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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. I. Band.

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Custer vermuthete, doch wurden alle solche Versuche durch beträchtliche Massen
des Feindes verhindert, welche vor der die Avantgarde bildenden Infanterie des
Generals Gibbon sich ausammelten und nur langsam zurückwichen. Das Heran¬
rücken dieser Infanterie bewog den Feind wahrscheinlich die Einschließung Major
Nero's aufzugeben. Nach einem Marsche von 30 Miles am 26. und von 20
Miles während der folgenden Nacht und am Morgen des 27. erreichte die In¬
fanterie früh 9 Uhr endlich die Truppen des Majors Remo." --

Der Verlust der Indianer, vermuthet General Terry, müsse ein sehr
schwerer gewesen sein. Der Verlust der Truppen an Todten war 261 Mann,
worin 16 Offiziere inbegriffen, und 61 Verwundete. Die Zahl der engagir-
ten Truppen war genau 700 Mann, von denen aber 250 bei der Action im
Thale nicht Theil nahmen, sondern erst in Remo's Versteck in Thätigkeit
kamen, während 450 Mann, in zwei ganz getrennten Colonnen über 6 Stunden
lang gegen 2500 bis 3000 Indianer kämpften. Wie groß der Verlust der
Indianer wirklich gewesen, wird wohl kaum je genau ermittelt werden können.
Dieselben versuchen stets, auch wenn sie geschlagen werden, ihre Gefallenen
mitzunehmen; um so auffallender muß es daher scheinen und giebt einen
Beleg dafür, welchen Respekt ihnen die heldenmüthige Vertheidigung der
kleinen Colonnen Custer's und Remo's eingeflößt hat, daß auf der Wahlstatt
über 70 Leichen, und unter diesen 9 Häuptlinge, gefallener Indianer gefunden
wurden. Die Indianer waren Sieger und haben bis zur Zeit ihres Abmarsches
am Abend des 26. Juni Alles aufgeboten, ihren Todten den Schimpf zu er¬
sparen, vom Feinde gefunden zu werden. Wie Viele müssen daher gefallen
sein, daß die Ueberlebenden nicht genügend Zeit fanden, über 70 und darunter
sogar Häuptlinge, zu verstecken oder mit sich zu führen! Unter den ge¬
fundenen Indianern sind viele Arrapahoes und Cheyennes, ein Beweis, daß
Sitting Bull auch schon bei diesem ersten Kampf von den südlicheren Stäm¬
men unterstützt war. Nach glaubhaften Nachrichten ist seither ermittelt
worden, daß etwa 1200 Krieger der Arrapahoes und Cheyennes am Abend
vor der Schlacht am Little Big Horn zu den Sioux gestoßen waren, welche
selbst wieder über 2000 stark vertreten waren, daß also über 3000 Krieger
den 700 Reitern Custer's entgegenstanden, so daß die 450 Soldaten die den
Kampf im Thale über 6 Stunden lang auszuhalten hatten, denselben gegen
eine fast achtfache Uebermacht geführt haben. Am obern Big Horn Flusse
standen am nämlichen Tage etwa 1400 Reiter Sitting Bull's, gegen welche
er seine Hauptmacht am Abend des 26. zurückgehen ließ. -- Den Verlust
der Todten und Verwundeten auf Seite der Indianer, schätzt man nach Jn-
dianerberichten auf circa 700 Mann.

Dieser Sieg Sitting Bull's, der in der Geschichte der neueren Jndianer-
kämpfe fast beispiellos dasteht, hat dem kühnen Führer der feindlichen Sioux,


Custer vermuthete, doch wurden alle solche Versuche durch beträchtliche Massen
des Feindes verhindert, welche vor der die Avantgarde bildenden Infanterie des
Generals Gibbon sich ausammelten und nur langsam zurückwichen. Das Heran¬
rücken dieser Infanterie bewog den Feind wahrscheinlich die Einschließung Major
Nero's aufzugeben. Nach einem Marsche von 30 Miles am 26. und von 20
Miles während der folgenden Nacht und am Morgen des 27. erreichte die In¬
fanterie früh 9 Uhr endlich die Truppen des Majors Remo." —

Der Verlust der Indianer, vermuthet General Terry, müsse ein sehr
schwerer gewesen sein. Der Verlust der Truppen an Todten war 261 Mann,
worin 16 Offiziere inbegriffen, und 61 Verwundete. Die Zahl der engagir-
ten Truppen war genau 700 Mann, von denen aber 250 bei der Action im
Thale nicht Theil nahmen, sondern erst in Remo's Versteck in Thätigkeit
kamen, während 450 Mann, in zwei ganz getrennten Colonnen über 6 Stunden
lang gegen 2500 bis 3000 Indianer kämpften. Wie groß der Verlust der
Indianer wirklich gewesen, wird wohl kaum je genau ermittelt werden können.
Dieselben versuchen stets, auch wenn sie geschlagen werden, ihre Gefallenen
mitzunehmen; um so auffallender muß es daher scheinen und giebt einen
Beleg dafür, welchen Respekt ihnen die heldenmüthige Vertheidigung der
kleinen Colonnen Custer's und Remo's eingeflößt hat, daß auf der Wahlstatt
über 70 Leichen, und unter diesen 9 Häuptlinge, gefallener Indianer gefunden
wurden. Die Indianer waren Sieger und haben bis zur Zeit ihres Abmarsches
am Abend des 26. Juni Alles aufgeboten, ihren Todten den Schimpf zu er¬
sparen, vom Feinde gefunden zu werden. Wie Viele müssen daher gefallen
sein, daß die Ueberlebenden nicht genügend Zeit fanden, über 70 und darunter
sogar Häuptlinge, zu verstecken oder mit sich zu führen! Unter den ge¬
fundenen Indianern sind viele Arrapahoes und Cheyennes, ein Beweis, daß
Sitting Bull auch schon bei diesem ersten Kampf von den südlicheren Stäm¬
men unterstützt war. Nach glaubhaften Nachrichten ist seither ermittelt
worden, daß etwa 1200 Krieger der Arrapahoes und Cheyennes am Abend
vor der Schlacht am Little Big Horn zu den Sioux gestoßen waren, welche
selbst wieder über 2000 stark vertreten waren, daß also über 3000 Krieger
den 700 Reitern Custer's entgegenstanden, so daß die 450 Soldaten die den
Kampf im Thale über 6 Stunden lang auszuhalten hatten, denselben gegen
eine fast achtfache Uebermacht geführt haben. Am obern Big Horn Flusse
standen am nämlichen Tage etwa 1400 Reiter Sitting Bull's, gegen welche
er seine Hauptmacht am Abend des 26. zurückgehen ließ. — Den Verlust
der Todten und Verwundeten auf Seite der Indianer, schätzt man nach Jn-
dianerberichten auf circa 700 Mann.

Dieser Sieg Sitting Bull's, der in der Geschichte der neueren Jndianer-
kämpfe fast beispiellos dasteht, hat dem kühnen Führer der feindlichen Sioux,


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[0510] Custer vermuthete, doch wurden alle solche Versuche durch beträchtliche Massen des Feindes verhindert, welche vor der die Avantgarde bildenden Infanterie des Generals Gibbon sich ausammelten und nur langsam zurückwichen. Das Heran¬ rücken dieser Infanterie bewog den Feind wahrscheinlich die Einschließung Major Nero's aufzugeben. Nach einem Marsche von 30 Miles am 26. und von 20 Miles während der folgenden Nacht und am Morgen des 27. erreichte die In¬ fanterie früh 9 Uhr endlich die Truppen des Majors Remo." — Der Verlust der Indianer, vermuthet General Terry, müsse ein sehr schwerer gewesen sein. Der Verlust der Truppen an Todten war 261 Mann, worin 16 Offiziere inbegriffen, und 61 Verwundete. Die Zahl der engagir- ten Truppen war genau 700 Mann, von denen aber 250 bei der Action im Thale nicht Theil nahmen, sondern erst in Remo's Versteck in Thätigkeit kamen, während 450 Mann, in zwei ganz getrennten Colonnen über 6 Stunden lang gegen 2500 bis 3000 Indianer kämpften. Wie groß der Verlust der Indianer wirklich gewesen, wird wohl kaum je genau ermittelt werden können. Dieselben versuchen stets, auch wenn sie geschlagen werden, ihre Gefallenen mitzunehmen; um so auffallender muß es daher scheinen und giebt einen Beleg dafür, welchen Respekt ihnen die heldenmüthige Vertheidigung der kleinen Colonnen Custer's und Remo's eingeflößt hat, daß auf der Wahlstatt über 70 Leichen, und unter diesen 9 Häuptlinge, gefallener Indianer gefunden wurden. Die Indianer waren Sieger und haben bis zur Zeit ihres Abmarsches am Abend des 26. Juni Alles aufgeboten, ihren Todten den Schimpf zu er¬ sparen, vom Feinde gefunden zu werden. Wie Viele müssen daher gefallen sein, daß die Ueberlebenden nicht genügend Zeit fanden, über 70 und darunter sogar Häuptlinge, zu verstecken oder mit sich zu führen! Unter den ge¬ fundenen Indianern sind viele Arrapahoes und Cheyennes, ein Beweis, daß Sitting Bull auch schon bei diesem ersten Kampf von den südlicheren Stäm¬ men unterstützt war. Nach glaubhaften Nachrichten ist seither ermittelt worden, daß etwa 1200 Krieger der Arrapahoes und Cheyennes am Abend vor der Schlacht am Little Big Horn zu den Sioux gestoßen waren, welche selbst wieder über 2000 stark vertreten waren, daß also über 3000 Krieger den 700 Reitern Custer's entgegenstanden, so daß die 450 Soldaten die den Kampf im Thale über 6 Stunden lang auszuhalten hatten, denselben gegen eine fast achtfache Uebermacht geführt haben. Am obern Big Horn Flusse standen am nämlichen Tage etwa 1400 Reiter Sitting Bull's, gegen welche er seine Hauptmacht am Abend des 26. zurückgehen ließ. — Den Verlust der Todten und Verwundeten auf Seite der Indianer, schätzt man nach Jn- dianerberichten auf circa 700 Mann. Dieser Sieg Sitting Bull's, der in der Geschichte der neueren Jndianer- kämpfe fast beispiellos dasteht, hat dem kühnen Führer der feindlichen Sioux,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157684/510>, abgerufen am 28.09.2024.