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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. II. Band.

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damals schon bekannt. In dem Bericht über die zweite Fahrt, die Columbus
1494 nach Amerika unternahm, erzählt dessen Verfasser, der Mönch Roman
Pane, daß die Wilden das Kraut, welches er Kogiaba nennt, zu Staub zer¬
rieben und durch ein Rohr von einer halben Elle Länge, das in die Nase
gesteckt wurde, einathmeten, "was sie sehr reinigte." In Brasilien, wo die
Pflanze Petun hieß, wurden ihre Blätter, wie uns De Bry in seiner 1590
erschienenen "Ilistoria, Lrasiliana," berichtet, von den Eingebornen aus Pfeifen
geraucht, die nach der Beschreibung und Abbildung, welche dieses Buch giebt,
in fast allen Stücken dem türkischen Tschibbuk glichen und ebenso wie dieser
gebraucht wurden. Francisco Lopez de Gomara, der Cortez 1519 während
des Eroberungsfeldzugs in Mexiko "is Kaplan begleitete, spricht von dem
Tabakrauchen als einer dort allgemein verbreiteten Sitte, und Bernal Diaz
erzählt, daß der Großkönig Montezuma, nachdem er gespeist, eine Pfeife
rauchte, die ihm von der vornehmsten Dame seines Hofes mit großer Feier"
lichkeit gebracht wurde.

Endlich scheint der Gebrauch des Tabaks auch im Norden der trans¬
atlantischen Welt in sehr alte Zeiten zurückzureichen. Harriot, der an der
Expedition Sir Walter Raleighs, des Entdeckers von Virginien, theilnahm,
berichtet, daß die dortigen Indianer den Tabak als eine Gabe des Großen
Geistes ehrten und ihn aus "Thonpfeifen rauchten, was ihnen Kopf und
Magen von Schleim und groben Feuchtigkeiten reinigte, alle Poren und Gänge'
des Körpers öffnete und so denselben vor Verstopfungen bewahrte, so daß
sie viele schlimme Krankheiten nicht kannten, mit denen wir in England ge¬
plagt sind." Sie glaubten ferner, "daß ihre Götter den Uppowok sehr
liebten, weshalb sie Opferfeuer anzündeten, auf die sie Pulver davon streuten."
Ueberfiel sie ein Sturm auf dem Wasser, so warfen sie Tabak in den be¬
treffenden Strom oder See, bauten sie ein Wehr zum Fischfang, so weihten
sie es durch ein ähnliches Opfer, und waren sie einer Gefahr entgangen,
ließen sie Tabak in die Luft fliegen. "Alles das aber wurde mit seltsamen
Geberden, Aufstampfen, Tanzen, Händeklatschen, Emporstrecken der Arme und
Hinaufstarren gen Himmel begleitet, wozu sie sonderbare Worte plapperten
und allerlei Geräusch machten." Ferner hat man neuerdings in indianischen
Grabhügeln des Mississippithales, deren hohes Alter durch vielhundertjährige
Bäume, die auf ihnen wuchsen, bezeugt wurde, eine Menge von kunstvoll
aus Stein gearbeiteten Pfeifenköpfen gefunden, welche menschliche Häupter
und Figuren von Thieren der dortigen Gegenden, aber auch südlicher gelegener
Landstriche darstellen. Wohlbekannt ist endlich die Kriegs- und die Friedens¬
pfeife der noch jetzt existirenden Rothhäute, dieses unvermeidlich nothwendige
Zubehör zu allen ihren diplomatischen Verhandlungen.


damals schon bekannt. In dem Bericht über die zweite Fahrt, die Columbus
1494 nach Amerika unternahm, erzählt dessen Verfasser, der Mönch Roman
Pane, daß die Wilden das Kraut, welches er Kogiaba nennt, zu Staub zer¬
rieben und durch ein Rohr von einer halben Elle Länge, das in die Nase
gesteckt wurde, einathmeten, „was sie sehr reinigte." In Brasilien, wo die
Pflanze Petun hieß, wurden ihre Blätter, wie uns De Bry in seiner 1590
erschienenen „Ilistoria, Lrasiliana," berichtet, von den Eingebornen aus Pfeifen
geraucht, die nach der Beschreibung und Abbildung, welche dieses Buch giebt,
in fast allen Stücken dem türkischen Tschibbuk glichen und ebenso wie dieser
gebraucht wurden. Francisco Lopez de Gomara, der Cortez 1519 während
des Eroberungsfeldzugs in Mexiko «is Kaplan begleitete, spricht von dem
Tabakrauchen als einer dort allgemein verbreiteten Sitte, und Bernal Diaz
erzählt, daß der Großkönig Montezuma, nachdem er gespeist, eine Pfeife
rauchte, die ihm von der vornehmsten Dame seines Hofes mit großer Feier»
lichkeit gebracht wurde.

Endlich scheint der Gebrauch des Tabaks auch im Norden der trans¬
atlantischen Welt in sehr alte Zeiten zurückzureichen. Harriot, der an der
Expedition Sir Walter Raleighs, des Entdeckers von Virginien, theilnahm,
berichtet, daß die dortigen Indianer den Tabak als eine Gabe des Großen
Geistes ehrten und ihn aus „Thonpfeifen rauchten, was ihnen Kopf und
Magen von Schleim und groben Feuchtigkeiten reinigte, alle Poren und Gänge'
des Körpers öffnete und so denselben vor Verstopfungen bewahrte, so daß
sie viele schlimme Krankheiten nicht kannten, mit denen wir in England ge¬
plagt sind." Sie glaubten ferner, «daß ihre Götter den Uppowok sehr
liebten, weshalb sie Opferfeuer anzündeten, auf die sie Pulver davon streuten."
Ueberfiel sie ein Sturm auf dem Wasser, so warfen sie Tabak in den be¬
treffenden Strom oder See, bauten sie ein Wehr zum Fischfang, so weihten
sie es durch ein ähnliches Opfer, und waren sie einer Gefahr entgangen,
ließen sie Tabak in die Luft fliegen. „Alles das aber wurde mit seltsamen
Geberden, Aufstampfen, Tanzen, Händeklatschen, Emporstrecken der Arme und
Hinaufstarren gen Himmel begleitet, wozu sie sonderbare Worte plapperten
und allerlei Geräusch machten." Ferner hat man neuerdings in indianischen
Grabhügeln des Mississippithales, deren hohes Alter durch vielhundertjährige
Bäume, die auf ihnen wuchsen, bezeugt wurde, eine Menge von kunstvoll
aus Stein gearbeiteten Pfeifenköpfen gefunden, welche menschliche Häupter
und Figuren von Thieren der dortigen Gegenden, aber auch südlicher gelegener
Landstriche darstellen. Wohlbekannt ist endlich die Kriegs- und die Friedens¬
pfeife der noch jetzt existirenden Rothhäute, dieses unvermeidlich nothwendige
Zubehör zu allen ihren diplomatischen Verhandlungen.


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[0326] damals schon bekannt. In dem Bericht über die zweite Fahrt, die Columbus 1494 nach Amerika unternahm, erzählt dessen Verfasser, der Mönch Roman Pane, daß die Wilden das Kraut, welches er Kogiaba nennt, zu Staub zer¬ rieben und durch ein Rohr von einer halben Elle Länge, das in die Nase gesteckt wurde, einathmeten, „was sie sehr reinigte." In Brasilien, wo die Pflanze Petun hieß, wurden ihre Blätter, wie uns De Bry in seiner 1590 erschienenen „Ilistoria, Lrasiliana," berichtet, von den Eingebornen aus Pfeifen geraucht, die nach der Beschreibung und Abbildung, welche dieses Buch giebt, in fast allen Stücken dem türkischen Tschibbuk glichen und ebenso wie dieser gebraucht wurden. Francisco Lopez de Gomara, der Cortez 1519 während des Eroberungsfeldzugs in Mexiko «is Kaplan begleitete, spricht von dem Tabakrauchen als einer dort allgemein verbreiteten Sitte, und Bernal Diaz erzählt, daß der Großkönig Montezuma, nachdem er gespeist, eine Pfeife rauchte, die ihm von der vornehmsten Dame seines Hofes mit großer Feier» lichkeit gebracht wurde. Endlich scheint der Gebrauch des Tabaks auch im Norden der trans¬ atlantischen Welt in sehr alte Zeiten zurückzureichen. Harriot, der an der Expedition Sir Walter Raleighs, des Entdeckers von Virginien, theilnahm, berichtet, daß die dortigen Indianer den Tabak als eine Gabe des Großen Geistes ehrten und ihn aus „Thonpfeifen rauchten, was ihnen Kopf und Magen von Schleim und groben Feuchtigkeiten reinigte, alle Poren und Gänge' des Körpers öffnete und so denselben vor Verstopfungen bewahrte, so daß sie viele schlimme Krankheiten nicht kannten, mit denen wir in England ge¬ plagt sind." Sie glaubten ferner, «daß ihre Götter den Uppowok sehr liebten, weshalb sie Opferfeuer anzündeten, auf die sie Pulver davon streuten." Ueberfiel sie ein Sturm auf dem Wasser, so warfen sie Tabak in den be¬ treffenden Strom oder See, bauten sie ein Wehr zum Fischfang, so weihten sie es durch ein ähnliches Opfer, und waren sie einer Gefahr entgangen, ließen sie Tabak in die Luft fliegen. „Alles das aber wurde mit seltsamen Geberden, Aufstampfen, Tanzen, Händeklatschen, Emporstrecken der Arme und Hinaufstarren gen Himmel begleitet, wozu sie sonderbare Worte plapperten und allerlei Geräusch machten." Ferner hat man neuerdings in indianischen Grabhügeln des Mississippithales, deren hohes Alter durch vielhundertjährige Bäume, die auf ihnen wuchsen, bezeugt wurde, eine Menge von kunstvoll aus Stein gearbeiteten Pfeifenköpfen gefunden, welche menschliche Häupter und Figuren von Thieren der dortigen Gegenden, aber auch südlicher gelegener Landstriche darstellen. Wohlbekannt ist endlich die Kriegs- und die Friedens¬ pfeife der noch jetzt existirenden Rothhäute, dieses unvermeidlich nothwendige Zubehör zu allen ihren diplomatischen Verhandlungen.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157686/326>, abgerufen am 27.09.2024.