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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. I. Band.

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werden). Nach Regelung des Territoriums hören für den Königsboten die
Unterschiede im Kreise der Administration auf" (d. i. mit Vernichtung der
sächsischen Verfassung wird die Comitatswirthschaft etablirt). §. 2 hebt das
Amt des Sachsengrafen auf und überträgt den werthlosen Titel dem Ober¬
gespan des Hermannstädter Comitats, aus "historischer Pietät", wie der Herr
Minister im Motivenbericht versichert. Nur eine Competenz bleibt der
künftig aus 20 Vertretern (9 der Städte, 11 des Landes) bestehenden, jährlich
einmal unter Vorsitz des Obergespans zusammentretender Nationsuniversität,
nämlich die Verwaltung des sehr beträchtlichen, besonders zur Unterhaltung
der deutschen Schulen verwendeten Nationsvermögens, von dem übrigens
ein Theil wieder nur den 7 (8) Stühlen des alten Hermannstädter Gaus
gehört, das sog. "Vermögen der sieben Richter". Aber es muß zu Gunsten
aller Bewohner des Königsbodens, auch der Romanen und Magyaren, die
niemals ein Eigenthumsrecht daran besaßen, und darf nur zu "cultureller"
Zwecken verwendet werden. Leider fand sich ein sächsischer Abgeordneter,
Friedrich Wächter, dazu bereit, als Referent diesen Gesetzentwurf vor dem
ungarischen Unterhause zu vertreten, wo er am 22., 23. und 24. März d. I.
zur Verhandlung kam. Alle übrigen, mit einer einzigen Ausnahme (Fabritius),
im Ganzen Is, reichten einen Gegenantrag ein, der um Verwerfung des
Entwurfs und Vorlegung eines neuen ersuchte. In dreitägiger Redeschlacht
haben die tapfern Männer, inmitten einer colossalen, feindseligen, von natio¬
nalem Stolz und Haß verblendeten magyarischen Majorität, die nicht selten
durch Lärm und Toben die Redner unterbrach, die Rechte ihres Landes un¬
erschrocken vertheidigt. Einander ablösend sprachen Gustav Kapp, Guido
von Baußnern, Adolf Zäh, Karl Gebbel. Emil von Trauschenfels, Eduard
Steinacker, soweit es tiefe innere Erregung zuließ, durchaus ruhig, sachgemäß
und überzeugend für jeden, der sich überzeugen lassen wollte. Sie wiesen
nachdrücklichst darauf hin, daß der Entwurf allen gesetzlichen Bestimmungen
des Unionsgesetzes, des Staatsgrundgesetzes also, schnurstracks widerspreche, daß,
weil sie principiell in demselben anerkannt sei, die sächsische Verfassung durch
einen zweiseitigen Vertrag garantirt sei, der nicht einseitig aufgehoben werden
könne, und daß man doch die Betreffenden nicht gehört habe. In schwung¬
vollen Appell wandte sich Baußnern an die Ehre der magyarischen Nation,
die ihr gebiete, feierliche Versprechungen nicht zu brechen. Trauschenfels machte
darauf aufmerksam, wie wenig es auch dem ungarischen Staatsinteresse ent¬
spreche, die blühende und geordnete Selbstverwaltung der Sachsen durch den
Wirrwarr und den Despotismus der Comitatswirthschaft, die als wahrhaft
"asiatisch" anerkannt sei, zu vernichten und so die Grundlagen zu untergraben,
auf denen, wie das Beispiel Englands lehre, der Parlamentarismus selber
beruhe. Steinacker endlich betonte besonders, daß du>es das Gesetz das bürger-


werden). Nach Regelung des Territoriums hören für den Königsboten die
Unterschiede im Kreise der Administration auf" (d. i. mit Vernichtung der
sächsischen Verfassung wird die Comitatswirthschaft etablirt). §. 2 hebt das
Amt des Sachsengrafen auf und überträgt den werthlosen Titel dem Ober¬
gespan des Hermannstädter Comitats, aus „historischer Pietät", wie der Herr
Minister im Motivenbericht versichert. Nur eine Competenz bleibt der
künftig aus 20 Vertretern (9 der Städte, 11 des Landes) bestehenden, jährlich
einmal unter Vorsitz des Obergespans zusammentretender Nationsuniversität,
nämlich die Verwaltung des sehr beträchtlichen, besonders zur Unterhaltung
der deutschen Schulen verwendeten Nationsvermögens, von dem übrigens
ein Theil wieder nur den 7 (8) Stühlen des alten Hermannstädter Gaus
gehört, das sog. „Vermögen der sieben Richter". Aber es muß zu Gunsten
aller Bewohner des Königsbodens, auch der Romanen und Magyaren, die
niemals ein Eigenthumsrecht daran besaßen, und darf nur zu „cultureller"
Zwecken verwendet werden. Leider fand sich ein sächsischer Abgeordneter,
Friedrich Wächter, dazu bereit, als Referent diesen Gesetzentwurf vor dem
ungarischen Unterhause zu vertreten, wo er am 22., 23. und 24. März d. I.
zur Verhandlung kam. Alle übrigen, mit einer einzigen Ausnahme (Fabritius),
im Ganzen Is, reichten einen Gegenantrag ein, der um Verwerfung des
Entwurfs und Vorlegung eines neuen ersuchte. In dreitägiger Redeschlacht
haben die tapfern Männer, inmitten einer colossalen, feindseligen, von natio¬
nalem Stolz und Haß verblendeten magyarischen Majorität, die nicht selten
durch Lärm und Toben die Redner unterbrach, die Rechte ihres Landes un¬
erschrocken vertheidigt. Einander ablösend sprachen Gustav Kapp, Guido
von Baußnern, Adolf Zäh, Karl Gebbel. Emil von Trauschenfels, Eduard
Steinacker, soweit es tiefe innere Erregung zuließ, durchaus ruhig, sachgemäß
und überzeugend für jeden, der sich überzeugen lassen wollte. Sie wiesen
nachdrücklichst darauf hin, daß der Entwurf allen gesetzlichen Bestimmungen
des Unionsgesetzes, des Staatsgrundgesetzes also, schnurstracks widerspreche, daß,
weil sie principiell in demselben anerkannt sei, die sächsische Verfassung durch
einen zweiseitigen Vertrag garantirt sei, der nicht einseitig aufgehoben werden
könne, und daß man doch die Betreffenden nicht gehört habe. In schwung¬
vollen Appell wandte sich Baußnern an die Ehre der magyarischen Nation,
die ihr gebiete, feierliche Versprechungen nicht zu brechen. Trauschenfels machte
darauf aufmerksam, wie wenig es auch dem ungarischen Staatsinteresse ent¬
spreche, die blühende und geordnete Selbstverwaltung der Sachsen durch den
Wirrwarr und den Despotismus der Comitatswirthschaft, die als wahrhaft
„asiatisch" anerkannt sei, zu vernichten und so die Grundlagen zu untergraben,
auf denen, wie das Beispiel Englands lehre, der Parlamentarismus selber
beruhe. Steinacker endlich betonte besonders, daß du>es das Gesetz das bürger-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157684/494>, abgerufen am 27.09.2024.