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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. II. Band.

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der Krone herzugekrochen und warf sie auf die Schürze, worauf jene mit dem
Schatze davon lief. Als die Schlangenkönigin dieß sah, schrie sie so entsetzlich,
daß jene davon taub wurde. Die Krone aber verkaufte sie für vieles Geld.
(Wie das Vorige nach Müllenhoff.) -- Im Bremmenstein bei Iserlohn be¬
wacht (nach Kühn) ein verwünschter Graf in Schlangengestalt seine Schätze.
Alle sieben Jahre um Mittsommer kroch früher der Wurm an drei auf¬
einanderfolgenden Tagen aus dem Berge hervor, um sich in einem damals
im Osten desselben befindlichen Teiche zu baden. Er trug dann jedesmal
eine Goldkrone auf dem Haupte, die er für den glücklichen Finder zurückließ.
(Hier fehlt der Raub, aber die Schlange ist ein Mensch gewesen, und sie geht
zum Wasser wie in der Fafnirssage.) -- Ein Bauer aus dem schwäbischen
Dorfe Derendingen hatte in der Steinlach eine Schlange gesehen, die, bevor
sie in's Wasser stieg, die goldne Krone, die sie trug, am Ufer ablegte. Da
gelüstete es ihn nach der Krone, und eines Tages ritt er hin, stahl sie und
jagte davon. Die Schlange merkte den Raub und schoß hinter ihm her.
Der Bauer aber wich ihr bald rechts, bald links aus und gelangte auf diese
Weise glücklich vor seine Scheune, deren Thor er vorher hatte ausmachen
lassen. Rasch ritt er hinein, die Schlange aber, die ihm auf den Fersen
folgte, wurde von der Thür zerquetscht, die der Knecht dicht hinter seinem
Herrn zuschlug.

Zusammengesetzter erscheint dieselbe Sage im Meißnischen, wo man sie
folgendermaßen erzählt. Es war einmal ein Bauernbursche, der hatte ge¬
sehen, daß in dem Flusse bei seinem Dorfe eine Schlange mit einer Krone
badete. Er wußte, daß es die Schlangenkönigin und daß die Krone
vom reinsten Jungferngolde war, und er wußte auch, wie er sie kriegen
konnte. Er nahm ein rothes Tuch und einen Spiegel, setzte sich damit auf
ein Pferd und ritt an die Badestelle, wo er das Tuch auf den Boden breitete
und den Spiegel daraus stellte. Es dauerte nicht lange, so kam die Schlange,
sah das Tuch, kroch darauf zu, blickte in den Spiegel und legte die Krone da¬
rauf ab. Dann ging sie in's Wasser. Der Bauernbursch aber raffte Tuch
und Krone auf und ritt, so schnell er konnte, davon. Als die Schlange den
Diebstahl gewahr wurde, stieß sie einen Pfiff aus, und sogleich sammelte sich
um sie ein Heer von Schlangen, unter welchen auch fliegende waren, und
mit denen sie dem Reiter nachsetzte. Schon hatten sie ihn fast eingeholt, da
warf er seine Mütze ab. in die sich die Schlangen nun verbissen, bis sie sie ganz
Zerrissen hatten. Dann schössen und flogen sie ihm wieder nach, und zum
zweiten Male hatten sie ihn beinahe erreicht, als er seinen Mantel fallen
ließ, über den die Schlangen dann wieder herfielen, während der Bauernbursche
so rasch sein Pferd lausen wollte, weiter ritt. Noch einmal waren sie dann
dicht hinter ihm, und jetzt wickelte er die Krone aus dem Tuche und warf


der Krone herzugekrochen und warf sie auf die Schürze, worauf jene mit dem
Schatze davon lief. Als die Schlangenkönigin dieß sah, schrie sie so entsetzlich,
daß jene davon taub wurde. Die Krone aber verkaufte sie für vieles Geld.
(Wie das Vorige nach Müllenhoff.) — Im Bremmenstein bei Iserlohn be¬
wacht (nach Kühn) ein verwünschter Graf in Schlangengestalt seine Schätze.
Alle sieben Jahre um Mittsommer kroch früher der Wurm an drei auf¬
einanderfolgenden Tagen aus dem Berge hervor, um sich in einem damals
im Osten desselben befindlichen Teiche zu baden. Er trug dann jedesmal
eine Goldkrone auf dem Haupte, die er für den glücklichen Finder zurückließ.
(Hier fehlt der Raub, aber die Schlange ist ein Mensch gewesen, und sie geht
zum Wasser wie in der Fafnirssage.) — Ein Bauer aus dem schwäbischen
Dorfe Derendingen hatte in der Steinlach eine Schlange gesehen, die, bevor
sie in's Wasser stieg, die goldne Krone, die sie trug, am Ufer ablegte. Da
gelüstete es ihn nach der Krone, und eines Tages ritt er hin, stahl sie und
jagte davon. Die Schlange merkte den Raub und schoß hinter ihm her.
Der Bauer aber wich ihr bald rechts, bald links aus und gelangte auf diese
Weise glücklich vor seine Scheune, deren Thor er vorher hatte ausmachen
lassen. Rasch ritt er hinein, die Schlange aber, die ihm auf den Fersen
folgte, wurde von der Thür zerquetscht, die der Knecht dicht hinter seinem
Herrn zuschlug.

Zusammengesetzter erscheint dieselbe Sage im Meißnischen, wo man sie
folgendermaßen erzählt. Es war einmal ein Bauernbursche, der hatte ge¬
sehen, daß in dem Flusse bei seinem Dorfe eine Schlange mit einer Krone
badete. Er wußte, daß es die Schlangenkönigin und daß die Krone
vom reinsten Jungferngolde war, und er wußte auch, wie er sie kriegen
konnte. Er nahm ein rothes Tuch und einen Spiegel, setzte sich damit auf
ein Pferd und ritt an die Badestelle, wo er das Tuch auf den Boden breitete
und den Spiegel daraus stellte. Es dauerte nicht lange, so kam die Schlange,
sah das Tuch, kroch darauf zu, blickte in den Spiegel und legte die Krone da¬
rauf ab. Dann ging sie in's Wasser. Der Bauernbursch aber raffte Tuch
und Krone auf und ritt, so schnell er konnte, davon. Als die Schlange den
Diebstahl gewahr wurde, stieß sie einen Pfiff aus, und sogleich sammelte sich
um sie ein Heer von Schlangen, unter welchen auch fliegende waren, und
mit denen sie dem Reiter nachsetzte. Schon hatten sie ihn fast eingeholt, da
warf er seine Mütze ab. in die sich die Schlangen nun verbissen, bis sie sie ganz
Zerrissen hatten. Dann schössen und flogen sie ihm wieder nach, und zum
zweiten Male hatten sie ihn beinahe erreicht, als er seinen Mantel fallen
ließ, über den die Schlangen dann wieder herfielen, während der Bauernbursche
so rasch sein Pferd lausen wollte, weiter ritt. Noch einmal waren sie dann
dicht hinter ihm, und jetzt wickelte er die Krone aus dem Tuche und warf


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157686/291>, abgerufen am 27.09.2024.