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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. II. Band.

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Großen eine Prise mit Amputation der Nase durch den Henker geahndet.
Gesandte des Herzogs von Holstein, die im Jahre 1634 Moskau besuchten,
sahen hier an einem und demselben Tage acht Männer und eine Frau öffent¬
lich knuten, weil sie Branntwein und Tabak verkauft hatten. Wer über diesem
Vergehen das zweite Mal betroffen wurde, verlor den Kopf und zwar nicht
etwa figürlich. In Konstantinopel, wo namentlich Sultan Murad der Vierte
die Raucher mit frommer Wuth verfolgte und eine große Menge derselben
köpfen ließ, sah der englische Reisende Sandys im Jahre 1610 einen unglück¬
lichen Türken, der sich unvorsichtig den Tschibbuk hatte schmecken lassen, auf
einem Esel durch die Straßen führen, nachdem man ihm die Nase durchstochen
und das Pfeifenrohr quer hindurchgezogen hatte. Ein wenig glimpflicher ver¬
fuhren im Allgemeinen in Persien Schah Abbas der Große, der aber doch
einst einen Kaufmann auf einem Scheiterhaufen zu verbrennen befahl, welcher
aus dem von ihm in's Lager eingeschmuggelten Tabak bestand, und der Kaiser
Jehan Gir, der den Rauchern die Lippen, den Schnupfern die Nase abzu¬
schneiden gebot.

Gelinder ließ Jakob der Erste (weil er nicht strenger sein durfte) seinen
Ingrimm gegen die Verbreitung des "stygischen Qualmkrautes" in England
aus, auf welches wir jetzt, Fairholts soeben erschienener Geschichte des Tabaks
in Auszügen folgend, eingehender zu sprechen kommen*). Mit dem Beginn
des siebzehnten Jahrhunderts war in England das goldne Zeitalter für den
Tabak angebrochen, er war hier die Leidenschaft aller Stände geworden.
Man rauchte nicht nur während der Vorstellungen im Theater, sondern die
Theater verkauften auch Tabak. Beliebte Schriftsteller priesen "den göttlichen
Rauch des himmlischen Krautes" sogar der Damenwelt an, die sich das
nicht zweimal sagen ließ, so daß man ihnen im Schauspielhause "statt der
Aepfel, die bis dahin ihre hauptsächliche Erfrischung gewesen waren, die
Tabakspfeife anbot/ Gardiner, der 1610 gegen den Tabak schrieb, klagt:
"Das Erbe vieler junger Herren ist ganz erschöpft und rein verschwunden
mit diesem rauchigen Qualm und dem Besitzer auf die schändlichste und
viehischste Weise zur Nase hinausgeflogen." (Acht Unzen Tabak bezahlte
Man noch im Jahre 1628 mit fünf Schillingen, und es kam in dieser Periode
vor, daß Leute in einem einzigen Jahre drei bis vierhundert Pfund Sterl.
verrauchten.) "Manche verbringen ganze Tage, Monate und Jahre mit
Tabakrauchen und legen die Pfeife nicht einmal im Bette aus der Hand."
Nich, ein anderer Gegner der Uebertreibung des Tabaksgenusses, sagt in einem
Sittengemälde aus dem Jahre 1614: "Kein Reitknecht, der in ein Bierhaus



") Der Titel des Buches ist: "Lobsveo, its Histor? ^ssoviations Z?.
Koll. I^oMon, vliatto auel ^VinÄus, 1,87V.

Großen eine Prise mit Amputation der Nase durch den Henker geahndet.
Gesandte des Herzogs von Holstein, die im Jahre 1634 Moskau besuchten,
sahen hier an einem und demselben Tage acht Männer und eine Frau öffent¬
lich knuten, weil sie Branntwein und Tabak verkauft hatten. Wer über diesem
Vergehen das zweite Mal betroffen wurde, verlor den Kopf und zwar nicht
etwa figürlich. In Konstantinopel, wo namentlich Sultan Murad der Vierte
die Raucher mit frommer Wuth verfolgte und eine große Menge derselben
köpfen ließ, sah der englische Reisende Sandys im Jahre 1610 einen unglück¬
lichen Türken, der sich unvorsichtig den Tschibbuk hatte schmecken lassen, auf
einem Esel durch die Straßen führen, nachdem man ihm die Nase durchstochen
und das Pfeifenrohr quer hindurchgezogen hatte. Ein wenig glimpflicher ver¬
fuhren im Allgemeinen in Persien Schah Abbas der Große, der aber doch
einst einen Kaufmann auf einem Scheiterhaufen zu verbrennen befahl, welcher
aus dem von ihm in's Lager eingeschmuggelten Tabak bestand, und der Kaiser
Jehan Gir, der den Rauchern die Lippen, den Schnupfern die Nase abzu¬
schneiden gebot.

Gelinder ließ Jakob der Erste (weil er nicht strenger sein durfte) seinen
Ingrimm gegen die Verbreitung des „stygischen Qualmkrautes" in England
aus, auf welches wir jetzt, Fairholts soeben erschienener Geschichte des Tabaks
in Auszügen folgend, eingehender zu sprechen kommen*). Mit dem Beginn
des siebzehnten Jahrhunderts war in England das goldne Zeitalter für den
Tabak angebrochen, er war hier die Leidenschaft aller Stände geworden.
Man rauchte nicht nur während der Vorstellungen im Theater, sondern die
Theater verkauften auch Tabak. Beliebte Schriftsteller priesen „den göttlichen
Rauch des himmlischen Krautes" sogar der Damenwelt an, die sich das
nicht zweimal sagen ließ, so daß man ihnen im Schauspielhause „statt der
Aepfel, die bis dahin ihre hauptsächliche Erfrischung gewesen waren, die
Tabakspfeife anbot/ Gardiner, der 1610 gegen den Tabak schrieb, klagt:
»Das Erbe vieler junger Herren ist ganz erschöpft und rein verschwunden
mit diesem rauchigen Qualm und dem Besitzer auf die schändlichste und
viehischste Weise zur Nase hinausgeflogen." (Acht Unzen Tabak bezahlte
Man noch im Jahre 1628 mit fünf Schillingen, und es kam in dieser Periode
vor, daß Leute in einem einzigen Jahre drei bis vierhundert Pfund Sterl.
verrauchten.) „Manche verbringen ganze Tage, Monate und Jahre mit
Tabakrauchen und legen die Pfeife nicht einmal im Bette aus der Hand."
Nich, ein anderer Gegner der Uebertreibung des Tabaksgenusses, sagt in einem
Sittengemälde aus dem Jahre 1614: „Kein Reitknecht, der in ein Bierhaus



") Der Titel des Buches ist: „Lobsveo, its Histor? ^ssoviations Z?.
Koll. I^oMon, vliatto auel ^VinÄus, 1,87V.
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[0331] Großen eine Prise mit Amputation der Nase durch den Henker geahndet. Gesandte des Herzogs von Holstein, die im Jahre 1634 Moskau besuchten, sahen hier an einem und demselben Tage acht Männer und eine Frau öffent¬ lich knuten, weil sie Branntwein und Tabak verkauft hatten. Wer über diesem Vergehen das zweite Mal betroffen wurde, verlor den Kopf und zwar nicht etwa figürlich. In Konstantinopel, wo namentlich Sultan Murad der Vierte die Raucher mit frommer Wuth verfolgte und eine große Menge derselben köpfen ließ, sah der englische Reisende Sandys im Jahre 1610 einen unglück¬ lichen Türken, der sich unvorsichtig den Tschibbuk hatte schmecken lassen, auf einem Esel durch die Straßen führen, nachdem man ihm die Nase durchstochen und das Pfeifenrohr quer hindurchgezogen hatte. Ein wenig glimpflicher ver¬ fuhren im Allgemeinen in Persien Schah Abbas der Große, der aber doch einst einen Kaufmann auf einem Scheiterhaufen zu verbrennen befahl, welcher aus dem von ihm in's Lager eingeschmuggelten Tabak bestand, und der Kaiser Jehan Gir, der den Rauchern die Lippen, den Schnupfern die Nase abzu¬ schneiden gebot. Gelinder ließ Jakob der Erste (weil er nicht strenger sein durfte) seinen Ingrimm gegen die Verbreitung des „stygischen Qualmkrautes" in England aus, auf welches wir jetzt, Fairholts soeben erschienener Geschichte des Tabaks in Auszügen folgend, eingehender zu sprechen kommen*). Mit dem Beginn des siebzehnten Jahrhunderts war in England das goldne Zeitalter für den Tabak angebrochen, er war hier die Leidenschaft aller Stände geworden. Man rauchte nicht nur während der Vorstellungen im Theater, sondern die Theater verkauften auch Tabak. Beliebte Schriftsteller priesen „den göttlichen Rauch des himmlischen Krautes" sogar der Damenwelt an, die sich das nicht zweimal sagen ließ, so daß man ihnen im Schauspielhause „statt der Aepfel, die bis dahin ihre hauptsächliche Erfrischung gewesen waren, die Tabakspfeife anbot/ Gardiner, der 1610 gegen den Tabak schrieb, klagt: »Das Erbe vieler junger Herren ist ganz erschöpft und rein verschwunden mit diesem rauchigen Qualm und dem Besitzer auf die schändlichste und viehischste Weise zur Nase hinausgeflogen." (Acht Unzen Tabak bezahlte Man noch im Jahre 1628 mit fünf Schillingen, und es kam in dieser Periode vor, daß Leute in einem einzigen Jahre drei bis vierhundert Pfund Sterl. verrauchten.) „Manche verbringen ganze Tage, Monate und Jahre mit Tabakrauchen und legen die Pfeife nicht einmal im Bette aus der Hand." Nich, ein anderer Gegner der Uebertreibung des Tabaksgenusses, sagt in einem Sittengemälde aus dem Jahre 1614: „Kein Reitknecht, der in ein Bierhaus ") Der Titel des Buches ist: „Lobsveo, its Histor? ^ssoviations Z?. Koll. I^oMon, vliatto auel ^VinÄus, 1,87V.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157686/331>, abgerufen am 27.09.2024.