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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. I. Band.

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Erst zu Anfang Juni d. I. war nach den fernen westlichen Stationen
eine genügende Zahl Truppen geschafft worden, um den Feldzug gegen die
feindlichen Sioux eröffnen zu können, ohne die Militairposten zu sehr zu
entblößen, welche die zweifelhaften Schaaren Red Cloud's, spottet Tait's
u. s. w,, die bis dahin ruhig in ihren Wohnsitzen waren, scharf bewachen mußten.
Die Zeit, einen Schlag gegen den Feind zu führen, drängte um so mehr
als auch südlicher gelegene Jndianerstämme, so die Cheyennes und Arra-
pahoes, Miene zeigten, sich Sitting Bull offen in Masse anzuschließen.

Die Truppen, welche den Krieg eröffnen sollten, waren Veteranen im
Indianer-Kampf und standen unter dem Oberbefehl des General Terry,
welchem General Custer, der von den Indianern gefürchtetste Offizier der Ver¬
einigten Staaten, beigegeben war. -- Die Streitkräfte der Regierung sollten
in zwei Colonnen vorwärtsrücken; die eine, aus 12 Compagnien Cavallerie
bestehend, befehligte Custer; die andere unter General Gibbon hatte 5
Compagnien Infanterie, 4 Schwadronen Cavallerie und eine Gattin-Batterie.
In weiterer Entfernung und erst zur späteren Action verwendbar, standen
die Truppen General Crook's am Old Woman's Fork. Die beiden Colonnen
sollten von der Mündung des Rosebud - Flusses an, jede abermals getheilt,
auf verschiedenen Wegen, in verschiedenen Richtungen gegen den Big Horn
Fluß vorgehen, so daß die Indianer, von allen Seiten gleichzeitig bedrängt,
am letztgenannten Flusse, wo man ihre Hauptlagerstätte vermuthete, ange.
griffen und vernichtet würden. Sie brachen am 22. Juni vom Rosebud auf,
und sollten sich am 27. desselben Monats am Big Horn treffen, um, nach¬
dem die Indianer durch das Vorwärtsdringen der vier Colonnen an einen
Punkt zusammengedrängt waren, diese dann vereint anzugreifen. Custer
marschirte den Rosebud-Fluß entlang aufwärts, bis er, nachdem er 20 Miles
vorwärts gedrungen war, eine starke, breite Jndianerspur traf, der er sofort
folgte und welche, wie vermuthet, nach dem Little Big Horn leitete. Den
23., 24. und die ganze Nacht auf den 25. Juni folgte Custer den Indianern,
welche nach Angabe seiner Kundschafter vor ihm flohen. Der erfahrene
Custer muß befürchtet haben, daß der Feind, welcher auch von dem Vorrücken
der Terry'schen Truppen Kenntniß haben mußte, sich durch Flucht der Ein¬
schließung größerer Truppenmassen zu entziehen suche, und faßte deshalb den
Entschluß, die Indianer anzugreifen, noch bevor Terry heran sein konnte,
der mit seinen Infanterie-Truppen langsamer marschirte als Custer.

Am Morgen des 25. Juni traf Custer am Little Big Horn Flusse auf
ein so ausgedehntes Jndianerlager, wie er und seine Veteranen es noch nie
gesehen. Dasselbe war 3 Miles lang und füllte das eine Ufer des schmalen
Flußthals vollständig aus. Custer beschloß dieses große Lager sofort, zwei
Tage vor der verabredeten Vereinigung mit Terry, anzugreifen. Den Kampf,


Erst zu Anfang Juni d. I. war nach den fernen westlichen Stationen
eine genügende Zahl Truppen geschafft worden, um den Feldzug gegen die
feindlichen Sioux eröffnen zu können, ohne die Militairposten zu sehr zu
entblößen, welche die zweifelhaften Schaaren Red Cloud's, spottet Tait's
u. s. w,, die bis dahin ruhig in ihren Wohnsitzen waren, scharf bewachen mußten.
Die Zeit, einen Schlag gegen den Feind zu führen, drängte um so mehr
als auch südlicher gelegene Jndianerstämme, so die Cheyennes und Arra-
pahoes, Miene zeigten, sich Sitting Bull offen in Masse anzuschließen.

Die Truppen, welche den Krieg eröffnen sollten, waren Veteranen im
Indianer-Kampf und standen unter dem Oberbefehl des General Terry,
welchem General Custer, der von den Indianern gefürchtetste Offizier der Ver¬
einigten Staaten, beigegeben war. — Die Streitkräfte der Regierung sollten
in zwei Colonnen vorwärtsrücken; die eine, aus 12 Compagnien Cavallerie
bestehend, befehligte Custer; die andere unter General Gibbon hatte 5
Compagnien Infanterie, 4 Schwadronen Cavallerie und eine Gattin-Batterie.
In weiterer Entfernung und erst zur späteren Action verwendbar, standen
die Truppen General Crook's am Old Woman's Fork. Die beiden Colonnen
sollten von der Mündung des Rosebud - Flusses an, jede abermals getheilt,
auf verschiedenen Wegen, in verschiedenen Richtungen gegen den Big Horn
Fluß vorgehen, so daß die Indianer, von allen Seiten gleichzeitig bedrängt,
am letztgenannten Flusse, wo man ihre Hauptlagerstätte vermuthete, ange.
griffen und vernichtet würden. Sie brachen am 22. Juni vom Rosebud auf,
und sollten sich am 27. desselben Monats am Big Horn treffen, um, nach¬
dem die Indianer durch das Vorwärtsdringen der vier Colonnen an einen
Punkt zusammengedrängt waren, diese dann vereint anzugreifen. Custer
marschirte den Rosebud-Fluß entlang aufwärts, bis er, nachdem er 20 Miles
vorwärts gedrungen war, eine starke, breite Jndianerspur traf, der er sofort
folgte und welche, wie vermuthet, nach dem Little Big Horn leitete. Den
23., 24. und die ganze Nacht auf den 25. Juni folgte Custer den Indianern,
welche nach Angabe seiner Kundschafter vor ihm flohen. Der erfahrene
Custer muß befürchtet haben, daß der Feind, welcher auch von dem Vorrücken
der Terry'schen Truppen Kenntniß haben mußte, sich durch Flucht der Ein¬
schließung größerer Truppenmassen zu entziehen suche, und faßte deshalb den
Entschluß, die Indianer anzugreifen, noch bevor Terry heran sein konnte,
der mit seinen Infanterie-Truppen langsamer marschirte als Custer.

Am Morgen des 25. Juni traf Custer am Little Big Horn Flusse auf
ein so ausgedehntes Jndianerlager, wie er und seine Veteranen es noch nie
gesehen. Dasselbe war 3 Miles lang und füllte das eine Ufer des schmalen
Flußthals vollständig aus. Custer beschloß dieses große Lager sofort, zwei
Tage vor der verabredeten Vereinigung mit Terry, anzugreifen. Den Kampf,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157684/506>, abgerufen am 28.09.2024.