Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. II. Band.ist, der durch die Grenze unserer Sinnlichkeit bedingt wird, sondern auf die In Betreff des Dynamismus stimme ich daher ein in den Ruf, daß Ich sage nun weiter, daß Lazarus den Dynamismus und die Methode ist, der durch die Grenze unserer Sinnlichkeit bedingt wird, sondern auf die In Betreff des Dynamismus stimme ich daher ein in den Ruf, daß Ich sage nun weiter, daß Lazarus den Dynamismus und die Methode <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0192" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/136831"/> <p xml:id="ID_516" prev="#ID_515"> ist, der durch die Grenze unserer Sinnlichkeit bedingt wird, sondern auf die<lb/> dynamische Natur, auf die Leistungsmöglichkeit der Dinge kommt es an; und<lb/> so müssen wir mit Kant fragen: kann das, was gravitirt übergehen in das<lb/> was sich nach innerem Princip selbst zum Handeln bestimmt? Und ich sage,<lb/> Kant hat Recht, wenn er es läugnet und daher zweierlei Substanzen für<lb/> die zweierlei Arbeitsvermögen fordert.</p><lb/> <p xml:id="ID_517"> In Betreff des Dynamismus stimme ich daher ein in den Ruf, daß<lb/> Kant wieder zu erwecken sei, und die Bedeutung von Lazarus' Schrift liegt<lb/> zum Theil eben darin, daß er unbekümmert um solche mit unserer Sinnlichkeit<lb/> nie zu entscheidenden morphologischen Fragen über Gott, Seele, Atom, sich<lb/> ganz und voll auf den Boden des Dynamismus stellte. Die Natur der Seele<lb/> kennen zu lehren, folgt er ihren dynamischen Erscheinungsweisen, forscht er<lb/> nach den Formen und Bestimmtheiten ihrer Leistungsmöglichkeit. „Statt av-<lb/> stracter Darstellung (S. 91) allgemeiner psychologischer Theorien, mache ich<lb/> einzelne Richtungen des concreten geistigen Lebens zum Gegenstand der Be¬<lb/> trachtung, zerlege sie in die darin waltenden, psychischen Elemente und führe<lb/> sie auf die betreffenden Gesetze und Principien zurück." Dazu gehört denn<lb/> freilich, daß man die Induction zu Rathe zieht, daß man aus dem vollen<lb/> Leben, als der Quelle der Erfahrung, die dynamische Natur der Seele fest¬<lb/> zustellen sucht. Der Schwierigkeit dieser Methode gegenüber ist es freilich<lb/> bequemer sich in morphologischen Betrachtungen zu ergehen, welche meist auf<lb/> dem einsamen Studirschemel aus dem Inhalt der Worte zu construiren sind.<lb/> Aber das Bequeme ist nicht auch das Wahre; und die wahre Methode der<lb/> Naturwissenschaft ist jene, auf deren Boden Kant sagt: Metaphysisch läßt<lb/> sich von der Materie sagen, daß sie als anziehende Kraft zu begreifen ist,<lb/> aber das Gesetz der Anziehung muß die Induction lehren. Lazarus wird<lb/> ähnlich sagen: Metaphysisch ist die Seele als Kraft sittlicher Freiheit zu<lb/> begreifen, aber die Form, das Gesetz dieser Freiheit, hat die Induction<lb/> zu lehren.</p><lb/> <p xml:id="ID_518" next="#ID_519"> Ich sage nun weiter, daß Lazarus den Dynamismus und die Methode<lb/> Kant's deshalb so festhält, weil er auch die Scheidung festhält, welche Kant<lb/> macht, wenn er von der Vorstellung und vom Ding an sich spricht. Wir<lb/> denken nur in Vorstellungen und erkennen daher nicht das Ding an sich, von<lb/> dem wir nur durch seine Erscheinungen wissen. So sagt Kant, und ich ge¬<lb/> stehe, daß ich in diesem Punkte seine Wiedererweckung, wenn sie überhaupt<lb/> nöthig wäre, nicht wünsche. Ich behaupte eine Erkennbarkeit des Dings an<lb/> sich, denn wenn die wissenschaftliche Methode mich lehrte, daß ich die Materie<lb/> als das Gravitirende, die Seele als das Vermögen sittlicher Freiheit, Gott<lb/> als ein freithätig liebendes Wesen zu begreifen habe, so erkannte ich in dieser</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0192]
ist, der durch die Grenze unserer Sinnlichkeit bedingt wird, sondern auf die
dynamische Natur, auf die Leistungsmöglichkeit der Dinge kommt es an; und
so müssen wir mit Kant fragen: kann das, was gravitirt übergehen in das
was sich nach innerem Princip selbst zum Handeln bestimmt? Und ich sage,
Kant hat Recht, wenn er es läugnet und daher zweierlei Substanzen für
die zweierlei Arbeitsvermögen fordert.
In Betreff des Dynamismus stimme ich daher ein in den Ruf, daß
Kant wieder zu erwecken sei, und die Bedeutung von Lazarus' Schrift liegt
zum Theil eben darin, daß er unbekümmert um solche mit unserer Sinnlichkeit
nie zu entscheidenden morphologischen Fragen über Gott, Seele, Atom, sich
ganz und voll auf den Boden des Dynamismus stellte. Die Natur der Seele
kennen zu lehren, folgt er ihren dynamischen Erscheinungsweisen, forscht er
nach den Formen und Bestimmtheiten ihrer Leistungsmöglichkeit. „Statt av-
stracter Darstellung (S. 91) allgemeiner psychologischer Theorien, mache ich
einzelne Richtungen des concreten geistigen Lebens zum Gegenstand der Be¬
trachtung, zerlege sie in die darin waltenden, psychischen Elemente und führe
sie auf die betreffenden Gesetze und Principien zurück." Dazu gehört denn
freilich, daß man die Induction zu Rathe zieht, daß man aus dem vollen
Leben, als der Quelle der Erfahrung, die dynamische Natur der Seele fest¬
zustellen sucht. Der Schwierigkeit dieser Methode gegenüber ist es freilich
bequemer sich in morphologischen Betrachtungen zu ergehen, welche meist auf
dem einsamen Studirschemel aus dem Inhalt der Worte zu construiren sind.
Aber das Bequeme ist nicht auch das Wahre; und die wahre Methode der
Naturwissenschaft ist jene, auf deren Boden Kant sagt: Metaphysisch läßt
sich von der Materie sagen, daß sie als anziehende Kraft zu begreifen ist,
aber das Gesetz der Anziehung muß die Induction lehren. Lazarus wird
ähnlich sagen: Metaphysisch ist die Seele als Kraft sittlicher Freiheit zu
begreifen, aber die Form, das Gesetz dieser Freiheit, hat die Induction
zu lehren.
Ich sage nun weiter, daß Lazarus den Dynamismus und die Methode
Kant's deshalb so festhält, weil er auch die Scheidung festhält, welche Kant
macht, wenn er von der Vorstellung und vom Ding an sich spricht. Wir
denken nur in Vorstellungen und erkennen daher nicht das Ding an sich, von
dem wir nur durch seine Erscheinungen wissen. So sagt Kant, und ich ge¬
stehe, daß ich in diesem Punkte seine Wiedererweckung, wenn sie überhaupt
nöthig wäre, nicht wünsche. Ich behaupte eine Erkennbarkeit des Dings an
sich, denn wenn die wissenschaftliche Methode mich lehrte, daß ich die Materie
als das Gravitirende, die Seele als das Vermögen sittlicher Freiheit, Gott
als ein freithätig liebendes Wesen zu begreifen habe, so erkannte ich in dieser
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