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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. I. Band.

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Farmer, Photograph, reisender Zahnkünstler und zuletzt Negertreiber gewesen
war. Er hatte nur eine Schwäche -- er liebte schöne Kleider, und Sonntags
erschien er in einem sorgsam gesattelten Hemde und Lackstiefeln, also viel
besser geputzt als der andere Robinson Crusoe am ersten Tage der Woche."

Hollen führt noch zwei solche Originale an. Der Eine war ein alter
Herr, der zu den Ansiedlern von Illinois gehörte, und nach dem jetzt ein
County dieses Staates der Union benannt ist. "Er war sanft und mild
in allen Fragen, ausgenommen die der unbedingten Enthaltsamkeit in Betreff
geistiger Getränke. Jeder Wanderer konnte ein Abendessen und ein Bett für
eine Nacht bei ihm haben, aber wehe ihm, wenn er sich weigerte, mit seinem
Wirthe ein Glas zu leeren. Dann hatte der alte M. stets eine Vorlesung
für ihn auf Lager, die sich vom religiösen Standpunkte gegen die erklärte,
welche das Gelübde abgelegt hatten, keine berauschenden Flüssigkeiten zu
trinken. "Denken Sie denn, daß es Recht ist", sagte der alte M. entrüstet,
"wenn Gott uns solche Beweise seiner Güte und Liebe giebt wie Ohio
Whisky, alten Rum und neuyorker Cognac, und diese verteufelten Mäßig-
keitshallunkens gegen ihn und diese seine Werke aufwiegeln? Sagt doch mal,
Ihr verleiteten Geschöpfe, warum bäumt Ihr Euch denn nicht auch gegen
den Schöpfer auf, weil er uns vierrädrige Wagen, Candidatenlisten, Dampf¬
dreschmaschinen und andere Dinge gegeben hat, die ein bischen unsicher zu
regieren sind? Schnaps ist ein Segen, Kramläden, wo er zu haben ist, sind
ein Segen, Handsägen sind ein Segen, und wir gehen nicht gleich alle hin
und sägen uns die Finger damit ab. -- Nicht richtig? Na, wollen Sie
jetzt?" Der Andere war ein gewisser Denio, der in derselben Gegend lebte.
Er war seines Zeichens Anstreicher, daneben aber Volksredner, und hielt
später Vorlesungen. Auf seine Erziehung waren, wie unser Gewährsmann
glaubt keine zehn Cents verwendet worden, und er pflegte stolz darüber zu
sein, wenn man ihn von seiner Leiter herunterrief, damit er eine Ansprache
an seine Mitbürger richte, während Tüpfelchen abgespritzter Tünche ihm noch
am Gesichte und den Kleidern hingen. Er war, was man einen gewaltigen
Redner nennt, und wurde später in die Gesetzgebung gewählt. Jetzt aber ist
er einer der ersten Staatsbeamten in Californien."

Charaktere dieser Art sind die Lieblinge des amerikanischen Volkes, und
das Angebot entspricht der Nachfrage nach ihnen.

Artemus Ward ist nicht der wahre Name unseres Humoristen, wie denn
den Lesern d. Bl. bekannt sein wird, daß auch Mark Twain als Privatmann
anders wie als Schriftsteller heißt, nämlich Element. Ward's eigentlicher
Name ist Charles Farrer Browne, und er wurde im Jahre 1836
in dem Städtchen Waterford im Staate Maine geboren. Den Knabenjahren
entwachsen, widmete er sich der Buchdruckerkunst und brachte es bald dahin,


Farmer, Photograph, reisender Zahnkünstler und zuletzt Negertreiber gewesen
war. Er hatte nur eine Schwäche — er liebte schöne Kleider, und Sonntags
erschien er in einem sorgsam gesattelten Hemde und Lackstiefeln, also viel
besser geputzt als der andere Robinson Crusoe am ersten Tage der Woche."

Hollen führt noch zwei solche Originale an. Der Eine war ein alter
Herr, der zu den Ansiedlern von Illinois gehörte, und nach dem jetzt ein
County dieses Staates der Union benannt ist. „Er war sanft und mild
in allen Fragen, ausgenommen die der unbedingten Enthaltsamkeit in Betreff
geistiger Getränke. Jeder Wanderer konnte ein Abendessen und ein Bett für
eine Nacht bei ihm haben, aber wehe ihm, wenn er sich weigerte, mit seinem
Wirthe ein Glas zu leeren. Dann hatte der alte M. stets eine Vorlesung
für ihn auf Lager, die sich vom religiösen Standpunkte gegen die erklärte,
welche das Gelübde abgelegt hatten, keine berauschenden Flüssigkeiten zu
trinken. „Denken Sie denn, daß es Recht ist", sagte der alte M. entrüstet,
„wenn Gott uns solche Beweise seiner Güte und Liebe giebt wie Ohio
Whisky, alten Rum und neuyorker Cognac, und diese verteufelten Mäßig-
keitshallunkens gegen ihn und diese seine Werke aufwiegeln? Sagt doch mal,
Ihr verleiteten Geschöpfe, warum bäumt Ihr Euch denn nicht auch gegen
den Schöpfer auf, weil er uns vierrädrige Wagen, Candidatenlisten, Dampf¬
dreschmaschinen und andere Dinge gegeben hat, die ein bischen unsicher zu
regieren sind? Schnaps ist ein Segen, Kramläden, wo er zu haben ist, sind
ein Segen, Handsägen sind ein Segen, und wir gehen nicht gleich alle hin
und sägen uns die Finger damit ab. — Nicht richtig? Na, wollen Sie
jetzt?" Der Andere war ein gewisser Denio, der in derselben Gegend lebte.
Er war seines Zeichens Anstreicher, daneben aber Volksredner, und hielt
später Vorlesungen. Auf seine Erziehung waren, wie unser Gewährsmann
glaubt keine zehn Cents verwendet worden, und er pflegte stolz darüber zu
sein, wenn man ihn von seiner Leiter herunterrief, damit er eine Ansprache
an seine Mitbürger richte, während Tüpfelchen abgespritzter Tünche ihm noch
am Gesichte und den Kleidern hingen. Er war, was man einen gewaltigen
Redner nennt, und wurde später in die Gesetzgebung gewählt. Jetzt aber ist
er einer der ersten Staatsbeamten in Californien."

Charaktere dieser Art sind die Lieblinge des amerikanischen Volkes, und
das Angebot entspricht der Nachfrage nach ihnen.

Artemus Ward ist nicht der wahre Name unseres Humoristen, wie denn
den Lesern d. Bl. bekannt sein wird, daß auch Mark Twain als Privatmann
anders wie als Schriftsteller heißt, nämlich Element. Ward's eigentlicher
Name ist Charles Farrer Browne, und er wurde im Jahre 1836
in dem Städtchen Waterford im Staate Maine geboren. Den Knabenjahren
entwachsen, widmete er sich der Buchdruckerkunst und brachte es bald dahin,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157684/517>, abgerufen am 27.09.2024.