Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

und portugiesische Weine, Oel und Früchte, Zölle auf Glas, Papier, Blei
Farben und Thee -- denn diese Steuern brauche Georg III., um seine Civil¬
beamten zu bezahlen. Townshend fand nur schwachen Widerstand und schlug
am 15. Mai durch; seine Bill, die Unheil im Schooße trug, wurde den 29, Juni
zum Gesetze erhoben. Durch die politische Entmündigung New-Uorks war
der Kampf unvermeidlich geworden, aber der despotische König freute sich
des Streiches, den Townshend Amerika versetzte.

Hier herrschte die größte Unzufriedenheit, sobald die Bill vom 29. Juni be¬
kannt wurde, und man beschloß gegen Despotismus und Unterdrückung un.
verzagt zusammenzuhalten. New-Uork und Boston waren die stets mit einan¬
der verkehrenden Centren, in denen die Opposition sich ansammelte. Der
14. August wurde als Jahrestag des Widerstandes gegen die Stempelakte
festlich begangen und man verabredete, dadurch die Townshend-Bill zu
Paralysiren, daß man nichts Verzolltes consumire und keine englischen Waaren
einführe: Das Verfahren gegen New-York erregte überall die Besorgniß
gleicher Gewaltschrttte. Choiseul aber rieb sich die Hände, er sah den Krieg
näher und näher kommen.

Zwar überlebte Townshend nicht lange seinen Triumph, er schied schon
1767 aus dem Leben, aber der Nachfolger schritt auf seinen Wegen fort.
Lord North war Georg III. persönlich lieb und wie er der entschiedenste
Feind alles republikanischen Wesens, aller Reform und Volksfreundlichkeit; er
wünschte die Besteuerung Amerikas und, als Mann von umfassenden Kennt¬
nissen aber ohne Genie, hielt er sie für ein leicht zu erreichendes Ziel. Be¬
zeichnend ist sein Ausspruch: "Keine Nachgiebigkeit! Die Colonien sprechen
und handeln wie Rebellen. Man muß sie niederdrücken, sie müssen auf die
Kniee fallen" -- ein Wort, welches auffällig an das "Auf die Kniee. Rebellen!"
Nikolaus' von Rußland erinnert. Natürlich dachten die Amerikaner nicht
daran. North's Wunsche zu willfahren. Durch die Bürgerversammlung zu
Boston wurde am 28. Oktober 1767 der Beschluß erneuert. Nichts aus England
zu importiren und zu kaufen, und allen Colonien bekannt gegeben um ihm
beizutreten. Neue Zeitungen und Flugschriften gaben der aufgeregten Stim¬
mung frische Nahrung. Ueberall in den dreizehn Colonien las man die Briefe
des pennsylvanischen Farmers John Dickinson und sprach sie als Glaubensbe¬
kenntniß aus; in schlichter landmännischer Weise legten sie die rechtliche
Stellung der Colonien zu England dar. Sie datirten die Aera höchster Willkür
von dem gefährlichen Neuerer Grenville an, sahen in den neuen Verordnungen
tyrannische Eingriffe in das Recht und die Freiheit der Amerikaner und ver¬
wiesen auf die englische Geschichte als das beste Buch der Vergeltung, welches
zeige "wie gewaltthätiger Widerstand dem hartnäckigen Entschlüsse entgegen-


und portugiesische Weine, Oel und Früchte, Zölle auf Glas, Papier, Blei
Farben und Thee — denn diese Steuern brauche Georg III., um seine Civil¬
beamten zu bezahlen. Townshend fand nur schwachen Widerstand und schlug
am 15. Mai durch; seine Bill, die Unheil im Schooße trug, wurde den 29, Juni
zum Gesetze erhoben. Durch die politische Entmündigung New-Uorks war
der Kampf unvermeidlich geworden, aber der despotische König freute sich
des Streiches, den Townshend Amerika versetzte.

Hier herrschte die größte Unzufriedenheit, sobald die Bill vom 29. Juni be¬
kannt wurde, und man beschloß gegen Despotismus und Unterdrückung un.
verzagt zusammenzuhalten. New-Uork und Boston waren die stets mit einan¬
der verkehrenden Centren, in denen die Opposition sich ansammelte. Der
14. August wurde als Jahrestag des Widerstandes gegen die Stempelakte
festlich begangen und man verabredete, dadurch die Townshend-Bill zu
Paralysiren, daß man nichts Verzolltes consumire und keine englischen Waaren
einführe: Das Verfahren gegen New-York erregte überall die Besorgniß
gleicher Gewaltschrttte. Choiseul aber rieb sich die Hände, er sah den Krieg
näher und näher kommen.

Zwar überlebte Townshend nicht lange seinen Triumph, er schied schon
1767 aus dem Leben, aber der Nachfolger schritt auf seinen Wegen fort.
Lord North war Georg III. persönlich lieb und wie er der entschiedenste
Feind alles republikanischen Wesens, aller Reform und Volksfreundlichkeit; er
wünschte die Besteuerung Amerikas und, als Mann von umfassenden Kennt¬
nissen aber ohne Genie, hielt er sie für ein leicht zu erreichendes Ziel. Be¬
zeichnend ist sein Ausspruch: „Keine Nachgiebigkeit! Die Colonien sprechen
und handeln wie Rebellen. Man muß sie niederdrücken, sie müssen auf die
Kniee fallen" — ein Wort, welches auffällig an das „Auf die Kniee. Rebellen!"
Nikolaus' von Rußland erinnert. Natürlich dachten die Amerikaner nicht
daran. North's Wunsche zu willfahren. Durch die Bürgerversammlung zu
Boston wurde am 28. Oktober 1767 der Beschluß erneuert. Nichts aus England
zu importiren und zu kaufen, und allen Colonien bekannt gegeben um ihm
beizutreten. Neue Zeitungen und Flugschriften gaben der aufgeregten Stim¬
mung frische Nahrung. Ueberall in den dreizehn Colonien las man die Briefe
des pennsylvanischen Farmers John Dickinson und sprach sie als Glaubensbe¬
kenntniß aus; in schlichter landmännischer Weise legten sie die rechtliche
Stellung der Colonien zu England dar. Sie datirten die Aera höchster Willkür
von dem gefährlichen Neuerer Grenville an, sahen in den neuen Verordnungen
tyrannische Eingriffe in das Recht und die Freiheit der Amerikaner und ver¬
wiesen auf die englische Geschichte als das beste Buch der Vergeltung, welches
zeige „wie gewaltthätiger Widerstand dem hartnäckigen Entschlüsse entgegen-


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0063" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/136174"/>
          <p xml:id="ID_132" prev="#ID_131"> und portugiesische Weine, Oel und Früchte, Zölle auf Glas, Papier, Blei<lb/>
Farben und Thee &#x2014; denn diese Steuern brauche Georg III., um seine Civil¬<lb/>
beamten zu bezahlen. Townshend fand nur schwachen Widerstand und schlug<lb/>
am 15. Mai durch; seine Bill, die Unheil im Schooße trug, wurde den 29, Juni<lb/>
zum Gesetze erhoben. Durch die politische Entmündigung New-Uorks war<lb/>
der Kampf unvermeidlich geworden, aber der despotische König freute sich<lb/>
des Streiches, den Townshend Amerika versetzte.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_133"> Hier herrschte die größte Unzufriedenheit, sobald die Bill vom 29. Juni be¬<lb/>
kannt wurde, und man beschloß gegen Despotismus und Unterdrückung un.<lb/>
verzagt zusammenzuhalten. New-Uork und Boston waren die stets mit einan¬<lb/>
der verkehrenden Centren, in denen die Opposition sich ansammelte. Der<lb/>
14. August wurde als Jahrestag des Widerstandes gegen die Stempelakte<lb/>
festlich begangen und man verabredete, dadurch die Townshend-Bill zu<lb/>
Paralysiren, daß man nichts Verzolltes consumire und keine englischen Waaren<lb/>
einführe: Das Verfahren gegen New-York erregte überall die Besorgniß<lb/>
gleicher Gewaltschrttte. Choiseul aber rieb sich die Hände, er sah den Krieg<lb/>
näher und näher kommen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_134" next="#ID_135"> Zwar überlebte Townshend nicht lange seinen Triumph, er schied schon<lb/>
1767 aus dem Leben, aber der Nachfolger schritt auf seinen Wegen fort.<lb/>
Lord North war Georg III. persönlich lieb und wie er der entschiedenste<lb/>
Feind alles republikanischen Wesens, aller Reform und Volksfreundlichkeit; er<lb/>
wünschte die Besteuerung Amerikas und, als Mann von umfassenden Kennt¬<lb/>
nissen aber ohne Genie, hielt er sie für ein leicht zu erreichendes Ziel. Be¬<lb/>
zeichnend ist sein Ausspruch: &#x201E;Keine Nachgiebigkeit! Die Colonien sprechen<lb/>
und handeln wie Rebellen. Man muß sie niederdrücken, sie müssen auf die<lb/>
Kniee fallen" &#x2014; ein Wort, welches auffällig an das &#x201E;Auf die Kniee. Rebellen!"<lb/>
Nikolaus' von Rußland erinnert. Natürlich dachten die Amerikaner nicht<lb/>
daran. North's Wunsche zu willfahren. Durch die Bürgerversammlung zu<lb/>
Boston wurde am 28. Oktober 1767 der Beschluß erneuert. Nichts aus England<lb/>
zu importiren und zu kaufen, und allen Colonien bekannt gegeben um ihm<lb/>
beizutreten. Neue Zeitungen und Flugschriften gaben der aufgeregten Stim¬<lb/>
mung frische Nahrung. Ueberall in den dreizehn Colonien las man die Briefe<lb/>
des pennsylvanischen Farmers John Dickinson und sprach sie als Glaubensbe¬<lb/>
kenntniß aus; in schlichter landmännischer Weise legten sie die rechtliche<lb/>
Stellung der Colonien zu England dar. Sie datirten die Aera höchster Willkür<lb/>
von dem gefährlichen Neuerer Grenville an, sahen in den neuen Verordnungen<lb/>
tyrannische Eingriffe in das Recht und die Freiheit der Amerikaner und ver¬<lb/>
wiesen auf die englische Geschichte als das beste Buch der Vergeltung, welches<lb/>
zeige &#x201E;wie gewaltthätiger Widerstand dem hartnäckigen Entschlüsse entgegen-</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0063] und portugiesische Weine, Oel und Früchte, Zölle auf Glas, Papier, Blei Farben und Thee — denn diese Steuern brauche Georg III., um seine Civil¬ beamten zu bezahlen. Townshend fand nur schwachen Widerstand und schlug am 15. Mai durch; seine Bill, die Unheil im Schooße trug, wurde den 29, Juni zum Gesetze erhoben. Durch die politische Entmündigung New-Uorks war der Kampf unvermeidlich geworden, aber der despotische König freute sich des Streiches, den Townshend Amerika versetzte. Hier herrschte die größte Unzufriedenheit, sobald die Bill vom 29. Juni be¬ kannt wurde, und man beschloß gegen Despotismus und Unterdrückung un. verzagt zusammenzuhalten. New-Uork und Boston waren die stets mit einan¬ der verkehrenden Centren, in denen die Opposition sich ansammelte. Der 14. August wurde als Jahrestag des Widerstandes gegen die Stempelakte festlich begangen und man verabredete, dadurch die Townshend-Bill zu Paralysiren, daß man nichts Verzolltes consumire und keine englischen Waaren einführe: Das Verfahren gegen New-York erregte überall die Besorgniß gleicher Gewaltschrttte. Choiseul aber rieb sich die Hände, er sah den Krieg näher und näher kommen. Zwar überlebte Townshend nicht lange seinen Triumph, er schied schon 1767 aus dem Leben, aber der Nachfolger schritt auf seinen Wegen fort. Lord North war Georg III. persönlich lieb und wie er der entschiedenste Feind alles republikanischen Wesens, aller Reform und Volksfreundlichkeit; er wünschte die Besteuerung Amerikas und, als Mann von umfassenden Kennt¬ nissen aber ohne Genie, hielt er sie für ein leicht zu erreichendes Ziel. Be¬ zeichnend ist sein Ausspruch: „Keine Nachgiebigkeit! Die Colonien sprechen und handeln wie Rebellen. Man muß sie niederdrücken, sie müssen auf die Kniee fallen" — ein Wort, welches auffällig an das „Auf die Kniee. Rebellen!" Nikolaus' von Rußland erinnert. Natürlich dachten die Amerikaner nicht daran. North's Wunsche zu willfahren. Durch die Bürgerversammlung zu Boston wurde am 28. Oktober 1767 der Beschluß erneuert. Nichts aus England zu importiren und zu kaufen, und allen Colonien bekannt gegeben um ihm beizutreten. Neue Zeitungen und Flugschriften gaben der aufgeregten Stim¬ mung frische Nahrung. Ueberall in den dreizehn Colonien las man die Briefe des pennsylvanischen Farmers John Dickinson und sprach sie als Glaubensbe¬ kenntniß aus; in schlichter landmännischer Weise legten sie die rechtliche Stellung der Colonien zu England dar. Sie datirten die Aera höchster Willkür von dem gefährlichen Neuerer Grenville an, sahen in den neuen Verordnungen tyrannische Eingriffe in das Recht und die Freiheit der Amerikaner und ver¬ wiesen auf die englische Geschichte als das beste Buch der Vergeltung, welches zeige „wie gewaltthätiger Widerstand dem hartnäckigen Entschlüsse entgegen-

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157684
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157684/63
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157684/63>, abgerufen am 27.09.2024.