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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. II. Band.

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bar Wuotan ist. einen Nachhall haben. Jeder einzelne Stamm hatte so
seinen besondern Götter- und Heldenberg und sein eigenes Schlachtfeld, auf
das der schlafende Gott oder Held einst heraustreten sollte zum Entscheidungs¬
kampfe und zur endlichen Herbeiführung des Weltfriedens.

Wo diese Sage sich gliedert und von drei Teilen zu erzählen weiß, ist
sie ein Sproß jener Trinitäten und Triumvirate, in welche sich die Götter-
und Königsgeschlechter, die Stammväter und Helden der Heidenzeit auszubilden
Pflegten. Den Grund sucht Rochholz in der Dreizahl selbst, welche die erste
Vereinbarung der zwei zu einem und demselben Zwecke ist und an den Wahl¬
spruch des politisch aus drei Gliedern bestehenden graubündener Landes
"onus ti-inuw psrtöotum" erinnert. Die Begleiter der beiden indischen
Aethergottheiten Indra und Rudra sind die Ribhus, deren Name im Indischen
selbst als Sonnenstrahlen übersetzt ist, und die zugleich treffliche Bogenschützen
sind. Aus ihrer Schaar ragen drei Brüder durch ihre Thaten besonders
hervor: Ribhus, Vibhva und Vayas. Ihnen entsprechen, wie Kühn nach¬
gewiesen hat, genau die von der germanischen Mythe gefeierten Brüder
Wieland, der ein kunstreicher Schmied, Slagfidhr, welcher der befiederte Pfeil,
und Eigil, der ursprünglich die scharfdurchdringende Pfeilspitze ist. Sie sind
Söhne des Riesenkönigs, Gewitterherrn und Bootbauers Wato, der seinerseits
eine Hypostase Wuotans ist, und vermählt mit den drei Walküren Schwanen¬
weiß, Schneeweiß und Allweis. Eigil muß, wie wir sahen, seinem dreijährigen
Sohn auf König Nidungs Befehl einen Apfel vom Kopfe schießen. Das
altenglische Volkslied besingt die drei vereinten Schützen Adam Bell, Clym
of the Clough und William of Cloudesly. Sie sind Wilddiebe, haben
einen Trabanten des Königs erschossen und sollen, endlich gefangen genommen,
zum Galgen geführt werden. Doch darf William (man vergleiche diesen
Vornamen mit dem Wilhelm Teils) auf dem Wege zum Tode vor dem
Könige noch einen Meisterschuß thun, schießt seinem Sohne auf 120 Schritte
einen Apfel vom Kopfe und befreit damit sich und seine beiden Gefährten.
Die aus Skandinavien weiter nach Nordosten wandernde Sage hat sich mit
den Schweden im Meerbusen von Riga auf der Insel Oesel niedergelassen,
wo die drei Riesenbrüder Töll oder Tell, Leigre und Neider Hausen. Der
mythische Held bei den zunächst angrenzenden Esthen ist Kallewipoeg, der zwei
Brüder ähnlichen Wesens Alewipoeg und Sulewipoeg hat. Die Sage wird dann
von den Esthen zu deren einstigen Nachbarn, den Lappen, übergegangen sein,
in deren Mythe der riesentödtende Held Paiwiö mit zwei Söhnen Wuolabba
(Olaf) und Jsaak die herkömmliche Dreiheit bildet. Die Sicherheit Jsaaks
im Gebrauch von Pfeil und Bogen ist so groß, daß er eine Flußäsche trifft,
wenn sie den Kopf über das Wasser erhebt. Seinen besten Schuß thut er
im Kampfe gegen die räuberischen Russen. Einer von deren Häuptlingen ist


bar Wuotan ist. einen Nachhall haben. Jeder einzelne Stamm hatte so
seinen besondern Götter- und Heldenberg und sein eigenes Schlachtfeld, auf
das der schlafende Gott oder Held einst heraustreten sollte zum Entscheidungs¬
kampfe und zur endlichen Herbeiführung des Weltfriedens.

Wo diese Sage sich gliedert und von drei Teilen zu erzählen weiß, ist
sie ein Sproß jener Trinitäten und Triumvirate, in welche sich die Götter-
und Königsgeschlechter, die Stammväter und Helden der Heidenzeit auszubilden
Pflegten. Den Grund sucht Rochholz in der Dreizahl selbst, welche die erste
Vereinbarung der zwei zu einem und demselben Zwecke ist und an den Wahl¬
spruch des politisch aus drei Gliedern bestehenden graubündener Landes
„onus ti-inuw psrtöotum" erinnert. Die Begleiter der beiden indischen
Aethergottheiten Indra und Rudra sind die Ribhus, deren Name im Indischen
selbst als Sonnenstrahlen übersetzt ist, und die zugleich treffliche Bogenschützen
sind. Aus ihrer Schaar ragen drei Brüder durch ihre Thaten besonders
hervor: Ribhus, Vibhva und Vayas. Ihnen entsprechen, wie Kühn nach¬
gewiesen hat, genau die von der germanischen Mythe gefeierten Brüder
Wieland, der ein kunstreicher Schmied, Slagfidhr, welcher der befiederte Pfeil,
und Eigil, der ursprünglich die scharfdurchdringende Pfeilspitze ist. Sie sind
Söhne des Riesenkönigs, Gewitterherrn und Bootbauers Wato, der seinerseits
eine Hypostase Wuotans ist, und vermählt mit den drei Walküren Schwanen¬
weiß, Schneeweiß und Allweis. Eigil muß, wie wir sahen, seinem dreijährigen
Sohn auf König Nidungs Befehl einen Apfel vom Kopfe schießen. Das
altenglische Volkslied besingt die drei vereinten Schützen Adam Bell, Clym
of the Clough und William of Cloudesly. Sie sind Wilddiebe, haben
einen Trabanten des Königs erschossen und sollen, endlich gefangen genommen,
zum Galgen geführt werden. Doch darf William (man vergleiche diesen
Vornamen mit dem Wilhelm Teils) auf dem Wege zum Tode vor dem
Könige noch einen Meisterschuß thun, schießt seinem Sohne auf 120 Schritte
einen Apfel vom Kopfe und befreit damit sich und seine beiden Gefährten.
Die aus Skandinavien weiter nach Nordosten wandernde Sage hat sich mit
den Schweden im Meerbusen von Riga auf der Insel Oesel niedergelassen,
wo die drei Riesenbrüder Töll oder Tell, Leigre und Neider Hausen. Der
mythische Held bei den zunächst angrenzenden Esthen ist Kallewipoeg, der zwei
Brüder ähnlichen Wesens Alewipoeg und Sulewipoeg hat. Die Sage wird dann
von den Esthen zu deren einstigen Nachbarn, den Lappen, übergegangen sein,
in deren Mythe der riesentödtende Held Paiwiö mit zwei Söhnen Wuolabba
(Olaf) und Jsaak die herkömmliche Dreiheit bildet. Die Sicherheit Jsaaks
im Gebrauch von Pfeil und Bogen ist so groß, daß er eine Flußäsche trifft,
wenn sie den Kopf über das Wasser erhebt. Seinen besten Schuß thut er
im Kampfe gegen die räuberischen Russen. Einer von deren Häuptlingen ist


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[0139] bar Wuotan ist. einen Nachhall haben. Jeder einzelne Stamm hatte so seinen besondern Götter- und Heldenberg und sein eigenes Schlachtfeld, auf das der schlafende Gott oder Held einst heraustreten sollte zum Entscheidungs¬ kampfe und zur endlichen Herbeiführung des Weltfriedens. Wo diese Sage sich gliedert und von drei Teilen zu erzählen weiß, ist sie ein Sproß jener Trinitäten und Triumvirate, in welche sich die Götter- und Königsgeschlechter, die Stammväter und Helden der Heidenzeit auszubilden Pflegten. Den Grund sucht Rochholz in der Dreizahl selbst, welche die erste Vereinbarung der zwei zu einem und demselben Zwecke ist und an den Wahl¬ spruch des politisch aus drei Gliedern bestehenden graubündener Landes „onus ti-inuw psrtöotum" erinnert. Die Begleiter der beiden indischen Aethergottheiten Indra und Rudra sind die Ribhus, deren Name im Indischen selbst als Sonnenstrahlen übersetzt ist, und die zugleich treffliche Bogenschützen sind. Aus ihrer Schaar ragen drei Brüder durch ihre Thaten besonders hervor: Ribhus, Vibhva und Vayas. Ihnen entsprechen, wie Kühn nach¬ gewiesen hat, genau die von der germanischen Mythe gefeierten Brüder Wieland, der ein kunstreicher Schmied, Slagfidhr, welcher der befiederte Pfeil, und Eigil, der ursprünglich die scharfdurchdringende Pfeilspitze ist. Sie sind Söhne des Riesenkönigs, Gewitterherrn und Bootbauers Wato, der seinerseits eine Hypostase Wuotans ist, und vermählt mit den drei Walküren Schwanen¬ weiß, Schneeweiß und Allweis. Eigil muß, wie wir sahen, seinem dreijährigen Sohn auf König Nidungs Befehl einen Apfel vom Kopfe schießen. Das altenglische Volkslied besingt die drei vereinten Schützen Adam Bell, Clym of the Clough und William of Cloudesly. Sie sind Wilddiebe, haben einen Trabanten des Königs erschossen und sollen, endlich gefangen genommen, zum Galgen geführt werden. Doch darf William (man vergleiche diesen Vornamen mit dem Wilhelm Teils) auf dem Wege zum Tode vor dem Könige noch einen Meisterschuß thun, schießt seinem Sohne auf 120 Schritte einen Apfel vom Kopfe und befreit damit sich und seine beiden Gefährten. Die aus Skandinavien weiter nach Nordosten wandernde Sage hat sich mit den Schweden im Meerbusen von Riga auf der Insel Oesel niedergelassen, wo die drei Riesenbrüder Töll oder Tell, Leigre und Neider Hausen. Der mythische Held bei den zunächst angrenzenden Esthen ist Kallewipoeg, der zwei Brüder ähnlichen Wesens Alewipoeg und Sulewipoeg hat. Die Sage wird dann von den Esthen zu deren einstigen Nachbarn, den Lappen, übergegangen sein, in deren Mythe der riesentödtende Held Paiwiö mit zwei Söhnen Wuolabba (Olaf) und Jsaak die herkömmliche Dreiheit bildet. Die Sicherheit Jsaaks im Gebrauch von Pfeil und Bogen ist so groß, daß er eine Flußäsche trifft, wenn sie den Kopf über das Wasser erhebt. Seinen besten Schuß thut er im Kampfe gegen die räuberischen Russen. Einer von deren Häuptlingen ist

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157686/139>, abgerufen am 27.09.2024.