Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

der Sage zufolge von der Hand Gottes als Besegelung seines Propheten-
thums zwischen die Schultern gedrückt worden war.

Bekannt ist der Aberglaube, daß ein neidisches Auge dem von ihm An¬
gesehenen schaden kann, oder daß es gewisse Menschen giebt, welche Andere
durch den ihnen angebornen bösen Blick krank oder sonstwie unglücklich zu
machen vermögen, und auch gegen solchen Zauber gab es im Alterthum wie
im Mittelalter Ringe. Auf dem einen befand sich die Inschrift: "Mögest Du
behütet sein vor dem bösen Auge." In einen andern war ein steinernes Auge
eingesetzt, das sich bewegen ließ. Wieder ein anderer zeigte die Figur eines
Rehböckchens, das aus einer Muschel herausspringt. Ganz besonders wirksam
aber waren zur Abwendung des bösen Blickes Ringe mit dem Bilde des
Basilisken, jenes drachenartigen Thieres, welches der Aberglaube aus dem
Et entstehen läßt, das der vollkommen schwarze Hahn legt, nachdem er sieben
Jahre alt geworden ist. Der Basilisk tödtet durch seinen Blick; wenn man
ihn also als Amulet gegen das böse Auge auf Ringe setzte, so war das ein
homöopathischer Aberglaube. Dryden sagt:


"Nisoliisks al'<z lito elf oooK^trivL's e^o,
Ik tus^ Los ürst, tllez-- I:1it, ik Sohn ello/ als."

Nur kurz erwähnen wir, daß silberne Ringe mit einem Feuerstein, auf
dem sich eine Taube mit einem Oelzweig im Schnabel befand, dem Träger
derselben allenthalben gastliche Aufnahme sicherten, daß goldne Ringe, in
die ein Stück Eselshuf eingelassen war, vor der Epilepsie schützten, und daß
gegen diese Krankheit noch jetzt in Ostfriesland silberne Ringe am Finger
getragen werden. In England müssen dieselben aus Silbermünzen bestehen,
welche zwölf Jungfern gesteuert haben, oder aus fünf Sixpences, die von
ebenso vielen Junggesellen durch einen Junggesellen eingesammelt und von
einem Schmied, der ebenfalls Junggesell ist, in einen Ring umgeschmiedet
worden sind. In Berkshire muß der Ring aus Stlbermünzen verfertigt sein,
die bei der Communion am Ostertage eingesammelt worden sind. In De-
vonshire bedarf es des Silbers nicht. Man macht hier den Ring aus drei
Nägeln oder Schrauben, mit denen ein Sargdeckel befestigt worden ist. Ganz
demselben Aberglauben begegnen wir in Deutschland, namentlich in Schwaben
und Hessen. Man schmiedet hier in der Mitternachtsstunde aus Nägeln ver¬
witterter Särge Ringe, die, am Finger oder auf der Brust getragen, gegen
Krampf und Gicht schützen oder diese Krankheiten heilen. Die Nägel müssen
aber nicht gesucht, sondern zufällig gefunden sein und dürfen nicht mit der
bloßen Hand aufgehoben werden, weil sonst ihre Kraft verloren geht. Man
vergleiche damit, daß nach Plinius bei den Alten Nägel, aus einem Grabe
genommen und auf die Schwelle einer Schlafkammer gelegt, in der Nacht
gegen Gespenster sichern sollten.


der Sage zufolge von der Hand Gottes als Besegelung seines Propheten-
thums zwischen die Schultern gedrückt worden war.

Bekannt ist der Aberglaube, daß ein neidisches Auge dem von ihm An¬
gesehenen schaden kann, oder daß es gewisse Menschen giebt, welche Andere
durch den ihnen angebornen bösen Blick krank oder sonstwie unglücklich zu
machen vermögen, und auch gegen solchen Zauber gab es im Alterthum wie
im Mittelalter Ringe. Auf dem einen befand sich die Inschrift: „Mögest Du
behütet sein vor dem bösen Auge." In einen andern war ein steinernes Auge
eingesetzt, das sich bewegen ließ. Wieder ein anderer zeigte die Figur eines
Rehböckchens, das aus einer Muschel herausspringt. Ganz besonders wirksam
aber waren zur Abwendung des bösen Blickes Ringe mit dem Bilde des
Basilisken, jenes drachenartigen Thieres, welches der Aberglaube aus dem
Et entstehen läßt, das der vollkommen schwarze Hahn legt, nachdem er sieben
Jahre alt geworden ist. Der Basilisk tödtet durch seinen Blick; wenn man
ihn also als Amulet gegen das böse Auge auf Ringe setzte, so war das ein
homöopathischer Aberglaube. Dryden sagt:


„Nisoliisks al'<z lito elf oooK^trivL's e^o,
Ik tus^ Los ürst, tllez-- I:1it, ik Sohn ello/ als."

Nur kurz erwähnen wir, daß silberne Ringe mit einem Feuerstein, auf
dem sich eine Taube mit einem Oelzweig im Schnabel befand, dem Träger
derselben allenthalben gastliche Aufnahme sicherten, daß goldne Ringe, in
die ein Stück Eselshuf eingelassen war, vor der Epilepsie schützten, und daß
gegen diese Krankheit noch jetzt in Ostfriesland silberne Ringe am Finger
getragen werden. In England müssen dieselben aus Silbermünzen bestehen,
welche zwölf Jungfern gesteuert haben, oder aus fünf Sixpences, die von
ebenso vielen Junggesellen durch einen Junggesellen eingesammelt und von
einem Schmied, der ebenfalls Junggesell ist, in einen Ring umgeschmiedet
worden sind. In Berkshire muß der Ring aus Stlbermünzen verfertigt sein,
die bei der Communion am Ostertage eingesammelt worden sind. In De-
vonshire bedarf es des Silbers nicht. Man macht hier den Ring aus drei
Nägeln oder Schrauben, mit denen ein Sargdeckel befestigt worden ist. Ganz
demselben Aberglauben begegnen wir in Deutschland, namentlich in Schwaben
und Hessen. Man schmiedet hier in der Mitternachtsstunde aus Nägeln ver¬
witterter Särge Ringe, die, am Finger oder auf der Brust getragen, gegen
Krampf und Gicht schützen oder diese Krankheiten heilen. Die Nägel müssen
aber nicht gesucht, sondern zufällig gefunden sein und dürfen nicht mit der
bloßen Hand aufgehoben werden, weil sonst ihre Kraft verloren geht. Man
vergleiche damit, daß nach Plinius bei den Alten Nägel, aus einem Grabe
genommen und auf die Schwelle einer Schlafkammer gelegt, in der Nacht
gegen Gespenster sichern sollten.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0217" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/136856"/>
          <p xml:id="ID_592" prev="#ID_591"> der Sage zufolge von der Hand Gottes als Besegelung seines Propheten-<lb/>
thums zwischen die Schultern gedrückt worden war.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_593"> Bekannt ist der Aberglaube, daß ein neidisches Auge dem von ihm An¬<lb/>
gesehenen schaden kann, oder daß es gewisse Menschen giebt, welche Andere<lb/>
durch den ihnen angebornen bösen Blick krank oder sonstwie unglücklich zu<lb/>
machen vermögen, und auch gegen solchen Zauber gab es im Alterthum wie<lb/>
im Mittelalter Ringe. Auf dem einen befand sich die Inschrift: &#x201E;Mögest Du<lb/>
behütet sein vor dem bösen Auge." In einen andern war ein steinernes Auge<lb/>
eingesetzt, das sich bewegen ließ. Wieder ein anderer zeigte die Figur eines<lb/>
Rehböckchens, das aus einer Muschel herausspringt. Ganz besonders wirksam<lb/>
aber waren zur Abwendung des bösen Blickes Ringe mit dem Bilde des<lb/>
Basilisken, jenes drachenartigen Thieres, welches der Aberglaube aus dem<lb/>
Et entstehen läßt, das der vollkommen schwarze Hahn legt, nachdem er sieben<lb/>
Jahre alt geworden ist. Der Basilisk tödtet durch seinen Blick; wenn man<lb/>
ihn also als Amulet gegen das böse Auge auf Ringe setzte, so war das ein<lb/>
homöopathischer Aberglaube.  Dryden sagt:</p><lb/>
          <quote> &#x201E;Nisoliisks al'&lt;z lito elf oooK^trivL's e^o,<lb/>
Ik tus^ Los ürst, tllez-- I:1it, ik Sohn ello/ als."</quote><lb/>
          <p xml:id="ID_594"> Nur kurz erwähnen wir, daß silberne Ringe mit einem Feuerstein, auf<lb/>
dem sich eine Taube mit einem Oelzweig im Schnabel befand, dem Träger<lb/>
derselben allenthalben gastliche Aufnahme sicherten, daß goldne Ringe, in<lb/>
die ein Stück Eselshuf eingelassen war, vor der Epilepsie schützten, und daß<lb/>
gegen diese Krankheit noch jetzt in Ostfriesland silberne Ringe am Finger<lb/>
getragen werden. In England müssen dieselben aus Silbermünzen bestehen,<lb/>
welche zwölf Jungfern gesteuert haben, oder aus fünf Sixpences, die von<lb/>
ebenso vielen Junggesellen durch einen Junggesellen eingesammelt und von<lb/>
einem Schmied, der ebenfalls Junggesell ist, in einen Ring umgeschmiedet<lb/>
worden sind. In Berkshire muß der Ring aus Stlbermünzen verfertigt sein,<lb/>
die bei der Communion am Ostertage eingesammelt worden sind. In De-<lb/>
vonshire bedarf es des Silbers nicht. Man macht hier den Ring aus drei<lb/>
Nägeln oder Schrauben, mit denen ein Sargdeckel befestigt worden ist. Ganz<lb/>
demselben Aberglauben begegnen wir in Deutschland, namentlich in Schwaben<lb/>
und Hessen. Man schmiedet hier in der Mitternachtsstunde aus Nägeln ver¬<lb/>
witterter Särge Ringe, die, am Finger oder auf der Brust getragen, gegen<lb/>
Krampf und Gicht schützen oder diese Krankheiten heilen. Die Nägel müssen<lb/>
aber nicht gesucht, sondern zufällig gefunden sein und dürfen nicht mit der<lb/>
bloßen Hand aufgehoben werden, weil sonst ihre Kraft verloren geht. Man<lb/>
vergleiche damit, daß nach Plinius bei den Alten Nägel, aus einem Grabe<lb/>
genommen und auf die Schwelle einer Schlafkammer gelegt, in der Nacht<lb/>
gegen Gespenster sichern sollten.</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0217] der Sage zufolge von der Hand Gottes als Besegelung seines Propheten- thums zwischen die Schultern gedrückt worden war. Bekannt ist der Aberglaube, daß ein neidisches Auge dem von ihm An¬ gesehenen schaden kann, oder daß es gewisse Menschen giebt, welche Andere durch den ihnen angebornen bösen Blick krank oder sonstwie unglücklich zu machen vermögen, und auch gegen solchen Zauber gab es im Alterthum wie im Mittelalter Ringe. Auf dem einen befand sich die Inschrift: „Mögest Du behütet sein vor dem bösen Auge." In einen andern war ein steinernes Auge eingesetzt, das sich bewegen ließ. Wieder ein anderer zeigte die Figur eines Rehböckchens, das aus einer Muschel herausspringt. Ganz besonders wirksam aber waren zur Abwendung des bösen Blickes Ringe mit dem Bilde des Basilisken, jenes drachenartigen Thieres, welches der Aberglaube aus dem Et entstehen läßt, das der vollkommen schwarze Hahn legt, nachdem er sieben Jahre alt geworden ist. Der Basilisk tödtet durch seinen Blick; wenn man ihn also als Amulet gegen das böse Auge auf Ringe setzte, so war das ein homöopathischer Aberglaube. Dryden sagt: „Nisoliisks al'<z lito elf oooK^trivL's e^o, Ik tus^ Los ürst, tllez-- I:1it, ik Sohn ello/ als." Nur kurz erwähnen wir, daß silberne Ringe mit einem Feuerstein, auf dem sich eine Taube mit einem Oelzweig im Schnabel befand, dem Träger derselben allenthalben gastliche Aufnahme sicherten, daß goldne Ringe, in die ein Stück Eselshuf eingelassen war, vor der Epilepsie schützten, und daß gegen diese Krankheit noch jetzt in Ostfriesland silberne Ringe am Finger getragen werden. In England müssen dieselben aus Silbermünzen bestehen, welche zwölf Jungfern gesteuert haben, oder aus fünf Sixpences, die von ebenso vielen Junggesellen durch einen Junggesellen eingesammelt und von einem Schmied, der ebenfalls Junggesell ist, in einen Ring umgeschmiedet worden sind. In Berkshire muß der Ring aus Stlbermünzen verfertigt sein, die bei der Communion am Ostertage eingesammelt worden sind. In De- vonshire bedarf es des Silbers nicht. Man macht hier den Ring aus drei Nägeln oder Schrauben, mit denen ein Sargdeckel befestigt worden ist. Ganz demselben Aberglauben begegnen wir in Deutschland, namentlich in Schwaben und Hessen. Man schmiedet hier in der Mitternachtsstunde aus Nägeln ver¬ witterter Särge Ringe, die, am Finger oder auf der Brust getragen, gegen Krampf und Gicht schützen oder diese Krankheiten heilen. Die Nägel müssen aber nicht gesucht, sondern zufällig gefunden sein und dürfen nicht mit der bloßen Hand aufgehoben werden, weil sonst ihre Kraft verloren geht. Man vergleiche damit, daß nach Plinius bei den Alten Nägel, aus einem Grabe genommen und auf die Schwelle einer Schlafkammer gelegt, in der Nacht gegen Gespenster sichern sollten.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157686
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157686/217
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157686/217>, abgerufen am 20.10.2024.