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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. II. Band.

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heilen, und zu gleicher Zeit wurde es in der Form von Schnupftabak in weiten
Kreisen zum Gegenstand des Genusses. Nicht blos in Apotheken, sondern
auch in gewöhnlichen Kaufläden war jetzt der nun auch im Lande selbst an¬
gebaute Tabak zu bekommen, und zwar führte er gegen das Ende des sech-
zehnten Jahrhunderts außer den genannten Namen noch eine große Anzahl
anderer, z. B. "klsrds saints", "lZuZlosss g>reg,rstiyus (südliche Ochsenzunge)",
"?g.ng>ess Äutgretiyus", "^usquig-ums us ?el'on (peruvianisches Bilsenkraut)",
"Ilsrbs as ^ourbauou" und "Herds 6s Le. lüroix", bis endlich hier wie
anderwärts der spanische Name Tabaco alle andern verdrängte.

Etwas später als nach Frankreich gelangte der Tabak nach Italien, wo
Rom durch den Kardinal Prosper Santa Croce, der ihn ebenfalls von Portugal
her erhalten, mit ihm bekannt wurde, während der Norden das Kraut durch
den französischen Gesandten Tourbanon erhielt. Nach diesem hieß es hier
"I'ornudollg.", nach dem Cardinal aber "lZrbg, Laura Lroes". Auch hier fand
es als Heil- wie als Genußmtttel rasch viele Freunde, und so wurde es im
Toscanischen bereits 1574 angebaut. Wie in Frankreich und Spanien wurde
es hier zuerst nur geschnupft, und zwar bald so allgemein, daß Venedig von
16S7 bis 1662 aus der Verpachtung der Fabrikation und des Verschleißes
von Tabak die erhebliche Summe von vierzigtausend Ducaten gewann.

Deutschland lernte das Wunderkraut 1565 durch den Augsburger Stadt-
physteus Adolf Occo kennen und baute es von 1660 an in der Rheinpfalz
im Großen. Nach der Schweiz brachte es um 1550 Konrad Gesner. Hier
wie in Deutschland und anderwärts wurde es von den Aerzten (z. B. von
I)r. Neander von Bremen in seiner 1622 erschienenen "'l^bueslogia") als
Panacee bei fast allen Leiden des Kopfes und der Brust, namentlich aber
auch als Pflaster für Wunden und Ausschläge empfohlen und angewendet.

Rauchen sah man zuerst in Spanien, wohin die Sitte durch Seeleute gelangte,
welche sie den Indianern der neuen Welt abgelernt hatten und in der Hei¬
math rasch viele Nachahmer fanden. Nächst den Spaniern scheinen die Eng¬
länder die erste Nation Europas gewesen zu sein, die am Tabaksgenuß in
dieser Form Gefallen fand. Die Pflanze kam den Einen zufolge "lo
zwanzigsten Jahre der Königin Elisabeth", also 1677, Andern zufolge "der
schon 1665 nach England. Die Sitte, ihre Blätter zu rauchen aber gelangte
hierher durch Ralph Laue, den 1586 in die Heimath zurückkehrenden Gou¬
verneur von Virginien, und wurde durch den Entdecker Walter Raleigh, der
selbst ein starker Raucher war. so daß er später mit der Pfeife im Munde
der Enthauptung seines Freundes Essex zusah und bis wenige Minuten vor
seiner eignen Hinrichtung herzhaft dampfte, als gesund empfohlen.

Zuerst scheint hier der Tabak in der Pfeife auf Manche abstoßend gewirkt
zu haben, wie u, A. die folgende Anekdote von Dick Tarlton andeutet-


heilen, und zu gleicher Zeit wurde es in der Form von Schnupftabak in weiten
Kreisen zum Gegenstand des Genusses. Nicht blos in Apotheken, sondern
auch in gewöhnlichen Kaufläden war jetzt der nun auch im Lande selbst an¬
gebaute Tabak zu bekommen, und zwar führte er gegen das Ende des sech-
zehnten Jahrhunderts außer den genannten Namen noch eine große Anzahl
anderer, z. B. «klsrds saints", „lZuZlosss g>reg,rstiyus (südliche Ochsenzunge)",
„?g.ng>ess Äutgretiyus", „^usquig-ums us ?el'on (peruvianisches Bilsenkraut)",
„Ilsrbs as ^ourbauou" und „Herds 6s Le. lüroix", bis endlich hier wie
anderwärts der spanische Name Tabaco alle andern verdrängte.

Etwas später als nach Frankreich gelangte der Tabak nach Italien, wo
Rom durch den Kardinal Prosper Santa Croce, der ihn ebenfalls von Portugal
her erhalten, mit ihm bekannt wurde, während der Norden das Kraut durch
den französischen Gesandten Tourbanon erhielt. Nach diesem hieß es hier
„I'ornudollg.", nach dem Cardinal aber „lZrbg, Laura Lroes". Auch hier fand
es als Heil- wie als Genußmtttel rasch viele Freunde, und so wurde es im
Toscanischen bereits 1574 angebaut. Wie in Frankreich und Spanien wurde
es hier zuerst nur geschnupft, und zwar bald so allgemein, daß Venedig von
16S7 bis 1662 aus der Verpachtung der Fabrikation und des Verschleißes
von Tabak die erhebliche Summe von vierzigtausend Ducaten gewann.

Deutschland lernte das Wunderkraut 1565 durch den Augsburger Stadt-
physteus Adolf Occo kennen und baute es von 1660 an in der Rheinpfalz
im Großen. Nach der Schweiz brachte es um 1550 Konrad Gesner. Hier
wie in Deutschland und anderwärts wurde es von den Aerzten (z. B. von
I)r. Neander von Bremen in seiner 1622 erschienenen „'l^bueslogia") als
Panacee bei fast allen Leiden des Kopfes und der Brust, namentlich aber
auch als Pflaster für Wunden und Ausschläge empfohlen und angewendet.

Rauchen sah man zuerst in Spanien, wohin die Sitte durch Seeleute gelangte,
welche sie den Indianern der neuen Welt abgelernt hatten und in der Hei¬
math rasch viele Nachahmer fanden. Nächst den Spaniern scheinen die Eng¬
länder die erste Nation Europas gewesen zu sein, die am Tabaksgenuß in
dieser Form Gefallen fand. Die Pflanze kam den Einen zufolge „lo
zwanzigsten Jahre der Königin Elisabeth«, also 1677, Andern zufolge «der
schon 1665 nach England. Die Sitte, ihre Blätter zu rauchen aber gelangte
hierher durch Ralph Laue, den 1586 in die Heimath zurückkehrenden Gou¬
verneur von Virginien, und wurde durch den Entdecker Walter Raleigh, der
selbst ein starker Raucher war. so daß er später mit der Pfeife im Munde
der Enthauptung seines Freundes Essex zusah und bis wenige Minuten vor
seiner eignen Hinrichtung herzhaft dampfte, als gesund empfohlen.

Zuerst scheint hier der Tabak in der Pfeife auf Manche abstoßend gewirkt
zu haben, wie u, A. die folgende Anekdote von Dick Tarlton andeutet-


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[0328] heilen, und zu gleicher Zeit wurde es in der Form von Schnupftabak in weiten Kreisen zum Gegenstand des Genusses. Nicht blos in Apotheken, sondern auch in gewöhnlichen Kaufläden war jetzt der nun auch im Lande selbst an¬ gebaute Tabak zu bekommen, und zwar führte er gegen das Ende des sech- zehnten Jahrhunderts außer den genannten Namen noch eine große Anzahl anderer, z. B. «klsrds saints", „lZuZlosss g>reg,rstiyus (südliche Ochsenzunge)", „?g.ng>ess Äutgretiyus", „^usquig-ums us ?el'on (peruvianisches Bilsenkraut)", „Ilsrbs as ^ourbauou" und „Herds 6s Le. lüroix", bis endlich hier wie anderwärts der spanische Name Tabaco alle andern verdrängte. Etwas später als nach Frankreich gelangte der Tabak nach Italien, wo Rom durch den Kardinal Prosper Santa Croce, der ihn ebenfalls von Portugal her erhalten, mit ihm bekannt wurde, während der Norden das Kraut durch den französischen Gesandten Tourbanon erhielt. Nach diesem hieß es hier „I'ornudollg.", nach dem Cardinal aber „lZrbg, Laura Lroes". Auch hier fand es als Heil- wie als Genußmtttel rasch viele Freunde, und so wurde es im Toscanischen bereits 1574 angebaut. Wie in Frankreich und Spanien wurde es hier zuerst nur geschnupft, und zwar bald so allgemein, daß Venedig von 16S7 bis 1662 aus der Verpachtung der Fabrikation und des Verschleißes von Tabak die erhebliche Summe von vierzigtausend Ducaten gewann. Deutschland lernte das Wunderkraut 1565 durch den Augsburger Stadt- physteus Adolf Occo kennen und baute es von 1660 an in der Rheinpfalz im Großen. Nach der Schweiz brachte es um 1550 Konrad Gesner. Hier wie in Deutschland und anderwärts wurde es von den Aerzten (z. B. von I)r. Neander von Bremen in seiner 1622 erschienenen „'l^bueslogia") als Panacee bei fast allen Leiden des Kopfes und der Brust, namentlich aber auch als Pflaster für Wunden und Ausschläge empfohlen und angewendet. Rauchen sah man zuerst in Spanien, wohin die Sitte durch Seeleute gelangte, welche sie den Indianern der neuen Welt abgelernt hatten und in der Hei¬ math rasch viele Nachahmer fanden. Nächst den Spaniern scheinen die Eng¬ länder die erste Nation Europas gewesen zu sein, die am Tabaksgenuß in dieser Form Gefallen fand. Die Pflanze kam den Einen zufolge „lo zwanzigsten Jahre der Königin Elisabeth«, also 1677, Andern zufolge «der schon 1665 nach England. Die Sitte, ihre Blätter zu rauchen aber gelangte hierher durch Ralph Laue, den 1586 in die Heimath zurückkehrenden Gou¬ verneur von Virginien, und wurde durch den Entdecker Walter Raleigh, der selbst ein starker Raucher war. so daß er später mit der Pfeife im Munde der Enthauptung seines Freundes Essex zusah und bis wenige Minuten vor seiner eignen Hinrichtung herzhaft dampfte, als gesund empfohlen. Zuerst scheint hier der Tabak in der Pfeife auf Manche abstoßend gewirkt zu haben, wie u, A. die folgende Anekdote von Dick Tarlton andeutet-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157686/328>, abgerufen am 27.09.2024.