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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. II. Band.

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Weise mit ihren in Summa acht Gummitrommelstäben die Brettchen,
im besten, fehlerlosesten Ensemble und fest im Tacte bleibend. Häufig er¬
klangen Soli, bis mit kräftigem Zusammenwirken die drei Begleiter ein¬
fielen. Nie hörte ich unmelodische Dissonanzen und die sonst bei Negermusiken
ermüdende Wiederholung einzelner Partieen fiel hier fort. -- Es ist übrigens
eigenthümlich und wohl der Bemerkung werth, daß gerade die beiden,
ihrer musikalischen Leistungen wegen berühmten Stämme West-Afrikas, die
vorerwähnten M-balundu und die M-pongwe, wilde kriegliebende Canni-
balenvölker sind. Befährt man den Ogowai, südlich vom Gabun, so kämpft
man oft am Tage erbittert gegen dieselben Neger, die man Nachts be¬
wundert und lieb gewinnen lernt, wenn sie am Ufer, um die Lagerfeuer
hockend, ihre tiefernsten Melodien auf der Harfe spielen.

Nach Beendigung des originellen Concertes war mehr und mehr Leben
in unsere Träger und die Bewohner des Dorfes gekommen und fröhlich be¬
gannen sie singend ihre Tänze, die Hände zum Tacte 'zusammenschlagend.
Ihre Tänze erinnerten oft an unseren Contretanz. Aus zwei gegenüber¬
stehenden Partien treten Solotänzer in der Mitte sich gegenüber, allein oder
umschlungen, die wunderbarsten, oft obscönsten Bewegungen ausführend, die
von den Uebrigen mit stets improvisirten Liedern begleitet werden. Oft auch
bewegen sich die ganzen Parteien auf einander zu, tanzen zusammen und
wechseln vielleicht die Plätze, oder auch einzelne Tänzer zeigen für sich ganz
allein ihre Künste, sich auf demselben Fleck bewegend, mit den Füßen rut¬
schend, die Beine verrenkend und heftig gestikulirend. Der erste Maeota
Don Francisco's, berauscht durch unsere Freundlichkeit -- oder Freigebigkeit,
gab uns eine Borstellung zum Besten. Gewandt und zierlich tanzte er mit
komisch wirkender Grandezza in seinen Bewegungen, wie von einem Schatten
begleitet und nachgeahmt vor seinem hinter ihm tanzenden Diener. -- Nach dem
Schauspiel der Tänze füllten wir den Rest des Tages durch kleine Spazier¬
gänge durch das Dorf und die Pflanzungen aus, die Lehmhäuser unter den Gras¬
bändern musternd, Sitten und Bräuche belauschend, und einen kleinen Blick
über Flora und Fauna uns verschaffend. -- Die Nacht nach diesem trotz
der Rast etwas angreifenden Tage schliefen wir köstlich, weil ungestört vonMos-
ktten, so daß wir frisch und gestärkt am nächsten Morgen früh unsere Schritte
weiter gen Pungo an Dongo lenken konnten. Unser Weg führte jetzt in den
an ausgedehnteren Hochebenen reichen District obigen Namens, und zwar
schlugen wir unser erstes Nachtquartier nach beschwerlichem Tagmarsch im
Dorfe des Fürsten (im portugiesischen "sods," so viel als der "Obere") Muda
auf. Auch er war Officier, Lieutenant in der "zweiten Linie" des Angoln-
Heeres und für bewiesene Tapferkeit mit -- einem Glas-Orden decorirt. _
Unser Major von Homeyer, der einen Theil des Tages den ihm von Don


Weise mit ihren in Summa acht Gummitrommelstäben die Brettchen,
im besten, fehlerlosesten Ensemble und fest im Tacte bleibend. Häufig er¬
klangen Soli, bis mit kräftigem Zusammenwirken die drei Begleiter ein¬
fielen. Nie hörte ich unmelodische Dissonanzen und die sonst bei Negermusiken
ermüdende Wiederholung einzelner Partieen fiel hier fort. — Es ist übrigens
eigenthümlich und wohl der Bemerkung werth, daß gerade die beiden,
ihrer musikalischen Leistungen wegen berühmten Stämme West-Afrikas, die
vorerwähnten M-balundu und die M-pongwe, wilde kriegliebende Canni-
balenvölker sind. Befährt man den Ogowai, südlich vom Gabun, so kämpft
man oft am Tage erbittert gegen dieselben Neger, die man Nachts be¬
wundert und lieb gewinnen lernt, wenn sie am Ufer, um die Lagerfeuer
hockend, ihre tiefernsten Melodien auf der Harfe spielen.

Nach Beendigung des originellen Concertes war mehr und mehr Leben
in unsere Träger und die Bewohner des Dorfes gekommen und fröhlich be¬
gannen sie singend ihre Tänze, die Hände zum Tacte 'zusammenschlagend.
Ihre Tänze erinnerten oft an unseren Contretanz. Aus zwei gegenüber¬
stehenden Partien treten Solotänzer in der Mitte sich gegenüber, allein oder
umschlungen, die wunderbarsten, oft obscönsten Bewegungen ausführend, die
von den Uebrigen mit stets improvisirten Liedern begleitet werden. Oft auch
bewegen sich die ganzen Parteien auf einander zu, tanzen zusammen und
wechseln vielleicht die Plätze, oder auch einzelne Tänzer zeigen für sich ganz
allein ihre Künste, sich auf demselben Fleck bewegend, mit den Füßen rut¬
schend, die Beine verrenkend und heftig gestikulirend. Der erste Maeota
Don Francisco's, berauscht durch unsere Freundlichkeit — oder Freigebigkeit,
gab uns eine Borstellung zum Besten. Gewandt und zierlich tanzte er mit
komisch wirkender Grandezza in seinen Bewegungen, wie von einem Schatten
begleitet und nachgeahmt vor seinem hinter ihm tanzenden Diener. — Nach dem
Schauspiel der Tänze füllten wir den Rest des Tages durch kleine Spazier¬
gänge durch das Dorf und die Pflanzungen aus, die Lehmhäuser unter den Gras¬
bändern musternd, Sitten und Bräuche belauschend, und einen kleinen Blick
über Flora und Fauna uns verschaffend. — Die Nacht nach diesem trotz
der Rast etwas angreifenden Tage schliefen wir köstlich, weil ungestört vonMos-
ktten, so daß wir frisch und gestärkt am nächsten Morgen früh unsere Schritte
weiter gen Pungo an Dongo lenken konnten. Unser Weg führte jetzt in den
an ausgedehnteren Hochebenen reichen District obigen Namens, und zwar
schlugen wir unser erstes Nachtquartier nach beschwerlichem Tagmarsch im
Dorfe des Fürsten (im portugiesischen „sods," so viel als der „Obere") Muda
auf. Auch er war Officier, Lieutenant in der „zweiten Linie" des Angoln-
Heeres und für bewiesene Tapferkeit mit — einem Glas-Orden decorirt. _
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[0107] Weise mit ihren in Summa acht Gummitrommelstäben die Brettchen, im besten, fehlerlosesten Ensemble und fest im Tacte bleibend. Häufig er¬ klangen Soli, bis mit kräftigem Zusammenwirken die drei Begleiter ein¬ fielen. Nie hörte ich unmelodische Dissonanzen und die sonst bei Negermusiken ermüdende Wiederholung einzelner Partieen fiel hier fort. — Es ist übrigens eigenthümlich und wohl der Bemerkung werth, daß gerade die beiden, ihrer musikalischen Leistungen wegen berühmten Stämme West-Afrikas, die vorerwähnten M-balundu und die M-pongwe, wilde kriegliebende Canni- balenvölker sind. Befährt man den Ogowai, südlich vom Gabun, so kämpft man oft am Tage erbittert gegen dieselben Neger, die man Nachts be¬ wundert und lieb gewinnen lernt, wenn sie am Ufer, um die Lagerfeuer hockend, ihre tiefernsten Melodien auf der Harfe spielen. Nach Beendigung des originellen Concertes war mehr und mehr Leben in unsere Träger und die Bewohner des Dorfes gekommen und fröhlich be¬ gannen sie singend ihre Tänze, die Hände zum Tacte 'zusammenschlagend. Ihre Tänze erinnerten oft an unseren Contretanz. Aus zwei gegenüber¬ stehenden Partien treten Solotänzer in der Mitte sich gegenüber, allein oder umschlungen, die wunderbarsten, oft obscönsten Bewegungen ausführend, die von den Uebrigen mit stets improvisirten Liedern begleitet werden. Oft auch bewegen sich die ganzen Parteien auf einander zu, tanzen zusammen und wechseln vielleicht die Plätze, oder auch einzelne Tänzer zeigen für sich ganz allein ihre Künste, sich auf demselben Fleck bewegend, mit den Füßen rut¬ schend, die Beine verrenkend und heftig gestikulirend. Der erste Maeota Don Francisco's, berauscht durch unsere Freundlichkeit — oder Freigebigkeit, gab uns eine Borstellung zum Besten. Gewandt und zierlich tanzte er mit komisch wirkender Grandezza in seinen Bewegungen, wie von einem Schatten begleitet und nachgeahmt vor seinem hinter ihm tanzenden Diener. — Nach dem Schauspiel der Tänze füllten wir den Rest des Tages durch kleine Spazier¬ gänge durch das Dorf und die Pflanzungen aus, die Lehmhäuser unter den Gras¬ bändern musternd, Sitten und Bräuche belauschend, und einen kleinen Blick über Flora und Fauna uns verschaffend. — Die Nacht nach diesem trotz der Rast etwas angreifenden Tage schliefen wir köstlich, weil ungestört vonMos- ktten, so daß wir frisch und gestärkt am nächsten Morgen früh unsere Schritte weiter gen Pungo an Dongo lenken konnten. Unser Weg führte jetzt in den an ausgedehnteren Hochebenen reichen District obigen Namens, und zwar schlugen wir unser erstes Nachtquartier nach beschwerlichem Tagmarsch im Dorfe des Fürsten (im portugiesischen „sods," so viel als der „Obere") Muda auf. Auch er war Officier, Lieutenant in der „zweiten Linie" des Angoln- Heeres und für bewiesene Tapferkeit mit — einem Glas-Orden decorirt. _ Unser Major von Homeyer, der einen Theil des Tages den ihm von Don

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157686/107>, abgerufen am 27.09.2024.