virginischen Tabaks mit jenem exorbitan¬
ten Zoll belegt war, und bezog sein Rauch- und Schnupfmaterial mit der
alten wohlfeilen Abgabe von den spanischen und portugiesischen Nieder¬
lassungen in Amerika. Jakob verbot darauf jeden Tabakshandel in England,
der nicht auf Grund eines von ihm um schweres Geld zu lösenden Patents
betrieben wurde. Aber es gelang ihm durch diese Monopolisirung nur, die
Londoner Gesellschaft der mit Virginien handelnden Kaufleute zu ruintren
und — seine Taschen mit Geld zu füllen; denn der Tabaksgenuß
florirre fort.

Karl der Erste theilte den Abscheu seines Vaters gegen den Tabak, be¬
handelte wie dieser den Verschleiß desselben als Monopol und ließ alle Vor-^
Stellungen der dadurch geschädigten virginischen Pflanzer unbeachtet. Unbillig
zwar und unartig, aber erklärlich ist's daher, wenn Leute sich freuten, daß
die Soldaten Cromwells ihm, als er in den Tagen seines Unglücks in
der Wachtstube von Westminster saß, den Qualm ihrer Pfeifen in's Gesicht
bliesen.

Auch die Herrschaft der Puritaner war dem Tabak nicht hold. CroM-
well war zwar selbst ein starker Raucher, wollte aber so wenig wie Jacob
den Anbau des Tabaks in England dulden und schickte daher seine Truppe"
aus, um da, wo das Kraut gepflanzt worden, die Ernten niederzutreten.

Karl der Zweite bestätigte nach der Restauration die alten Verbote des
Anbaus von Tabak in England, dehnte sie auf Irland aus und setzte eine
Geldstrafe von 40 Schillingen, die später auf 10 Pfund Se. erhöht wurde,
auf jede Ruthe mit Tabak bepflanzten Landes. Auch untersagte er den
Mitgliedern der Universität Cambridge außer dem Tragen von Perücken und
dem Ablesen ihrer Predigten das Rauchen. Ihm so wenig wie seinen Ab¬
gängern am Ruder der Regierung gelang es, den Genuß des Tabaks Z"
unterdrücken oder auch nur erheblich einzuschränken. Der französische Reiset
de Nochefort, der unter ihm England besuchte, berichtet, daß dort Frauen
ebensowohl wie Männer rauchten, ja daß die Kinder von ihren Mütter"


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[0334] ergreifen und stäupen, vornehmen den Bart abscheeren und sie aus dew Lande jagen lassen. Es wiederholte sich nach allen Richtungen die Bethätigung des alten Verses: „MtuiÄM vxx«IIg,8 turea,, wmvu us^us recurrot"; das Rauchen war allerdings nicht eben etwas Natürliches, aber den Engländern zur andern Natur geworden. Wenn der Absolutismus unnöthige und un¬ billige Gesetze macht, so denkt das Volk naturgemäß an Wege zur Umgehung derselben. Da Jakobs Einfuhrzoll einer Unterdrückung der Einfuhr nahe kam, fingen die englischen Farmer an, auf ihrem eignen Boden Tabak z» bauen, und als der „schottische Salomo" darauf hin ein Verbot gegen diesen „Mißbrauch des Bodens unseres fruchtbaren Königreichs" erließ, erinnerte man sich, daß nur die Einfuhr des virginischen Tabaks mit jenem exorbitan¬ ten Zoll belegt war, und bezog sein Rauch- und Schnupfmaterial mit der alten wohlfeilen Abgabe von den spanischen und portugiesischen Nieder¬ lassungen in Amerika. Jakob verbot darauf jeden Tabakshandel in England, der nicht auf Grund eines von ihm um schweres Geld zu lösenden Patents betrieben wurde. Aber es gelang ihm durch diese Monopolisirung nur, die Londoner Gesellschaft der mit Virginien handelnden Kaufleute zu ruintren und — seine Taschen mit Geld zu füllen; denn der Tabaksgenuß florirre fort. Karl der Erste theilte den Abscheu seines Vaters gegen den Tabak, be¬ handelte wie dieser den Verschleiß desselben als Monopol und ließ alle Vor-^ Stellungen der dadurch geschädigten virginischen Pflanzer unbeachtet. Unbillig zwar und unartig, aber erklärlich ist's daher, wenn Leute sich freuten, daß die Soldaten Cromwells ihm, als er in den Tagen seines Unglücks in der Wachtstube von Westminster saß, den Qualm ihrer Pfeifen in's Gesicht bliesen. Auch die Herrschaft der Puritaner war dem Tabak nicht hold. CroM- well war zwar selbst ein starker Raucher, wollte aber so wenig wie Jacob den Anbau des Tabaks in England dulden und schickte daher seine Truppe" aus, um da, wo das Kraut gepflanzt worden, die Ernten niederzutreten. Karl der Zweite bestätigte nach der Restauration die alten Verbote des Anbaus von Tabak in England, dehnte sie auf Irland aus und setzte eine Geldstrafe von 40 Schillingen, die später auf 10 Pfund Se. erhöht wurde, auf jede Ruthe mit Tabak bepflanzten Landes. Auch untersagte er den Mitgliedern der Universität Cambridge außer dem Tragen von Perücken und dem Ablesen ihrer Predigten das Rauchen. Ihm so wenig wie seinen Ab¬ gängern am Ruder der Regierung gelang es, den Genuß des Tabaks Z" unterdrücken oder auch nur erheblich einzuschränken. Der französische Reiset de Nochefort, der unter ihm England besuchte, berichtet, daß dort Frauen ebensowohl wie Männer rauchten, ja daß die Kinder von ihren Mütter"

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157686/334>, abgerufen am 27.09.2024.