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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. II. Band.

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eine Kiste mit Goldmünzen finden. Der Eine ist der Indianische Joe, der
bei jener Gerichtsverhandlung entsprungen ist. Die Knaben sind glücklich,
als sie in ihrem Versteck sehen, wie derselbe beide Schätze hier einscharren
will. Todesschrecken aber ergreift Tom, als der Räuber die Hacke und
Schaufel bemerkt, welche die Knaben im Parterre des Hauses in der Eile
zurückgelassen haben. Zwar wird das Vorhaben Joe's, hinaufzusteigen und
nach den Besitzern jener Werkzeuge zu suchen, durch Zusammenbrechen der
Morschen Treppen unter seiner Last vereitelt. Aber auch der Schatz ver¬
schwindet jetzt. Die Räuber nehmen ihn mit, und die Knaben wissen nur,
daß Joe ihn "in Nummer Zwei" niederlegen will. Darauf hin suchen sie
ihn später in einem mit Nummer Zwei bezeichneten Zimmer des einen Gast¬
hauses der Stadt, finden aber zunächst nur Joe, der hier betrunken am Boden
liegt. Sie stellen dann dieser Nummer Zwei weiter nach, und Huckleberry
Finn, der in der Nacht vor dem Hause Wache hält, sieht eines Abends den
Indianischen Joe und den Andern heraustreten, wobei jener ein Bündel
unter dem Arm trägt, welches der Knabe für den Schatz hält. Er folgt
den Beiden deshalb. Sie gehen auf einen Hügel, wo fern von den übrigen
Häusern der Stadt die reiche Wittwe Douglas ihre Villa hat. Dieselbe hat
noch Licht, und die Räuber machen Halt, wo Huckleberry ein Gespräch der¬
selben anhört, aus dem sich ergiebt, daß der Indianische Joe, bevor er mit
dem Schatze nach Texas geht, hier noch eine Rachethat auszuführen gedenkr.
Der verstorbene Mann der Wittwe hat ihn einmal schlecht behandelt, dafür
will Joe nach Jndianerart ihr jetzt Nase und Ohren abschneiden. Das
Bündel enthält aber nicht den Schatz, sondern Einbrecherwerkzeuge. Entsetzt
entflieht der Knabe und rettet die Wittwe, indem er den nächsten Nach¬
bar mit dessen Söhnen herbeiholt. Der Indianische Joe entkommt zum
Zweiten Mal.

Inzwischen hat Tom mit Becky und einer Anzahl anderer junger Leute
einen Ausflug nach einer großen und vielverzweigten Höhle am Mississippi,
einige Meilen von der Stadt gemacht. Man hat die Gänge der Höhle durch¬
streift und sich dabei sehr vergnügt. Ermüdet kehrt die Gesellschaft am
Abend nach dem Dampfer, der sie hergebracht hat, und auf diesem nach dem
Städtchen zurück, ohne zu bemerken, daß Tom und Becky fehlen. Erst am
andern Tage vermissen sie ihre Angehörigen, man nimmt an, daß sie sich in
der Höhle verirrt, und trifft Anstalten, sie zu suchen. Dieselben haben keinen
Erfolg. Tage vergehen, keine Spur von den Kindern ist aufgefunden worden,
und schon hält man sie für verhungert, als sie wieder erscheinen. Sie haben sich
wirklich in der Höhle verirrt -- die Beschreibung ihrer Wanderung, ihrer
Angst, ihres Verzagens ist von außerordentlicher Schönheit -- sind eine Zeit


eine Kiste mit Goldmünzen finden. Der Eine ist der Indianische Joe, der
bei jener Gerichtsverhandlung entsprungen ist. Die Knaben sind glücklich,
als sie in ihrem Versteck sehen, wie derselbe beide Schätze hier einscharren
will. Todesschrecken aber ergreift Tom, als der Räuber die Hacke und
Schaufel bemerkt, welche die Knaben im Parterre des Hauses in der Eile
zurückgelassen haben. Zwar wird das Vorhaben Joe's, hinaufzusteigen und
nach den Besitzern jener Werkzeuge zu suchen, durch Zusammenbrechen der
Morschen Treppen unter seiner Last vereitelt. Aber auch der Schatz ver¬
schwindet jetzt. Die Räuber nehmen ihn mit, und die Knaben wissen nur,
daß Joe ihn „in Nummer Zwei" niederlegen will. Darauf hin suchen sie
ihn später in einem mit Nummer Zwei bezeichneten Zimmer des einen Gast¬
hauses der Stadt, finden aber zunächst nur Joe, der hier betrunken am Boden
liegt. Sie stellen dann dieser Nummer Zwei weiter nach, und Huckleberry
Finn, der in der Nacht vor dem Hause Wache hält, sieht eines Abends den
Indianischen Joe und den Andern heraustreten, wobei jener ein Bündel
unter dem Arm trägt, welches der Knabe für den Schatz hält. Er folgt
den Beiden deshalb. Sie gehen auf einen Hügel, wo fern von den übrigen
Häusern der Stadt die reiche Wittwe Douglas ihre Villa hat. Dieselbe hat
noch Licht, und die Räuber machen Halt, wo Huckleberry ein Gespräch der¬
selben anhört, aus dem sich ergiebt, daß der Indianische Joe, bevor er mit
dem Schatze nach Texas geht, hier noch eine Rachethat auszuführen gedenkr.
Der verstorbene Mann der Wittwe hat ihn einmal schlecht behandelt, dafür
will Joe nach Jndianerart ihr jetzt Nase und Ohren abschneiden. Das
Bündel enthält aber nicht den Schatz, sondern Einbrecherwerkzeuge. Entsetzt
entflieht der Knabe und rettet die Wittwe, indem er den nächsten Nach¬
bar mit dessen Söhnen herbeiholt. Der Indianische Joe entkommt zum
Zweiten Mal.

Inzwischen hat Tom mit Becky und einer Anzahl anderer junger Leute
einen Ausflug nach einer großen und vielverzweigten Höhle am Mississippi,
einige Meilen von der Stadt gemacht. Man hat die Gänge der Höhle durch¬
streift und sich dabei sehr vergnügt. Ermüdet kehrt die Gesellschaft am
Abend nach dem Dampfer, der sie hergebracht hat, und auf diesem nach dem
Städtchen zurück, ohne zu bemerken, daß Tom und Becky fehlen. Erst am
andern Tage vermissen sie ihre Angehörigen, man nimmt an, daß sie sich in
der Höhle verirrt, und trifft Anstalten, sie zu suchen. Dieselben haben keinen
Erfolg. Tage vergehen, keine Spur von den Kindern ist aufgefunden worden,
und schon hält man sie für verhungert, als sie wieder erscheinen. Sie haben sich
wirklich in der Höhle verirrt — die Beschreibung ihrer Wanderung, ihrer
Angst, ihres Verzagens ist von außerordentlicher Schönheit — sind eine Zeit


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157686/227>, abgerufen am 27.09.2024.