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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. I. Band.

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Tag Heller wurde, konnten wir zahllose Horden der Feinde aus ihrem Lager
strömen und auf diejenigen Punkte der Höhen klettern sehen, welche ihre
Führer ihnen angewiesen hatten. Sie waren hinreichend stark genug, uns
vollständig einzuschließen. Ich glaube, wir kämpften gegen die ganze Nation
der feindlichen Sioux, wie auch gegen alle Desperados, Renegaten, Halb¬
indianer und Squaw Männer"), zwischen dem Missouri und Arkansas, und
östlich des Felsengebirges, denn wir sahen viele Weiße unter den Feinden.
Es waren der Feinde zum Mindesten 2500. Dieser furchtbare Angriff
dauerte bis halb zehn Uhr. Da entdeckten wir, daß der Feind Anstalten
zu einem weiteren verzweifelten Angriff machte, welcher hauptsächlich gegen
die Stellung der Compagnien H und M gerichtet war. Während dieses
Sturmes kamen sie nahe genug an uns heran, um auch ihre Pfeile und
Bogen gebrauchen zu können; ja wir verloren einen Mann durch den soge¬
nannten "Coup-stock"; wenn ich sage, daß der Stock 10 bis 12 Fuß lang
ist, kann man sich denken wie verzweifelt und kühn diese Wilden heranrück¬
ten. -- Um 2 Uhr zündeten die Indianer das Gras in der Tiefe an, wie
ich später entdeckte zu dem Zweck, um einen dichten Rauch zu erzeugen,
der ihre Bewegungen und das Auspacken ihrer Zelthütten verdecken sollte.
Durch Rauch und Feuer hindurch setzten sie ihre Angriffe fort, bis etwa um
6 Uhr der Rauch sich verminderte und auch das Feuer des Feindes eingestellt
wurde. Hinter dem sich lichtender Rauch erblickten wir den Feind, der sich
in vollständig militärischer Ordnung nach den Big Horn Bergen zurückzog.
Die Colonne der Indianer war vollauf von derselben Stärke, wie die eines
Cavallerie-Corps der Armee des Potomack, wie ich dieselbe so häufig auf dem
Marsche gesehen!" --

Nachdem General Terry in seinem Bericht die Namen der gefallenen
und verwundeten Offiziere und Mannschaften angegeben, erzählt er die Art
und Weise, wie er von dem Unglückstag erfahren. Auch diese Stelle des
Berichts ist interessant. "Früh Morgens halb fünf Uhr am 26. Juni ent¬
deckten meine Kundschafter Indianer, die sie zuerst für Sioux ansahen, welche
aber immer als Crow Indianer sich herausstellten, die als Kundschafter bei
General Custer gestanden waren. Sie brachten die ersten Berichte der Schlacht,
welche wir aber nicht glauben wollten. Wir nahmen an, es werde wohl ein
Kampf, ja vielleicht ein verzweifelter Kampf stattgefunden haben, aber daß
eine so furchtbare Katastrophe eine so starke Truppe von 12 Compagnien
erreichen könnte, das hielten wir alle für unmöglich. Im Laufe des Nach¬
mittags versuchte ich Kundschafter nach der Richtung zu entsenden, in der ich



-) Squaw Männer sind weiße Abenteurer, die sich Indianerinnen zu Frauen genommen
und dann unter den NotMutcn wohnen geblieben find.

Tag Heller wurde, konnten wir zahllose Horden der Feinde aus ihrem Lager
strömen und auf diejenigen Punkte der Höhen klettern sehen, welche ihre
Führer ihnen angewiesen hatten. Sie waren hinreichend stark genug, uns
vollständig einzuschließen. Ich glaube, wir kämpften gegen die ganze Nation
der feindlichen Sioux, wie auch gegen alle Desperados, Renegaten, Halb¬
indianer und Squaw Männer"), zwischen dem Missouri und Arkansas, und
östlich des Felsengebirges, denn wir sahen viele Weiße unter den Feinden.
Es waren der Feinde zum Mindesten 2500. Dieser furchtbare Angriff
dauerte bis halb zehn Uhr. Da entdeckten wir, daß der Feind Anstalten
zu einem weiteren verzweifelten Angriff machte, welcher hauptsächlich gegen
die Stellung der Compagnien H und M gerichtet war. Während dieses
Sturmes kamen sie nahe genug an uns heran, um auch ihre Pfeile und
Bogen gebrauchen zu können; ja wir verloren einen Mann durch den soge¬
nannten „Coup-stock"; wenn ich sage, daß der Stock 10 bis 12 Fuß lang
ist, kann man sich denken wie verzweifelt und kühn diese Wilden heranrück¬
ten. — Um 2 Uhr zündeten die Indianer das Gras in der Tiefe an, wie
ich später entdeckte zu dem Zweck, um einen dichten Rauch zu erzeugen,
der ihre Bewegungen und das Auspacken ihrer Zelthütten verdecken sollte.
Durch Rauch und Feuer hindurch setzten sie ihre Angriffe fort, bis etwa um
6 Uhr der Rauch sich verminderte und auch das Feuer des Feindes eingestellt
wurde. Hinter dem sich lichtender Rauch erblickten wir den Feind, der sich
in vollständig militärischer Ordnung nach den Big Horn Bergen zurückzog.
Die Colonne der Indianer war vollauf von derselben Stärke, wie die eines
Cavallerie-Corps der Armee des Potomack, wie ich dieselbe so häufig auf dem
Marsche gesehen!" —

Nachdem General Terry in seinem Bericht die Namen der gefallenen
und verwundeten Offiziere und Mannschaften angegeben, erzählt er die Art
und Weise, wie er von dem Unglückstag erfahren. Auch diese Stelle des
Berichts ist interessant. „Früh Morgens halb fünf Uhr am 26. Juni ent¬
deckten meine Kundschafter Indianer, die sie zuerst für Sioux ansahen, welche
aber immer als Crow Indianer sich herausstellten, die als Kundschafter bei
General Custer gestanden waren. Sie brachten die ersten Berichte der Schlacht,
welche wir aber nicht glauben wollten. Wir nahmen an, es werde wohl ein
Kampf, ja vielleicht ein verzweifelter Kampf stattgefunden haben, aber daß
eine so furchtbare Katastrophe eine so starke Truppe von 12 Compagnien
erreichen könnte, das hielten wir alle für unmöglich. Im Laufe des Nach¬
mittags versuchte ich Kundschafter nach der Richtung zu entsenden, in der ich



-) Squaw Männer sind weiße Abenteurer, die sich Indianerinnen zu Frauen genommen
und dann unter den NotMutcn wohnen geblieben find.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157684/509>, abgerufen am 28.09.2024.