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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. I. Band.

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an das Unterhaus. Am 26. Oktober 1764 wählten die Pennsylvanier den
Royalisten Benjamin Franklin zu ihrem Agenten in London, um dem Mi¬
nisterium von unheilvollen Maßregeln abzurathen. Der Krone treu, waren
Rhode-Island wie Pennsylvanien. Virginien. Connecticut und Nord- wie
Süd-Carolina einig, keinen Eingriff in ihr Sonderleben und ihre Freiheiten
zu dulden, hofften aber alle noch, der Kampf könne vermieden werden, indem
London nachgebe und den Colonien die Freundeshand reiche.

Unter solchen Umständen kam sofort nach der Eröffnung des Parla¬
mentes am 10. Januar 1765 die Stempeltaxe in Vorschlag. In ihr sah ja der
König die Frage des Gehorsams gegen die Gesetze und der Achtung vor der
Gesetzgebung Englands gestellt; Grenville und Townshend setzten alle Segel
ein. um ihr Schiff durch die Klippen hindurchzusteuern. Man wies die
Petitionen der Colonien zurück, ja kein Parlamentsmitglied wagte es, die
von New-York vorzulegen. Umsonst versuchten Franklin und die anderen
Agenten Grenville in persönlichen Besprechungen abwendig zu machen; er
verharrte bet der Stempeltaxe, war aber einer Colonialvertretung im Par¬
lamente nicht abgeneigt. In glühenden Worten beleuchtete der in Canada
erprobte Capitain Jsaak Barre" das Unrecht Englands gegen die Colonisten,
sein den Amerikanern verliehenes Beiwort: "Söhne der Freiheit" erweckte in
ganz Amerika Enthusiasmus und mit Freuden wiederholte man den Aus-
pruch: "Dies Volk ist ebenso loyal wie alle anderen Unterthanen des Königs,
aber es ist auf seine Freiheiten eifersüchtig und wird sie verfechten und schützen,
wenn sie jemals angegriffen werden sollten." Das Unterhaus entwickelte die
verstockteste Harthörigkeit, keine Petition wurde zugelassen, die Agenten blieben
im Schatten; am 27. Febr. ging die Stempelakte durch das Unterhaus und
wurde vom Oberhause ohne Debatte am 8. März angenommen, für den
geisteskranken König ratificirte sie eine Commission am 22. März. Die ganze
Wissenschaft ward hiermit eingeschränkt; Flugschriften, Zeitungen, Anzeigen,
Diplome gelehrter Körperschaften wie jeder gerichtliche Akt bedurften des
Stempels, galten ohne ihn nichts. Franklin sagte mit Recht: "Uns Juristen
und Buchdruckern wird diese Abgabe besonders drückend sein." Das Stempel¬
papier war bei britischen Agenten zu kaufen, aber die Stempelbeamten sollten
frei gewählte Colonisten sein und der Ertrag der Stempelgebühren sollte in
Amerika aufgewendet werden und nicht nach England kommen. Ani im
Nothfalle mit Gewalt die Steuer durchzuführen, wollte man Truppen nach
den Colonien senden; zuerst suchte man dieselben durch die Legislaturen in
Privathäusern unterzubringen, dann sah man dies als unbillig ein und ver¬
wies sie in öffentliche Bauten, doch sollte die betreffende Colonie ihre Natural.
Verpflegung bestreiten. Für alle diese Opfer versprach das Parlament den
Colmuen einige kleine Zollvergünstigungen für ihren Handel, und tvotzdcm


an das Unterhaus. Am 26. Oktober 1764 wählten die Pennsylvanier den
Royalisten Benjamin Franklin zu ihrem Agenten in London, um dem Mi¬
nisterium von unheilvollen Maßregeln abzurathen. Der Krone treu, waren
Rhode-Island wie Pennsylvanien. Virginien. Connecticut und Nord- wie
Süd-Carolina einig, keinen Eingriff in ihr Sonderleben und ihre Freiheiten
zu dulden, hofften aber alle noch, der Kampf könne vermieden werden, indem
London nachgebe und den Colonien die Freundeshand reiche.

Unter solchen Umständen kam sofort nach der Eröffnung des Parla¬
mentes am 10. Januar 1765 die Stempeltaxe in Vorschlag. In ihr sah ja der
König die Frage des Gehorsams gegen die Gesetze und der Achtung vor der
Gesetzgebung Englands gestellt; Grenville und Townshend setzten alle Segel
ein. um ihr Schiff durch die Klippen hindurchzusteuern. Man wies die
Petitionen der Colonien zurück, ja kein Parlamentsmitglied wagte es, die
von New-York vorzulegen. Umsonst versuchten Franklin und die anderen
Agenten Grenville in persönlichen Besprechungen abwendig zu machen; er
verharrte bet der Stempeltaxe, war aber einer Colonialvertretung im Par¬
lamente nicht abgeneigt. In glühenden Worten beleuchtete der in Canada
erprobte Capitain Jsaak Barre" das Unrecht Englands gegen die Colonisten,
sein den Amerikanern verliehenes Beiwort: „Söhne der Freiheit" erweckte in
ganz Amerika Enthusiasmus und mit Freuden wiederholte man den Aus-
pruch: „Dies Volk ist ebenso loyal wie alle anderen Unterthanen des Königs,
aber es ist auf seine Freiheiten eifersüchtig und wird sie verfechten und schützen,
wenn sie jemals angegriffen werden sollten." Das Unterhaus entwickelte die
verstockteste Harthörigkeit, keine Petition wurde zugelassen, die Agenten blieben
im Schatten; am 27. Febr. ging die Stempelakte durch das Unterhaus und
wurde vom Oberhause ohne Debatte am 8. März angenommen, für den
geisteskranken König ratificirte sie eine Commission am 22. März. Die ganze
Wissenschaft ward hiermit eingeschränkt; Flugschriften, Zeitungen, Anzeigen,
Diplome gelehrter Körperschaften wie jeder gerichtliche Akt bedurften des
Stempels, galten ohne ihn nichts. Franklin sagte mit Recht: „Uns Juristen
und Buchdruckern wird diese Abgabe besonders drückend sein." Das Stempel¬
papier war bei britischen Agenten zu kaufen, aber die Stempelbeamten sollten
frei gewählte Colonisten sein und der Ertrag der Stempelgebühren sollte in
Amerika aufgewendet werden und nicht nach England kommen. Ani im
Nothfalle mit Gewalt die Steuer durchzuführen, wollte man Truppen nach
den Colonien senden; zuerst suchte man dieselben durch die Legislaturen in
Privathäusern unterzubringen, dann sah man dies als unbillig ein und ver¬
wies sie in öffentliche Bauten, doch sollte die betreffende Colonie ihre Natural.
Verpflegung bestreiten. Für alle diese Opfer versprach das Parlament den
Colmuen einige kleine Zollvergünstigungen für ihren Handel, und tvotzdcm


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157684/55>, abgerufen am 27.09.2024.