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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. II. Band.

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Er schien mich anzuschauen, mit der Aufforderung die Lippen nicht zu öffnen.

Andere ägyptische Götter und phantastische Thiergestalten waren rund
herum am Sockel der Wände gemalt, während die Mittelständen von großen
Landschaften eingenommen wurden, die gleichfalls an das Nilland gemähnten.
Hohe Mauern umschlossen weite mit einfarbigen Gebäuden erfüllte Plätze.
Tempel erhoben sich darin mit mächtigen Pylonen und kurzen dicken Säulen,
zwischen denen steinerne sitzende Figuren gebildet waren. Reihen von Sphinxen
führten zu den Eingängen der Tempel und hundsköpfige Götter bewachten
die Pforten. Palmen und Schilfrohr spiegelten sich in Gewässern, in denen
hochbeinige Vögel herumwateten.

Ein heiserer Laut ließ mich nach der Mitte des Atriums schauen, und
überrascht erblickte ich einen dieser Vögel mit schwarzem Gefieder und rothen
Beinen, der in dem marmornen Wasserbassin stand und aufmerksam um sich
schaute. Breitblättrige Wasserpflanzen mit weißen schwimmenden Blumen
umgaben dasselbe und verdeckten fast den Wasserspiegel, in dem es unsichtbar
rauschte und sprudelte. Vier hohe Säulen von schwarzem glänzendem Stein
standen an den vier Ecken des Jmpluviums, trugen auf glockenförmigen
Kapitalen das marmorne Dach und schienen sich in den dunkeln Sternen¬
himmel hinauf fortzupflanzen. Am oberen Ende des Bassins stand ein
Marmortisch, von geflügelten Sphinxen mit Jungfrauenköpfen und Löwen¬
füßen getragen, und auf demselben ein vergoldetes Bild des Serapis, von
Vasen mit Lotosblumen umgeben.

Die Gemächer, welche auf beiden Seiten des Atriums lagen, waren
durch schwere Vorhänge, in die Blumen und Thiere zwischen mäandrischen
Windungen eingestickt waren, geschlossen. Nur das letzte Zimmer auf jeder
Seite war offen, und hier waren Wände, Decke und Fußboden wiederum mit
Malereien in ägyptischer Weise geschmückt. Im Boden des einen Zimmers
war der Nil gebildet mit schwimmenden Blumen, Wasservögeln, Jchneumonen
und Krokodilen, gegen welche braune Männer mit Speeren einen Kampf be¬
standen; im andern zeigte sich eine Stadt des Nillandes mit niedrigen
Häusern, hohen Tempeln und Pyramiden, Altären und Götterbildern. An
den Wänden sah man Opferscenen im Innern der Tempel, Kämpfe ägyptischer
Krieger gegen schwarzfarbige Feinde, Könige in der Anbetung des heiligen
Stieres Apis und die geheimntßvollen Herrscher der Unterwelt auf ihren
Richterstühlen. -- Doch enthielt das eine dieser Gemächer auch einen Schmuck
von ganz anderem Charakter. Im Hintergrunde befand sich ein Schrank
von dunkelm Holze, dessen Thüren weit offen standen, und in welchem mehrere
Reihen von Porträtmahlen aufgestellt waren. Dieselben waren aus Wachs
gefertigt, zeigten sämmtlich die strengen ausdrucksvollen an das catonische
Römerthum erinnernden Züge, welche ich schon an einigen Marmorstatuen


Er schien mich anzuschauen, mit der Aufforderung die Lippen nicht zu öffnen.

Andere ägyptische Götter und phantastische Thiergestalten waren rund
herum am Sockel der Wände gemalt, während die Mittelständen von großen
Landschaften eingenommen wurden, die gleichfalls an das Nilland gemähnten.
Hohe Mauern umschlossen weite mit einfarbigen Gebäuden erfüllte Plätze.
Tempel erhoben sich darin mit mächtigen Pylonen und kurzen dicken Säulen,
zwischen denen steinerne sitzende Figuren gebildet waren. Reihen von Sphinxen
führten zu den Eingängen der Tempel und hundsköpfige Götter bewachten
die Pforten. Palmen und Schilfrohr spiegelten sich in Gewässern, in denen
hochbeinige Vögel herumwateten.

Ein heiserer Laut ließ mich nach der Mitte des Atriums schauen, und
überrascht erblickte ich einen dieser Vögel mit schwarzem Gefieder und rothen
Beinen, der in dem marmornen Wasserbassin stand und aufmerksam um sich
schaute. Breitblättrige Wasserpflanzen mit weißen schwimmenden Blumen
umgaben dasselbe und verdeckten fast den Wasserspiegel, in dem es unsichtbar
rauschte und sprudelte. Vier hohe Säulen von schwarzem glänzendem Stein
standen an den vier Ecken des Jmpluviums, trugen auf glockenförmigen
Kapitalen das marmorne Dach und schienen sich in den dunkeln Sternen¬
himmel hinauf fortzupflanzen. Am oberen Ende des Bassins stand ein
Marmortisch, von geflügelten Sphinxen mit Jungfrauenköpfen und Löwen¬
füßen getragen, und auf demselben ein vergoldetes Bild des Serapis, von
Vasen mit Lotosblumen umgeben.

Die Gemächer, welche auf beiden Seiten des Atriums lagen, waren
durch schwere Vorhänge, in die Blumen und Thiere zwischen mäandrischen
Windungen eingestickt waren, geschlossen. Nur das letzte Zimmer auf jeder
Seite war offen, und hier waren Wände, Decke und Fußboden wiederum mit
Malereien in ägyptischer Weise geschmückt. Im Boden des einen Zimmers
war der Nil gebildet mit schwimmenden Blumen, Wasservögeln, Jchneumonen
und Krokodilen, gegen welche braune Männer mit Speeren einen Kampf be¬
standen; im andern zeigte sich eine Stadt des Nillandes mit niedrigen
Häusern, hohen Tempeln und Pyramiden, Altären und Götterbildern. An
den Wänden sah man Opferscenen im Innern der Tempel, Kämpfe ägyptischer
Krieger gegen schwarzfarbige Feinde, Könige in der Anbetung des heiligen
Stieres Apis und die geheimntßvollen Herrscher der Unterwelt auf ihren
Richterstühlen. — Doch enthielt das eine dieser Gemächer auch einen Schmuck
von ganz anderem Charakter. Im Hintergrunde befand sich ein Schrank
von dunkelm Holze, dessen Thüren weit offen standen, und in welchem mehrere
Reihen von Porträtmahlen aufgestellt waren. Dieselben waren aus Wachs
gefertigt, zeigten sämmtlich die strengen ausdrucksvollen an das catonische
Römerthum erinnernden Züge, welche ich schon an einigen Marmorstatuen


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[0307] Er schien mich anzuschauen, mit der Aufforderung die Lippen nicht zu öffnen. Andere ägyptische Götter und phantastische Thiergestalten waren rund herum am Sockel der Wände gemalt, während die Mittelständen von großen Landschaften eingenommen wurden, die gleichfalls an das Nilland gemähnten. Hohe Mauern umschlossen weite mit einfarbigen Gebäuden erfüllte Plätze. Tempel erhoben sich darin mit mächtigen Pylonen und kurzen dicken Säulen, zwischen denen steinerne sitzende Figuren gebildet waren. Reihen von Sphinxen führten zu den Eingängen der Tempel und hundsköpfige Götter bewachten die Pforten. Palmen und Schilfrohr spiegelten sich in Gewässern, in denen hochbeinige Vögel herumwateten. Ein heiserer Laut ließ mich nach der Mitte des Atriums schauen, und überrascht erblickte ich einen dieser Vögel mit schwarzem Gefieder und rothen Beinen, der in dem marmornen Wasserbassin stand und aufmerksam um sich schaute. Breitblättrige Wasserpflanzen mit weißen schwimmenden Blumen umgaben dasselbe und verdeckten fast den Wasserspiegel, in dem es unsichtbar rauschte und sprudelte. Vier hohe Säulen von schwarzem glänzendem Stein standen an den vier Ecken des Jmpluviums, trugen auf glockenförmigen Kapitalen das marmorne Dach und schienen sich in den dunkeln Sternen¬ himmel hinauf fortzupflanzen. Am oberen Ende des Bassins stand ein Marmortisch, von geflügelten Sphinxen mit Jungfrauenköpfen und Löwen¬ füßen getragen, und auf demselben ein vergoldetes Bild des Serapis, von Vasen mit Lotosblumen umgeben. Die Gemächer, welche auf beiden Seiten des Atriums lagen, waren durch schwere Vorhänge, in die Blumen und Thiere zwischen mäandrischen Windungen eingestickt waren, geschlossen. Nur das letzte Zimmer auf jeder Seite war offen, und hier waren Wände, Decke und Fußboden wiederum mit Malereien in ägyptischer Weise geschmückt. Im Boden des einen Zimmers war der Nil gebildet mit schwimmenden Blumen, Wasservögeln, Jchneumonen und Krokodilen, gegen welche braune Männer mit Speeren einen Kampf be¬ standen; im andern zeigte sich eine Stadt des Nillandes mit niedrigen Häusern, hohen Tempeln und Pyramiden, Altären und Götterbildern. An den Wänden sah man Opferscenen im Innern der Tempel, Kämpfe ägyptischer Krieger gegen schwarzfarbige Feinde, Könige in der Anbetung des heiligen Stieres Apis und die geheimntßvollen Herrscher der Unterwelt auf ihren Richterstühlen. — Doch enthielt das eine dieser Gemächer auch einen Schmuck von ganz anderem Charakter. Im Hintergrunde befand sich ein Schrank von dunkelm Holze, dessen Thüren weit offen standen, und in welchem mehrere Reihen von Porträtmahlen aufgestellt waren. Dieselben waren aus Wachs gefertigt, zeigten sämmtlich die strengen ausdrucksvollen an das catonische Römerthum erinnernden Züge, welche ich schon an einigen Marmorstatuen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157686/307>, abgerufen am 27.09.2024.