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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. I. Band.

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Kräfte der Tochter aus; ihr Wohlstand war oft hart gefährdet durch die
launenhafte und rücksichtslose Politik des Londoner Cabinets. So stellten im
siebenjährigen Kriege die nordamerikanischen Colonien ein Hülssheer von
25,000 Mann, wofür das Parlament jährlich 200.000 Pfund bewilligte.
Endlich schloß der längst ersehnte Pariser Friede vom 10. Febr. 1763 den
Krieg ab; Englands Macht in Nordamerika stieg durch ihn ungemein auf
Kosten Frankreichs und Spaniens, und mit ungeteiltem Jubel begrüßte ihn
nicht nur England, sondern auch die treuen und anhänglichen Nordamerikaner
sahen mit englischem Stolze auf die Resultate desselben und freuten sich der
Erfolge ihrer Brüder. Selbst James Otis in Boston, der entschiedene Gegen¬
part englischer Selbstüberschätzung, spendete lautes Lob an England und seine
Verwaltung, pries die Verfassung, tadelte heftig "jene schwachen und ver¬
worrenen Köpfe", die das gegenseitige Vertrauen unterwühlen und Unfrieden
säen wollten, und meinte: "Was die göttliche Vorsehung mittelst solcher
Bande vereinigt, ein solch herrliches Ganze wage kein Mensch auseinander zu
zerren." Besser inspirirt und ein glücklicherer Prophet, sah der französische
Premier Herzog von Choiseul die Zukunft voraus und tröstete sich über die
Niederlage seines Cabinets bei dem Kampfe um die Vorherrschaft in Amerika
mit den Worten: "Sie werden Englands Schutz jetzt nicht mehr brauchen,
es wird von ihnen fordern, sie sollten zu den Lasten beitragen, welche sie ihm
mitaufgebürdet, und ihre Antwort wird die Abschüttelung ihrer Abhängig¬
keit sein." --

Die Regierungstaktik zielte jetzt auf engere Verkettung mit den Colonien
ab, wollte sie aber nicht auf dem Wege der Concessionen sondern durch Ein¬
schnürung erreichen; die Colonien aber, blühender und reicher als je zuvor,
begannen sich zu fühlen, wollten sich nicht mehr wie Kinder züchtigen lassen
oder die Vaterhand, die sie schlug, küssen. Wenn daher England bei seinem
Despotismus gegen sie verharrte, so mußte es zur Erhebung, zur Revolution
kommen. Immer und immer wieder hob man in England hervor, die Colo¬
nien müßten vom englischen Parlamente besteuert werden, sowohl im 17.
wie im 18. Jahrhunderte kehrte diese freilich bestrittene Ansicht wieder. War
auch Robert Walpole, der ihre Gefahren erkannte, dagegen und bekämpfte
er sie, so dachten seine Nachfolger anders; kleine Menschen, suchten sie nach
kleinen Mitteln, die er verschmäht hatte. Sie meinten, durch den siebenjährigen
Krieg habe Amerika vorzüglich gewonnen, warum sollte es nun nicht die
Staatsschuld Englands mittragen? Die welfische Krone, ihre Liebediener
dies- wie jenseits des Meeres und die bischöfliche Hochkirche sprachen für
Unterdrückung jeder Selbständigkeit und jedes Privilegs in Amerika; bei
dem Clerus wirkte sonderlich der Haß gegen das Puritanerthum mit; darin
legte ihm die Krone keinerlei Hemmnisse in den Weg, fand sie doch bei der


Kräfte der Tochter aus; ihr Wohlstand war oft hart gefährdet durch die
launenhafte und rücksichtslose Politik des Londoner Cabinets. So stellten im
siebenjährigen Kriege die nordamerikanischen Colonien ein Hülssheer von
25,000 Mann, wofür das Parlament jährlich 200.000 Pfund bewilligte.
Endlich schloß der längst ersehnte Pariser Friede vom 10. Febr. 1763 den
Krieg ab; Englands Macht in Nordamerika stieg durch ihn ungemein auf
Kosten Frankreichs und Spaniens, und mit ungeteiltem Jubel begrüßte ihn
nicht nur England, sondern auch die treuen und anhänglichen Nordamerikaner
sahen mit englischem Stolze auf die Resultate desselben und freuten sich der
Erfolge ihrer Brüder. Selbst James Otis in Boston, der entschiedene Gegen¬
part englischer Selbstüberschätzung, spendete lautes Lob an England und seine
Verwaltung, pries die Verfassung, tadelte heftig „jene schwachen und ver¬
worrenen Köpfe", die das gegenseitige Vertrauen unterwühlen und Unfrieden
säen wollten, und meinte: „Was die göttliche Vorsehung mittelst solcher
Bande vereinigt, ein solch herrliches Ganze wage kein Mensch auseinander zu
zerren." Besser inspirirt und ein glücklicherer Prophet, sah der französische
Premier Herzog von Choiseul die Zukunft voraus und tröstete sich über die
Niederlage seines Cabinets bei dem Kampfe um die Vorherrschaft in Amerika
mit den Worten: „Sie werden Englands Schutz jetzt nicht mehr brauchen,
es wird von ihnen fordern, sie sollten zu den Lasten beitragen, welche sie ihm
mitaufgebürdet, und ihre Antwort wird die Abschüttelung ihrer Abhängig¬
keit sein." —

Die Regierungstaktik zielte jetzt auf engere Verkettung mit den Colonien
ab, wollte sie aber nicht auf dem Wege der Concessionen sondern durch Ein¬
schnürung erreichen; die Colonien aber, blühender und reicher als je zuvor,
begannen sich zu fühlen, wollten sich nicht mehr wie Kinder züchtigen lassen
oder die Vaterhand, die sie schlug, küssen. Wenn daher England bei seinem
Despotismus gegen sie verharrte, so mußte es zur Erhebung, zur Revolution
kommen. Immer und immer wieder hob man in England hervor, die Colo¬
nien müßten vom englischen Parlamente besteuert werden, sowohl im 17.
wie im 18. Jahrhunderte kehrte diese freilich bestrittene Ansicht wieder. War
auch Robert Walpole, der ihre Gefahren erkannte, dagegen und bekämpfte
er sie, so dachten seine Nachfolger anders; kleine Menschen, suchten sie nach
kleinen Mitteln, die er verschmäht hatte. Sie meinten, durch den siebenjährigen
Krieg habe Amerika vorzüglich gewonnen, warum sollte es nun nicht die
Staatsschuld Englands mittragen? Die welfische Krone, ihre Liebediener
dies- wie jenseits des Meeres und die bischöfliche Hochkirche sprachen für
Unterdrückung jeder Selbständigkeit und jedes Privilegs in Amerika; bei
dem Clerus wirkte sonderlich der Haß gegen das Puritanerthum mit; darin
legte ihm die Krone keinerlei Hemmnisse in den Weg, fand sie doch bei der


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157684/50>, abgerufen am 27.09.2024.