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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. II. Band.

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lich kühler treten die (Cocos- und Oel-) Palmen auf; nicht, wie in den nie¬
deren Ebenen, in ganzen Hainen, sondern vereinzelter und nur, wenn eine
Schlucht einen Blick in die Tiefe gestattet, stößt das Auge auf die Palmen¬
haine, von denen der Nordländer glühend träumt -- träumt! denn was
sind selbst seine kühnsten Phantasiegebilde gegen diese üppigen Kinder einer
maßlos kraftvollen Natur. --

Es marschirt sich äußerst angenehm auf jenen Höhen, zwischen den wallen¬
den Gräsern, die wegen ihrer nicht allzustarken Höhe den wehenden Zug
frischer Luft die Wange des Wanderers angenehm umfächeln lassen. Ein an¬
genehmes Bild für das Auge des Naturfreundes, die thautropfenbesäeten
Wiesenlandschaften im frischen Grün und Blüthenschmuck der Regenzeit; der
Flügelschlag der schwirrenden Lerche erinnert an die Morgenspaziergänge durch
die Culturen der nordischen Heimath, ebenso die gaukelnden Falter, die jede
nectarreiche Blüthe umflattern, sie berauben und sie treulos verlassen. Und in
all' diesem Ruhe und Friede athmenden Naturleben der -- Mensch! Der
Weiße und der schwarze, der letzte mit dem Eigenthumsbewußtsein an sein
Land und ächzend unter dem Joch des ersten! Welches Ende, wenn der
Neger nicht periodisch und vereinzelt, sondern stets dem Bewußtsein seines
Rechtes Ausdruck gäbe?! Und trotz der Seltenheit der energischen Erhebun¬
gen des Negers in Angola wird er doch schließlich seinen ärgsten Feind unter
den Weißen, den Portugiesen verjagen; das beweist die allmähliche, doch stetige
Verkleinerung des in portugiesischen Händen befindlichen Landes. Mir ge¬
statten die Umstände nicht, in diesen Zeilen näher auf die politischen und
enlturgeschichtlichen Verhältnisse Angolas einzugehen, nur einen Blick will
ich eröffnen, der die Berechtigung beweist, Portugal in Angola ein trauriges
Prognostikon zu stellen: Angola wird hauptsächlich von Deportirten --
und Missionären civilisirt!

Das Dorf Angola Calunga verließen wir am 3. Tage unserer Reise
um 6 Uhr früh und erreichten nach kurzem Marsche Ktboakata. Kiboakata
ist eine sogenannte Patrouille, das heißt ein Platz, in welchem ein beständiger
Militairposten liegt, um für die Instandhaltung des "Heerweges" zu sorgen,
Steuern für die Regierung einzutreiben und auf eigene Rechnung und Ge¬
fahr zu rauben und zu plündern. Bezeichnend ist die Thatsache, daß von allen
Wegen in der Provinz, die für gewöhnlich von Militair beschritten werden,
sich die Dörfer der Eingeborenen meist tiefer ins Land zurückgezogen haben. --
In der Patrouille trafen wir auch einen Transport von Gepäck an, den wir
schon vor längerer Zeit unter Militairbedeckung von Dondo aus voran ge¬
schickt hatten. Es kam uns das sehr zu Statten, da wir aus den hier vor¬
gefundenen Vorcäthen unser Hauptnahrungsmittel, den Reis, der durch Zurück¬
bleiben des betreffenden Trägers verloren war, entnehmen konnten. -- Nach


lich kühler treten die (Cocos- und Oel-) Palmen auf; nicht, wie in den nie¬
deren Ebenen, in ganzen Hainen, sondern vereinzelter und nur, wenn eine
Schlucht einen Blick in die Tiefe gestattet, stößt das Auge auf die Palmen¬
haine, von denen der Nordländer glühend träumt — träumt! denn was
sind selbst seine kühnsten Phantasiegebilde gegen diese üppigen Kinder einer
maßlos kraftvollen Natur. —

Es marschirt sich äußerst angenehm auf jenen Höhen, zwischen den wallen¬
den Gräsern, die wegen ihrer nicht allzustarken Höhe den wehenden Zug
frischer Luft die Wange des Wanderers angenehm umfächeln lassen. Ein an¬
genehmes Bild für das Auge des Naturfreundes, die thautropfenbesäeten
Wiesenlandschaften im frischen Grün und Blüthenschmuck der Regenzeit; der
Flügelschlag der schwirrenden Lerche erinnert an die Morgenspaziergänge durch
die Culturen der nordischen Heimath, ebenso die gaukelnden Falter, die jede
nectarreiche Blüthe umflattern, sie berauben und sie treulos verlassen. Und in
all' diesem Ruhe und Friede athmenden Naturleben der — Mensch! Der
Weiße und der schwarze, der letzte mit dem Eigenthumsbewußtsein an sein
Land und ächzend unter dem Joch des ersten! Welches Ende, wenn der
Neger nicht periodisch und vereinzelt, sondern stets dem Bewußtsein seines
Rechtes Ausdruck gäbe?! Und trotz der Seltenheit der energischen Erhebun¬
gen des Negers in Angola wird er doch schließlich seinen ärgsten Feind unter
den Weißen, den Portugiesen verjagen; das beweist die allmähliche, doch stetige
Verkleinerung des in portugiesischen Händen befindlichen Landes. Mir ge¬
statten die Umstände nicht, in diesen Zeilen näher auf die politischen und
enlturgeschichtlichen Verhältnisse Angolas einzugehen, nur einen Blick will
ich eröffnen, der die Berechtigung beweist, Portugal in Angola ein trauriges
Prognostikon zu stellen: Angola wird hauptsächlich von Deportirten —
und Missionären civilisirt!

Das Dorf Angola Calunga verließen wir am 3. Tage unserer Reise
um 6 Uhr früh und erreichten nach kurzem Marsche Ktboakata. Kiboakata
ist eine sogenannte Patrouille, das heißt ein Platz, in welchem ein beständiger
Militairposten liegt, um für die Instandhaltung des „Heerweges" zu sorgen,
Steuern für die Regierung einzutreiben und auf eigene Rechnung und Ge¬
fahr zu rauben und zu plündern. Bezeichnend ist die Thatsache, daß von allen
Wegen in der Provinz, die für gewöhnlich von Militair beschritten werden,
sich die Dörfer der Eingeborenen meist tiefer ins Land zurückgezogen haben. —
In der Patrouille trafen wir auch einen Transport von Gepäck an, den wir
schon vor längerer Zeit unter Militairbedeckung von Dondo aus voran ge¬
schickt hatten. Es kam uns das sehr zu Statten, da wir aus den hier vor¬
gefundenen Vorcäthen unser Hauptnahrungsmittel, den Reis, der durch Zurück¬
bleiben des betreffenden Trägers verloren war, entnehmen konnten. — Nach


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[0103] lich kühler treten die (Cocos- und Oel-) Palmen auf; nicht, wie in den nie¬ deren Ebenen, in ganzen Hainen, sondern vereinzelter und nur, wenn eine Schlucht einen Blick in die Tiefe gestattet, stößt das Auge auf die Palmen¬ haine, von denen der Nordländer glühend träumt — träumt! denn was sind selbst seine kühnsten Phantasiegebilde gegen diese üppigen Kinder einer maßlos kraftvollen Natur. — Es marschirt sich äußerst angenehm auf jenen Höhen, zwischen den wallen¬ den Gräsern, die wegen ihrer nicht allzustarken Höhe den wehenden Zug frischer Luft die Wange des Wanderers angenehm umfächeln lassen. Ein an¬ genehmes Bild für das Auge des Naturfreundes, die thautropfenbesäeten Wiesenlandschaften im frischen Grün und Blüthenschmuck der Regenzeit; der Flügelschlag der schwirrenden Lerche erinnert an die Morgenspaziergänge durch die Culturen der nordischen Heimath, ebenso die gaukelnden Falter, die jede nectarreiche Blüthe umflattern, sie berauben und sie treulos verlassen. Und in all' diesem Ruhe und Friede athmenden Naturleben der — Mensch! Der Weiße und der schwarze, der letzte mit dem Eigenthumsbewußtsein an sein Land und ächzend unter dem Joch des ersten! Welches Ende, wenn der Neger nicht periodisch und vereinzelt, sondern stets dem Bewußtsein seines Rechtes Ausdruck gäbe?! Und trotz der Seltenheit der energischen Erhebun¬ gen des Negers in Angola wird er doch schließlich seinen ärgsten Feind unter den Weißen, den Portugiesen verjagen; das beweist die allmähliche, doch stetige Verkleinerung des in portugiesischen Händen befindlichen Landes. Mir ge¬ statten die Umstände nicht, in diesen Zeilen näher auf die politischen und enlturgeschichtlichen Verhältnisse Angolas einzugehen, nur einen Blick will ich eröffnen, der die Berechtigung beweist, Portugal in Angola ein trauriges Prognostikon zu stellen: Angola wird hauptsächlich von Deportirten — und Missionären civilisirt! Das Dorf Angola Calunga verließen wir am 3. Tage unserer Reise um 6 Uhr früh und erreichten nach kurzem Marsche Ktboakata. Kiboakata ist eine sogenannte Patrouille, das heißt ein Platz, in welchem ein beständiger Militairposten liegt, um für die Instandhaltung des „Heerweges" zu sorgen, Steuern für die Regierung einzutreiben und auf eigene Rechnung und Ge¬ fahr zu rauben und zu plündern. Bezeichnend ist die Thatsache, daß von allen Wegen in der Provinz, die für gewöhnlich von Militair beschritten werden, sich die Dörfer der Eingeborenen meist tiefer ins Land zurückgezogen haben. — In der Patrouille trafen wir auch einen Transport von Gepäck an, den wir schon vor längerer Zeit unter Militairbedeckung von Dondo aus voran ge¬ schickt hatten. Es kam uns das sehr zu Statten, da wir aus den hier vor¬ gefundenen Vorcäthen unser Hauptnahrungsmittel, den Reis, der durch Zurück¬ bleiben des betreffenden Trägers verloren war, entnehmen konnten. — Nach

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157686/103>, abgerufen am 27.09.2024.