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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. II. Band.

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Paul Blankenfeld aber, weit davon entfernt dem Mandate zu gehorchen,
sendete der Stadt Lübeck einen offenen Fehdebrief, in welchem er den Lübeckern
erklärt: er wolle ihnen mit allen seinen Helfershelfern, und mit derselben Helfern
und Helfershelfern ein öffentlich abgesagter Feind sein, und ob er ihnen
Schaden zufügen würde mit Mord, Nahme, Raub und Brand oder in irgend
einer anderen Weise, so wolle er seine und seiner Helfershelfer Ehre durch
diesen Fehdebrief bewahren.

Dieser Fehdebrief veranlaßte die Stadt Lübeck zu einer neuen Klage.
Es erging auch eine neue Forderung an Blanckenburg. Der Kammerbote
fand aber den Verklagten nicht anwesend. Er verkündigte deshalb der Haus¬
frau desselben -die Ladung.

Blankenfeld hat sich aber niemals vor dem Reichskammergericht vernehmen
lassen. Nur seine Ehefrau bat, den Rechtsweg so lange einzustellen, bis die
Ladung ihrem Ehemanne verkündigt sei. Wieder ist auf beide Klagen gar
keine Entscheidung des Reichskammergerichtes ergangen. Zwar klagte der An¬
walt der Stadt Lübeck den Verklagten des Ungehorsams an. Er wurde auch
für ungehorsam erklärt, aber eine Folge des Ungehorsams ist niemals aus¬
gesprochen. So blieb die Sache liegen!

3) Im Jahre 1533 hatte das Reichskammergericht einen Executorialbrief
auf Zahlung von 30 si. gegen Dietrich Blome erlassen. Der Kammerge¬
richtsbote war mit dem Zahlungsbefehle von Hamburg zu Pferde bis zum
Rittersitze des Blome gekommen, und ließ sich bei ihm anmelden. Darauf
kam ein Diener heraus und fragte: Was bringst Du für gute Zeitung? Als
aber der Bote sein Vorhaben kurz erklärt, rief der Diener: Das muß Dich
Mutter Gottes schänden, Du Bösewicht, Du mußt sterben. Zugleich brachen
vier Diener mit Spießen schreiend hervor, und schlugen den Boten mit den
Spießen so auf den Kopf, daß er nur noch im Sattel hing. Sie liefen
ihm nach, als er floh, und jagten ihm nach seinem Berichte einen solchen
Schreck ein, daß er "vor großer Dummelheit den Brief dort nicht von sich
werfen konnte".

Das Reichskammergericht that jedoch nichts, um diese Mißhandlung seines
Boten zu rügen. Es verfügte nur: Weil kein freier Zugang zu dem Junker
Blome sei, möge der Exekutorialbrief in Lübeck, Adelslohe und Itzehoe öffent¬
lich angeschlagen werden.

4) Ein besonders schauerliches Bild von den Sitten und der Rechts¬
pflege jener Zeit giebt der im Jahr 1844 angestellte Proceß der 48 Regen¬
ten des Landes Dithmarschen wider Wiebe Peters.

Wiebe Peters, in Dithmarschen wohnhaft, wurde daselbst zur Zahlung
von 40 si. in allen 3 Instanzen verurtheilt. Unvermögend die Zahlung zu
leisten, verließ er Weib und Kind, und begab sich in das Stift Bremen.


Paul Blankenfeld aber, weit davon entfernt dem Mandate zu gehorchen,
sendete der Stadt Lübeck einen offenen Fehdebrief, in welchem er den Lübeckern
erklärt: er wolle ihnen mit allen seinen Helfershelfern, und mit derselben Helfern
und Helfershelfern ein öffentlich abgesagter Feind sein, und ob er ihnen
Schaden zufügen würde mit Mord, Nahme, Raub und Brand oder in irgend
einer anderen Weise, so wolle er seine und seiner Helfershelfer Ehre durch
diesen Fehdebrief bewahren.

Dieser Fehdebrief veranlaßte die Stadt Lübeck zu einer neuen Klage.
Es erging auch eine neue Forderung an Blanckenburg. Der Kammerbote
fand aber den Verklagten nicht anwesend. Er verkündigte deshalb der Haus¬
frau desselben -die Ladung.

Blankenfeld hat sich aber niemals vor dem Reichskammergericht vernehmen
lassen. Nur seine Ehefrau bat, den Rechtsweg so lange einzustellen, bis die
Ladung ihrem Ehemanne verkündigt sei. Wieder ist auf beide Klagen gar
keine Entscheidung des Reichskammergerichtes ergangen. Zwar klagte der An¬
walt der Stadt Lübeck den Verklagten des Ungehorsams an. Er wurde auch
für ungehorsam erklärt, aber eine Folge des Ungehorsams ist niemals aus¬
gesprochen. So blieb die Sache liegen!

3) Im Jahre 1533 hatte das Reichskammergericht einen Executorialbrief
auf Zahlung von 30 si. gegen Dietrich Blome erlassen. Der Kammerge¬
richtsbote war mit dem Zahlungsbefehle von Hamburg zu Pferde bis zum
Rittersitze des Blome gekommen, und ließ sich bei ihm anmelden. Darauf
kam ein Diener heraus und fragte: Was bringst Du für gute Zeitung? Als
aber der Bote sein Vorhaben kurz erklärt, rief der Diener: Das muß Dich
Mutter Gottes schänden, Du Bösewicht, Du mußt sterben. Zugleich brachen
vier Diener mit Spießen schreiend hervor, und schlugen den Boten mit den
Spießen so auf den Kopf, daß er nur noch im Sattel hing. Sie liefen
ihm nach, als er floh, und jagten ihm nach seinem Berichte einen solchen
Schreck ein, daß er „vor großer Dummelheit den Brief dort nicht von sich
werfen konnte".

Das Reichskammergericht that jedoch nichts, um diese Mißhandlung seines
Boten zu rügen. Es verfügte nur: Weil kein freier Zugang zu dem Junker
Blome sei, möge der Exekutorialbrief in Lübeck, Adelslohe und Itzehoe öffent¬
lich angeschlagen werden.

4) Ein besonders schauerliches Bild von den Sitten und der Rechts¬
pflege jener Zeit giebt der im Jahr 1844 angestellte Proceß der 48 Regen¬
ten des Landes Dithmarschen wider Wiebe Peters.

Wiebe Peters, in Dithmarschen wohnhaft, wurde daselbst zur Zahlung
von 40 si. in allen 3 Instanzen verurtheilt. Unvermögend die Zahlung zu
leisten, verließ er Weib und Kind, und begab sich in das Stift Bremen.


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[0250] Paul Blankenfeld aber, weit davon entfernt dem Mandate zu gehorchen, sendete der Stadt Lübeck einen offenen Fehdebrief, in welchem er den Lübeckern erklärt: er wolle ihnen mit allen seinen Helfershelfern, und mit derselben Helfern und Helfershelfern ein öffentlich abgesagter Feind sein, und ob er ihnen Schaden zufügen würde mit Mord, Nahme, Raub und Brand oder in irgend einer anderen Weise, so wolle er seine und seiner Helfershelfer Ehre durch diesen Fehdebrief bewahren. Dieser Fehdebrief veranlaßte die Stadt Lübeck zu einer neuen Klage. Es erging auch eine neue Forderung an Blanckenburg. Der Kammerbote fand aber den Verklagten nicht anwesend. Er verkündigte deshalb der Haus¬ frau desselben -die Ladung. Blankenfeld hat sich aber niemals vor dem Reichskammergericht vernehmen lassen. Nur seine Ehefrau bat, den Rechtsweg so lange einzustellen, bis die Ladung ihrem Ehemanne verkündigt sei. Wieder ist auf beide Klagen gar keine Entscheidung des Reichskammergerichtes ergangen. Zwar klagte der An¬ walt der Stadt Lübeck den Verklagten des Ungehorsams an. Er wurde auch für ungehorsam erklärt, aber eine Folge des Ungehorsams ist niemals aus¬ gesprochen. So blieb die Sache liegen! 3) Im Jahre 1533 hatte das Reichskammergericht einen Executorialbrief auf Zahlung von 30 si. gegen Dietrich Blome erlassen. Der Kammerge¬ richtsbote war mit dem Zahlungsbefehle von Hamburg zu Pferde bis zum Rittersitze des Blome gekommen, und ließ sich bei ihm anmelden. Darauf kam ein Diener heraus und fragte: Was bringst Du für gute Zeitung? Als aber der Bote sein Vorhaben kurz erklärt, rief der Diener: Das muß Dich Mutter Gottes schänden, Du Bösewicht, Du mußt sterben. Zugleich brachen vier Diener mit Spießen schreiend hervor, und schlugen den Boten mit den Spießen so auf den Kopf, daß er nur noch im Sattel hing. Sie liefen ihm nach, als er floh, und jagten ihm nach seinem Berichte einen solchen Schreck ein, daß er „vor großer Dummelheit den Brief dort nicht von sich werfen konnte". Das Reichskammergericht that jedoch nichts, um diese Mißhandlung seines Boten zu rügen. Es verfügte nur: Weil kein freier Zugang zu dem Junker Blome sei, möge der Exekutorialbrief in Lübeck, Adelslohe und Itzehoe öffent¬ lich angeschlagen werden. 4) Ein besonders schauerliches Bild von den Sitten und der Rechts¬ pflege jener Zeit giebt der im Jahr 1844 angestellte Proceß der 48 Regen¬ ten des Landes Dithmarschen wider Wiebe Peters. Wiebe Peters, in Dithmarschen wohnhaft, wurde daselbst zur Zahlung von 40 si. in allen 3 Instanzen verurtheilt. Unvermögend die Zahlung zu leisten, verließ er Weib und Kind, und begab sich in das Stift Bremen.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157686/250>, abgerufen am 27.09.2024.