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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. II. Band.

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währte noch bis Mittag fort, so daß wir eine Parsorcetour zu machen hatten,
wollten wir den Endpunkt unserer Reise, Pungo an Dongo. noch heute er¬
reichen. Der Weg dorthin führte auf den ersten zwei Dritteln der Strecke
durch kleine Schluchten, über Bäche, Hügel und Berge bis er bei einer Fels¬
wand bet Kaxanda vorbei auf eine große Ebene führt. Beim ersten Blick
über dieselbe blieb ich wie festgebannt am Flecke stehen. Ein solches Pano¬
rama war mir bisher noch nicht geboten. Ueber eine unabsehbare Ebene
glitt mein Blick, und nur leise machte sich am östlichen Horizont ein Rahmen
blauer Bergrücken bemerkbar. In Mitten aber der mit Steppen und Gebüsch
Parkähnlich bedeckten Fläche liegt Pungo an Dongo. Eine Welt von Fels¬
blöcken erhebt sich dort, gigantisch auch im kleinsten ihrer Theile. Altersgraue
Steinkolosse bis zu Höhen von ca. 400 Fuß steigen aus dem grünen Grunde
auf, einen Raum von fast drei viertel deutschen Meilen einschließend. Riesenfels
neben Riesenfels, sich gegenseitig stützend, drängend und überragend, schluchten¬
bildend und auf den Gipfeln Naturgärten tragend, wie sie die Künstlerphantasie
nicht schöner und reicher zu schaffen vermag. Die Steinmassen erdrückten mir
fast das staunende Auge, wenn nicht Flora ihre Kinder lieh, die Zeugen
der Ewigkeit durch Schmuck von Grün und Blüthe dem Menschengeiste
faßbar zu machen. -- Zu den beiden Seiten der dichtgedrängten Steinmasse
erheben sich zwei große, hohe Blöcke, bis ca. 250 Fuß ansteigend. Die Zeit
von Jahrtausenden schliff sie beide zu Wartthürmen ähnlichen Gebilden und
so sieht Pungo an Dongo wie eine Beste aus. in der Götter sich bargen,
vor dem Drängen von Titanen. Der scheidenden Sonne Gold umstrahlte
den Horst der Felsen, die unser Ziel umschlossen und ich mußte, scheidend von
dem Anblick hinunter in die Ebene steigen. Nur kurz war die Spanne
Zeit, in welcher mein Auge auf unserem künftigen Heim ruhte, aber solch'
ein Bild macht geistige Entbehrungen und körperliche Leiden vergessen, die
nur als Folie dienen für das Erhabene, das sich in solchen Momenten un-
vergeßlich der Seele einprägt.

Geflügelten Schrittes eilten wir den Felsen zu. schon weit draußen von
einem schnell umkehrenden, ochsenreitenden Späher des Militairchefs von
Pungo an Dongo empfangen. Um 7 Uhr Abends gelangten wir auf einem
der drei einzigen in den Kessel führenden, beschwerlichen Fußpfade auf die
Lavastraßen, die hie und da hohl unter unseren Tritten in die feuchte Dunkel¬
heit hallten. Wenige Minuten später öffnete uns der Lieutenant "Francisco
Velloza Carlo Esmeraldo Castel-Branco" sein Haus mit ächt romanischer
Liebenswürdigkeit. Jetzt konnten wir endlich wieder einmal sagen, wir sind
-- daheim!

Das stolze Felsennest ist mir die liebste meiner Reiseerinnerungen; nicht
allein wegen seiner Naturschönheiten, sondern auch eines Mannes wegen,'


Kienzlwden IV. 187". 14

währte noch bis Mittag fort, so daß wir eine Parsorcetour zu machen hatten,
wollten wir den Endpunkt unserer Reise, Pungo an Dongo. noch heute er¬
reichen. Der Weg dorthin führte auf den ersten zwei Dritteln der Strecke
durch kleine Schluchten, über Bäche, Hügel und Berge bis er bei einer Fels¬
wand bet Kaxanda vorbei auf eine große Ebene führt. Beim ersten Blick
über dieselbe blieb ich wie festgebannt am Flecke stehen. Ein solches Pano¬
rama war mir bisher noch nicht geboten. Ueber eine unabsehbare Ebene
glitt mein Blick, und nur leise machte sich am östlichen Horizont ein Rahmen
blauer Bergrücken bemerkbar. In Mitten aber der mit Steppen und Gebüsch
Parkähnlich bedeckten Fläche liegt Pungo an Dongo. Eine Welt von Fels¬
blöcken erhebt sich dort, gigantisch auch im kleinsten ihrer Theile. Altersgraue
Steinkolosse bis zu Höhen von ca. 400 Fuß steigen aus dem grünen Grunde
auf, einen Raum von fast drei viertel deutschen Meilen einschließend. Riesenfels
neben Riesenfels, sich gegenseitig stützend, drängend und überragend, schluchten¬
bildend und auf den Gipfeln Naturgärten tragend, wie sie die Künstlerphantasie
nicht schöner und reicher zu schaffen vermag. Die Steinmassen erdrückten mir
fast das staunende Auge, wenn nicht Flora ihre Kinder lieh, die Zeugen
der Ewigkeit durch Schmuck von Grün und Blüthe dem Menschengeiste
faßbar zu machen. — Zu den beiden Seiten der dichtgedrängten Steinmasse
erheben sich zwei große, hohe Blöcke, bis ca. 250 Fuß ansteigend. Die Zeit
von Jahrtausenden schliff sie beide zu Wartthürmen ähnlichen Gebilden und
so sieht Pungo an Dongo wie eine Beste aus. in der Götter sich bargen,
vor dem Drängen von Titanen. Der scheidenden Sonne Gold umstrahlte
den Horst der Felsen, die unser Ziel umschlossen und ich mußte, scheidend von
dem Anblick hinunter in die Ebene steigen. Nur kurz war die Spanne
Zeit, in welcher mein Auge auf unserem künftigen Heim ruhte, aber solch'
ein Bild macht geistige Entbehrungen und körperliche Leiden vergessen, die
nur als Folie dienen für das Erhabene, das sich in solchen Momenten un-
vergeßlich der Seele einprägt.

Geflügelten Schrittes eilten wir den Felsen zu. schon weit draußen von
einem schnell umkehrenden, ochsenreitenden Späher des Militairchefs von
Pungo an Dongo empfangen. Um 7 Uhr Abends gelangten wir auf einem
der drei einzigen in den Kessel führenden, beschwerlichen Fußpfade auf die
Lavastraßen, die hie und da hohl unter unseren Tritten in die feuchte Dunkel¬
heit hallten. Wenige Minuten später öffnete uns der Lieutenant „Francisco
Velloza Carlo Esmeraldo Castel-Branco" sein Haus mit ächt romanischer
Liebenswürdigkeit. Jetzt konnten wir endlich wieder einmal sagen, wir sind
— daheim!

Das stolze Felsennest ist mir die liebste meiner Reiseerinnerungen; nicht
allein wegen seiner Naturschönheiten, sondern auch eines Mannes wegen,'


Kienzlwden IV. 187». 14
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[0109] währte noch bis Mittag fort, so daß wir eine Parsorcetour zu machen hatten, wollten wir den Endpunkt unserer Reise, Pungo an Dongo. noch heute er¬ reichen. Der Weg dorthin führte auf den ersten zwei Dritteln der Strecke durch kleine Schluchten, über Bäche, Hügel und Berge bis er bei einer Fels¬ wand bet Kaxanda vorbei auf eine große Ebene führt. Beim ersten Blick über dieselbe blieb ich wie festgebannt am Flecke stehen. Ein solches Pano¬ rama war mir bisher noch nicht geboten. Ueber eine unabsehbare Ebene glitt mein Blick, und nur leise machte sich am östlichen Horizont ein Rahmen blauer Bergrücken bemerkbar. In Mitten aber der mit Steppen und Gebüsch Parkähnlich bedeckten Fläche liegt Pungo an Dongo. Eine Welt von Fels¬ blöcken erhebt sich dort, gigantisch auch im kleinsten ihrer Theile. Altersgraue Steinkolosse bis zu Höhen von ca. 400 Fuß steigen aus dem grünen Grunde auf, einen Raum von fast drei viertel deutschen Meilen einschließend. Riesenfels neben Riesenfels, sich gegenseitig stützend, drängend und überragend, schluchten¬ bildend und auf den Gipfeln Naturgärten tragend, wie sie die Künstlerphantasie nicht schöner und reicher zu schaffen vermag. Die Steinmassen erdrückten mir fast das staunende Auge, wenn nicht Flora ihre Kinder lieh, die Zeugen der Ewigkeit durch Schmuck von Grün und Blüthe dem Menschengeiste faßbar zu machen. — Zu den beiden Seiten der dichtgedrängten Steinmasse erheben sich zwei große, hohe Blöcke, bis ca. 250 Fuß ansteigend. Die Zeit von Jahrtausenden schliff sie beide zu Wartthürmen ähnlichen Gebilden und so sieht Pungo an Dongo wie eine Beste aus. in der Götter sich bargen, vor dem Drängen von Titanen. Der scheidenden Sonne Gold umstrahlte den Horst der Felsen, die unser Ziel umschlossen und ich mußte, scheidend von dem Anblick hinunter in die Ebene steigen. Nur kurz war die Spanne Zeit, in welcher mein Auge auf unserem künftigen Heim ruhte, aber solch' ein Bild macht geistige Entbehrungen und körperliche Leiden vergessen, die nur als Folie dienen für das Erhabene, das sich in solchen Momenten un- vergeßlich der Seele einprägt. Geflügelten Schrittes eilten wir den Felsen zu. schon weit draußen von einem schnell umkehrenden, ochsenreitenden Späher des Militairchefs von Pungo an Dongo empfangen. Um 7 Uhr Abends gelangten wir auf einem der drei einzigen in den Kessel führenden, beschwerlichen Fußpfade auf die Lavastraßen, die hie und da hohl unter unseren Tritten in die feuchte Dunkel¬ heit hallten. Wenige Minuten später öffnete uns der Lieutenant „Francisco Velloza Carlo Esmeraldo Castel-Branco" sein Haus mit ächt romanischer Liebenswürdigkeit. Jetzt konnten wir endlich wieder einmal sagen, wir sind — daheim! Das stolze Felsennest ist mir die liebste meiner Reiseerinnerungen; nicht allein wegen seiner Naturschönheiten, sondern auch eines Mannes wegen,' Kienzlwden IV. 187». 14

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157686/109>, abgerufen am 27.09.2024.