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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. II. Band.

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Stätte gebunden ist. Ha, das wandernde Künstlervolk wird sich heute über
den Prokonsul Clodius lustig machen!"

Während dieses Gespräches hatte Mnesias seine Statuette auf dem
niedrigen schön geformten Piedestal vollends befestigt und bereitete jetzt breite
Streifen Bastes, um die Figur darin einzuhüllen, während sein Gefährte be¬
gann, die Lichter in der Werkstätte zu löschen.

Nur noch einen flüchtigen Blick konnte ich deshalb auf die zahlreichen
anderen Gegenstände werfen, welche dieselbe erfüllten. Im Hintergrunde
standen hohe Kandelaber mit zahlreichen Armen, deren jeder in anderer
Weise verziert war, ohne daß doch die Harmonie gestört wurde; schöne Drei¬
süße mit allerlei Thierbildern ausgeziert, und bronzene Tische, Sessel und
Lagerpfosten, von zierlichen Ornamenten ganz bedeckt. An der einen Seite
sah man eine Reihe von getriebenen Büsten berühmter Männer, auch andere,
Kelche Porträts von Lebenden zu sein schienen. Darüber hingen an der
Wand die zierlich gearbeiteten kleinen Oellampen-von der gleichen Form, wie
die mehr üblichen thönernen, aber jede in anderer Art mit Geschmack und
künstlerischem Sinne ausgeschmückt, wenn mein schneller Blick sich nicht
buschte. Derselbe künstlerische Geschmack ward auch an den Hausgeräthen
dicht vermißt, die in großer Zahl aus der andern Seite, auf Wandbrettern,
^uf dem Boden und auch noch auf dem Verkaufstisch am Eingange sich be¬
enden. Da sah man gehenkelte Eimer, Töpfe und Schüsseln mit ciselirten
^ante, Becher, Weinkrüge und Kannen der verschiedensten aber stets an-
^uthigen Form, Trinkschalen mit erhabenen Bildern und Rankenverzierungen
Und Spiegel mit eingravirten Zeichnungen. Selbst Beschläge für Thüren,
Lagergestelle und Truhen; Kochmaschinen, Löffel und Teller; große und kleine
Waagen, ärztliche Instrumente, Spielwürfel, Thürgriffe, Schlösser u. s. w.
Alles war mit sinniger Anwendung schöner Formen und Ornamente zu
Kunstwerken gemacht worden. Wohl haben die Künstler Recht, -- dachte
^ bet mir -- wenn sie auf die Kunst Pompeji's stolz sind, denn sie hat es
Erstanden, an den kleinen Gegenständen des täglichen Gebrauches alle die
^sum Elemente der hellenischen Kunst in den bescheidensten Haushalt
Anzuführen.

Das letzte Licht verlosch in der Werkstätte; die beiden jungen Männer
traten auf die Straße und wendeten sich der Richtung zu, aus der ich her¬
kommen war. Noch kurze Zeit vernahm ich ihr lebhaftes Gespräch; dann
^ar Alles wieder still um mich, so daß ich schneller weiter eilte, um wieder
wichen des Lebens zu begegnen.

Aber bald ward mein Schritt von Neuem gehemmt, und zwar durch
eine Scene, die in der Schweigsamkeit, mit der sie vor sich ging, während
schon die ganze Stadt in die Ruhe des Abends versank und kein Laut


Stätte gebunden ist. Ha, das wandernde Künstlervolk wird sich heute über
den Prokonsul Clodius lustig machen!"

Während dieses Gespräches hatte Mnesias seine Statuette auf dem
niedrigen schön geformten Piedestal vollends befestigt und bereitete jetzt breite
Streifen Bastes, um die Figur darin einzuhüllen, während sein Gefährte be¬
gann, die Lichter in der Werkstätte zu löschen.

Nur noch einen flüchtigen Blick konnte ich deshalb auf die zahlreichen
anderen Gegenstände werfen, welche dieselbe erfüllten. Im Hintergrunde
standen hohe Kandelaber mit zahlreichen Armen, deren jeder in anderer
Weise verziert war, ohne daß doch die Harmonie gestört wurde; schöne Drei¬
süße mit allerlei Thierbildern ausgeziert, und bronzene Tische, Sessel und
Lagerpfosten, von zierlichen Ornamenten ganz bedeckt. An der einen Seite
sah man eine Reihe von getriebenen Büsten berühmter Männer, auch andere,
Kelche Porträts von Lebenden zu sein schienen. Darüber hingen an der
Wand die zierlich gearbeiteten kleinen Oellampen-von der gleichen Form, wie
die mehr üblichen thönernen, aber jede in anderer Art mit Geschmack und
künstlerischem Sinne ausgeschmückt, wenn mein schneller Blick sich nicht
buschte. Derselbe künstlerische Geschmack ward auch an den Hausgeräthen
dicht vermißt, die in großer Zahl aus der andern Seite, auf Wandbrettern,
^uf dem Boden und auch noch auf dem Verkaufstisch am Eingange sich be¬
enden. Da sah man gehenkelte Eimer, Töpfe und Schüsseln mit ciselirten
^ante, Becher, Weinkrüge und Kannen der verschiedensten aber stets an-
^uthigen Form, Trinkschalen mit erhabenen Bildern und Rankenverzierungen
Und Spiegel mit eingravirten Zeichnungen. Selbst Beschläge für Thüren,
Lagergestelle und Truhen; Kochmaschinen, Löffel und Teller; große und kleine
Waagen, ärztliche Instrumente, Spielwürfel, Thürgriffe, Schlösser u. s. w.
Alles war mit sinniger Anwendung schöner Formen und Ornamente zu
Kunstwerken gemacht worden. Wohl haben die Künstler Recht, — dachte
^ bet mir — wenn sie auf die Kunst Pompeji's stolz sind, denn sie hat es
Erstanden, an den kleinen Gegenständen des täglichen Gebrauches alle die
^sum Elemente der hellenischen Kunst in den bescheidensten Haushalt
Anzuführen.

Das letzte Licht verlosch in der Werkstätte; die beiden jungen Männer
traten auf die Straße und wendeten sich der Richtung zu, aus der ich her¬
kommen war. Noch kurze Zeit vernahm ich ihr lebhaftes Gespräch; dann
^ar Alles wieder still um mich, so daß ich schneller weiter eilte, um wieder
wichen des Lebens zu begegnen.

Aber bald ward mein Schritt von Neuem gehemmt, und zwar durch
eine Scene, die in der Schweigsamkeit, mit der sie vor sich ging, während
schon die ganze Stadt in die Ruhe des Abends versank und kein Laut


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[0303] Stätte gebunden ist. Ha, das wandernde Künstlervolk wird sich heute über den Prokonsul Clodius lustig machen!" Während dieses Gespräches hatte Mnesias seine Statuette auf dem niedrigen schön geformten Piedestal vollends befestigt und bereitete jetzt breite Streifen Bastes, um die Figur darin einzuhüllen, während sein Gefährte be¬ gann, die Lichter in der Werkstätte zu löschen. Nur noch einen flüchtigen Blick konnte ich deshalb auf die zahlreichen anderen Gegenstände werfen, welche dieselbe erfüllten. Im Hintergrunde standen hohe Kandelaber mit zahlreichen Armen, deren jeder in anderer Weise verziert war, ohne daß doch die Harmonie gestört wurde; schöne Drei¬ süße mit allerlei Thierbildern ausgeziert, und bronzene Tische, Sessel und Lagerpfosten, von zierlichen Ornamenten ganz bedeckt. An der einen Seite sah man eine Reihe von getriebenen Büsten berühmter Männer, auch andere, Kelche Porträts von Lebenden zu sein schienen. Darüber hingen an der Wand die zierlich gearbeiteten kleinen Oellampen-von der gleichen Form, wie die mehr üblichen thönernen, aber jede in anderer Art mit Geschmack und künstlerischem Sinne ausgeschmückt, wenn mein schneller Blick sich nicht buschte. Derselbe künstlerische Geschmack ward auch an den Hausgeräthen dicht vermißt, die in großer Zahl aus der andern Seite, auf Wandbrettern, ^uf dem Boden und auch noch auf dem Verkaufstisch am Eingange sich be¬ enden. Da sah man gehenkelte Eimer, Töpfe und Schüsseln mit ciselirten ^ante, Becher, Weinkrüge und Kannen der verschiedensten aber stets an- ^uthigen Form, Trinkschalen mit erhabenen Bildern und Rankenverzierungen Und Spiegel mit eingravirten Zeichnungen. Selbst Beschläge für Thüren, Lagergestelle und Truhen; Kochmaschinen, Löffel und Teller; große und kleine Waagen, ärztliche Instrumente, Spielwürfel, Thürgriffe, Schlösser u. s. w. Alles war mit sinniger Anwendung schöner Formen und Ornamente zu Kunstwerken gemacht worden. Wohl haben die Künstler Recht, — dachte ^ bet mir — wenn sie auf die Kunst Pompeji's stolz sind, denn sie hat es Erstanden, an den kleinen Gegenständen des täglichen Gebrauches alle die ^sum Elemente der hellenischen Kunst in den bescheidensten Haushalt Anzuführen. Das letzte Licht verlosch in der Werkstätte; die beiden jungen Männer traten auf die Straße und wendeten sich der Richtung zu, aus der ich her¬ kommen war. Noch kurze Zeit vernahm ich ihr lebhaftes Gespräch; dann ^ar Alles wieder still um mich, so daß ich schneller weiter eilte, um wieder wichen des Lebens zu begegnen. Aber bald ward mein Schritt von Neuem gehemmt, und zwar durch eine Scene, die in der Schweigsamkeit, mit der sie vor sich ging, während schon die ganze Stadt in die Ruhe des Abends versank und kein Laut

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157686/303>, abgerufen am 20.10.2024.