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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. II. Band.

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verneigen sich nur, wenn sie den Hut nicht aussahen und zwar mehr zum
Zeichen der Zustimmung, des Dankes oder der Hochachtung und dann nur
vor Frauen und hohen Würdenträgern. In Uniform verbeugt man sich
nicht. Auf der Straße nehmen die Männer mit der rechten Hand den Hut
ab und strecken die linke aus; können sie Letzteres nicht, so machen sie eine
Viertelwendung gegen die zu grüßende Person, ziehen die Fersen zusammen und
drücken die Brust heraus. Das ist, abgesehen von der zur Stirn erhobnen
Hand, der klassische, der militärische Gruß, der Gruß bei Hofe, aber nicht die
Verbeugung, die ein französisches Neckwort als die "eourdstts" bezeichnet.
Der Unterschied zwischen beiden ist sehr groß. Bei der einen Grußart richtet
man sich gerade empor, bet der andern beugt man sich nieder.

Bei den Damen ist die Verbeugung aus der Mode gekommen, doch nur
im gewöhnlichen Leben. Von der guten Gesellschaft Frankreichs, welche die
Ueberlieferungen zu bewahren weiß und sich von vulgären Gewohnheiten
nicht erobern läßt, wird sie noch für gewisse Fälle der Begrüßung als un¬
erläßlich betrachtet, nämlich bei Hoffesten, vor großen Würdenträgern, in der
Kirche vor dem Altar, auf dem Balle bei bestimmten Figuren und wenn man
seinen Tänzer verläßt. Kurz, die Verbeugung der Damen ist der Galagruß
geblieben, es ist aber keine kurze, gezierte, tänzelnde, schalkhafte Verbeugung
es ist die große Reverenz des Menuet.

Der Gruß durch bloßes Kopfnicken ist vulgär, eine vornehme Person
wendet ihn nicht einmal Untergebnen gegenüber an. Die Verbeugung des
Oberleibes nach vorn mit Krümmung des Rückens ist bäuerisch und wenig
graciös. Der anmuthigste Gruß für eine sitzende oder aufrechtstehende Frau
und derjenige zugleich, der sich nach dem Grade von Herzlichkeit, den man
hineinlegen will, leicht modificiren läßt, ist der, daß man dem zu Grüßenden
die Brust zukehrt, und dabei die Schultern einzieht und den Kopf gerade
aufrichtet. Man begleitet ihn, wenn man steht, mit einer Bewegung der
Füße, die man in der Tanzstunde mit der Kniebeugung lernt, die bei einer
regelrechten und wohlgelungnen Galareverenz unerläßlich ist. Der Gruß mit
der Hand ist sehr anmuthig. aber sehr familiär. Man wird ihn, wenn man
nicht naher Verwandter ist, Personen eines andern Geschlechts gegenüber nie
anwenden."




verneigen sich nur, wenn sie den Hut nicht aussahen und zwar mehr zum
Zeichen der Zustimmung, des Dankes oder der Hochachtung und dann nur
vor Frauen und hohen Würdenträgern. In Uniform verbeugt man sich
nicht. Auf der Straße nehmen die Männer mit der rechten Hand den Hut
ab und strecken die linke aus; können sie Letzteres nicht, so machen sie eine
Viertelwendung gegen die zu grüßende Person, ziehen die Fersen zusammen und
drücken die Brust heraus. Das ist, abgesehen von der zur Stirn erhobnen
Hand, der klassische, der militärische Gruß, der Gruß bei Hofe, aber nicht die
Verbeugung, die ein französisches Neckwort als die „eourdstts" bezeichnet.
Der Unterschied zwischen beiden ist sehr groß. Bei der einen Grußart richtet
man sich gerade empor, bet der andern beugt man sich nieder.

Bei den Damen ist die Verbeugung aus der Mode gekommen, doch nur
im gewöhnlichen Leben. Von der guten Gesellschaft Frankreichs, welche die
Ueberlieferungen zu bewahren weiß und sich von vulgären Gewohnheiten
nicht erobern läßt, wird sie noch für gewisse Fälle der Begrüßung als un¬
erläßlich betrachtet, nämlich bei Hoffesten, vor großen Würdenträgern, in der
Kirche vor dem Altar, auf dem Balle bei bestimmten Figuren und wenn man
seinen Tänzer verläßt. Kurz, die Verbeugung der Damen ist der Galagruß
geblieben, es ist aber keine kurze, gezierte, tänzelnde, schalkhafte Verbeugung
es ist die große Reverenz des Menuet.

Der Gruß durch bloßes Kopfnicken ist vulgär, eine vornehme Person
wendet ihn nicht einmal Untergebnen gegenüber an. Die Verbeugung des
Oberleibes nach vorn mit Krümmung des Rückens ist bäuerisch und wenig
graciös. Der anmuthigste Gruß für eine sitzende oder aufrechtstehende Frau
und derjenige zugleich, der sich nach dem Grade von Herzlichkeit, den man
hineinlegen will, leicht modificiren läßt, ist der, daß man dem zu Grüßenden
die Brust zukehrt, und dabei die Schultern einzieht und den Kopf gerade
aufrichtet. Man begleitet ihn, wenn man steht, mit einer Bewegung der
Füße, die man in der Tanzstunde mit der Kniebeugung lernt, die bei einer
regelrechten und wohlgelungnen Galareverenz unerläßlich ist. Der Gruß mit
der Hand ist sehr anmuthig. aber sehr familiär. Man wird ihn, wenn man
nicht naher Verwandter ist, Personen eines andern Geschlechts gegenüber nie
anwenden."




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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157686/187>, abgerufen am 27.09.2024.