Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. II. Band.die Echtheit . . die Echtheit der Ausdrucksweise und der Denkweise. In [Beginn Spaltensatz] [Spaltenumbruch] Die Leich', die war am Sunntag früh, [Ende Spaltensatz]
Und trauri schaut der Vater zu ; Erlegt sein' Kranz hin-- und auf d'Nacht Hat er halt wiader Musik g'macht.
So ernst wie dieses sind wenige Gedichte der Sammlung. Aus den
Der sterbende Michel dagegen sagt zur Frau:
Die berechtigte Eigenthümlichkeit der polizeilichen Ehehindernisse, die die Echtheit . . die Echtheit der Ausdrucksweise und der Denkweise. In [Beginn Spaltensatz] [Spaltenumbruch] Die Leich', die war am Sunntag früh, [Ende Spaltensatz]
Und trauri schaut der Vater zu ; Erlegt sein' Kranz hin— und auf d'Nacht Hat er halt wiader Musik g'macht.
So ernst wie dieses sind wenige Gedichte der Sammlung. Aus den
Der sterbende Michel dagegen sagt zur Frau:
Die berechtigte Eigenthümlichkeit der polizeilichen Ehehindernisse, die <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0120" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/136759"/> <p xml:id="ID_322" prev="#ID_321"> die Echtheit . . die Echtheit der Ausdrucksweise und der Denkweise. In<lb/> jedem Gedicht soll wirklich der Bauer denken, nicht wir selbst. Die typische<lb/> Gestalt des Bauers gewinnt nicht dadurch an Feinheit, daß man nur hier<lb/> und da seine äußere Grobheit beschneidet. Laßt ihn doch, wo es der Fall<lb/> einmal erfordert, so grob sein als er wirklich ist. aber erinnert euch, daß er<lb/> auch noch mehr ist als ein Grobian. Vergeht nicht, daß auch sein Leben<lb/> Stunden hat. deren tiefe Herzenslaute vielleicht noch mächtiger sind, als das<lb/> Empfinden unserer geschulten Seele und daß auch diese Laute ein Recht haben,<lb/> in der wahren volksthümlichen Dichtung zum Ausdruck zu kommen." Wir<lb/> finden diesen Naturlaut der Volksseele etwas poetischer ausgedrückt in diesen<lb/> Gedichten, als wenn sich die Bauern g, ig. Berthold Auerbach in salonfähigen<lb/> spinozistischen Redensarten unterhalten. Lesen wir z. B. das Gedicht „Der<lb/> Musikant." Ein Tanzmusikant hat einen kranken Buben zu Haus: er weiß<lb/> nicht, ob er ihn noch lebendig antrifft, wenn er heim kommt. Während der<lb/> Vater den Luftiger aufspielt, verscheidet das Kind. Die Mutter erzählt ihm<lb/> von den letzten Augenblicken des Knaben:</p><lb/> <cb type="start"/> <cb/><lb/> <lg xml:id="POEMID_14" type="poem"> <l> Die Leich', die war am Sunntag früh,<lb/> Und trauri schaut der Vater zu ;<lb/> Erlegt sein' Kranz hin— und auf d'Nacht<lb/> Hat er halt wiader Musik g'macht.</l> </lg> <cb type="end"/><lb/> <quote> <lg xml:id="POEMID_15" type="poem"> <l> „Grad allweil d'Handln' ausgstreckt hat er<lb/> Und nix als g'fragt: Wo ist der Vater?<lb/> G'wiß zehnmal bin i ganga schaugen." —<lb/> Der Vater fahrt sich über d'Augen.</l> </lg> </quote><lb/> <p xml:id="ID_323"> So ernst wie dieses sind wenige Gedichte der Sammlung. Aus den<lb/> allermeisten spricht der gesunde Volkshumor, auch bei den trübsten Stimmungs¬<lb/> bildern. So läßt sich der sterbende Mann noch einmal einen Stecken von<lb/> der Frau reichen:</p><lb/> <quote> <lg xml:id="POEMID_16" type="poem"> <l> „„Du muaßt ja sterben, da brauchst kein Stecken"".<lb/> „Ja extra deßz'weg'n", sagt der Mann,<lb/> „Daß i ti' no'mal hauen kann".<lb/> Dös war a guter Mann, a guter,<lb/> Sagt sie, aber a boshaft's Luder.</l> </lg> </quote><lb/> <p xml:id="ID_324"> Der sterbende Michel dagegen sagt zur Frau:</p><lb/> <quote> <lg xml:id="POEMID_17" type="poem"> <l> „An Mann, den brauchst ja dengerscht — und<lb/> Na heirath'se — halt an — Sepp von Gmünd"<lb/> ,,„O mei"", sienne sie, daß es s'ganz z'sprengt,<lb/> „„An den, da hab i aa schon denkt!""</l> </lg> </quote><lb/> <p xml:id="ID_325" next="#ID_326"> Die berechtigte Eigenthümlichkeit der polizeilichen Ehehindernisse, die<lb/> Baiern sich in den Bersailler Verträgen reservirt hat. spricht sich in der An¬<lb/> rede aus, die der Pfarrer an die Brautleute hält, die von ihm copulirt<lb/> sein wollen:</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0120]
die Echtheit . . die Echtheit der Ausdrucksweise und der Denkweise. In
jedem Gedicht soll wirklich der Bauer denken, nicht wir selbst. Die typische
Gestalt des Bauers gewinnt nicht dadurch an Feinheit, daß man nur hier
und da seine äußere Grobheit beschneidet. Laßt ihn doch, wo es der Fall
einmal erfordert, so grob sein als er wirklich ist. aber erinnert euch, daß er
auch noch mehr ist als ein Grobian. Vergeht nicht, daß auch sein Leben
Stunden hat. deren tiefe Herzenslaute vielleicht noch mächtiger sind, als das
Empfinden unserer geschulten Seele und daß auch diese Laute ein Recht haben,
in der wahren volksthümlichen Dichtung zum Ausdruck zu kommen." Wir
finden diesen Naturlaut der Volksseele etwas poetischer ausgedrückt in diesen
Gedichten, als wenn sich die Bauern g, ig. Berthold Auerbach in salonfähigen
spinozistischen Redensarten unterhalten. Lesen wir z. B. das Gedicht „Der
Musikant." Ein Tanzmusikant hat einen kranken Buben zu Haus: er weiß
nicht, ob er ihn noch lebendig antrifft, wenn er heim kommt. Während der
Vater den Luftiger aufspielt, verscheidet das Kind. Die Mutter erzählt ihm
von den letzten Augenblicken des Knaben:
Die Leich', die war am Sunntag früh,
Und trauri schaut der Vater zu ;
Erlegt sein' Kranz hin— und auf d'Nacht
Hat er halt wiader Musik g'macht.
„Grad allweil d'Handln' ausgstreckt hat er
Und nix als g'fragt: Wo ist der Vater?
G'wiß zehnmal bin i ganga schaugen." —
Der Vater fahrt sich über d'Augen.
So ernst wie dieses sind wenige Gedichte der Sammlung. Aus den
allermeisten spricht der gesunde Volkshumor, auch bei den trübsten Stimmungs¬
bildern. So läßt sich der sterbende Mann noch einmal einen Stecken von
der Frau reichen:
„„Du muaßt ja sterben, da brauchst kein Stecken"".
„Ja extra deßz'weg'n", sagt der Mann,
„Daß i ti' no'mal hauen kann".
Dös war a guter Mann, a guter,
Sagt sie, aber a boshaft's Luder.
Der sterbende Michel dagegen sagt zur Frau:
„An Mann, den brauchst ja dengerscht — und
Na heirath'se — halt an — Sepp von Gmünd"
,,„O mei"", sienne sie, daß es s'ganz z'sprengt,
„„An den, da hab i aa schon denkt!""
Die berechtigte Eigenthümlichkeit der polizeilichen Ehehindernisse, die
Baiern sich in den Bersailler Verträgen reservirt hat. spricht sich in der An¬
rede aus, die der Pfarrer an die Brautleute hält, die von ihm copulirt
sein wollen:
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