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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. I. Band.

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ihrer Verfassung und der territorialen Unantastbarkeit ihres Gebietes zu den
seinigen (6. December 1865). Doch abermals scheiterte, wie bekannt, der
Ausgleich.

Da wurde er endlich 1867. und nach ihm 1868 die Union zwischen
Ungarn und Siebenbürgen zur vollen Thatsache. - Auch sie garantirte aufs
Feierlichste die Rechte der Sachsen in den §. 8, 10 und 11 des 43. Gesetzartikels.
In dem ersteren wurde das ungarische Ministerium beauftragt, "zum Zwecke
der Sicherstellung der Selbstverwaltungsrechte der Stühle,
Districte und Städte des Königsbodens, der Organisirung ihrer
Vertretungskörper und der Feststellung des Wirkungskreises der sächsischen
Nationsuniversität" "mit Anhörung der Betreffenden einen solchen Gesetzent¬
wurf vorzulegen, der sowohl die auf Gesetzen und Verträgen beruhenden
Rechte als auch die Rechtsgleichheit aller dieses Territorium bewohnenden
Staatsbürger gehörig zu berücksichtigen und in Einklang zu bringen hat".
Und Z. 11 verfügte: "Die sächsische Nationsuniversität wird auch weiterhin
in ihrem Wirkungskreise belassen", natürlich unter der Aufsicht des Ministeri¬
ums und mit Aufhebung ihrer gerichtlichen Befugnisse, die an die königlichen
Gerichtshöfe übergingen. Auch als 1870 die Comitatsverwaltung gesetzlich
geregelt wurde, da wurde über den Königsboten ein besonderes Gesetz
in Aussicht gestellt. Bis dies erschien, blieb das Sachsenland ein durch Ver-
ordnungen, nicht Gesetze regiertes Territorium unter einem ernannten,
nicht gewählten Grafen (seit Februar 1868).

Seitdem ist eine Gesetzesverletzung der andern gefolgt. 1873 brachte
Graf Szapary, Minister des Innern, einen (übrigens nicht durchgeführten)
Gesetzesentwurf ein, der den Sachsenboden zerriß und seine einzelnen Fetzen
mit magyarischen und romanischen Bezirken zusammenkoppelte. Als die
Nationaluniversität, wie sie mußte und nach dem Gesetze von 1868 durfte,
dagegen Protest erhob (19. December 1873), vernichtete eine Ministerialver-
ordnung (27. Januar 1874) ihr garantirtes Recht, über allgemeine Angelegen¬
heiten sich vernehmen zu lassen und sie wurde geschlossen. Das nannten
die Magyaren "Sicherstellung der Selbstverwaltungsrechte", "Anhörung der
Betreffenden" ! Eine Jnterpellation der sächsischen Abgeordneten in Pest,
eine Petition der bedeutendsten sächsischen Städte und der Kreisversamm¬
lungen um Versetzung des Ministers in den Anklagezustand verhallte natür¬
lich ungehört.

Da kam das Ministerium Tisza und mit ihm endlich der Gesetzentwurf
über den Königsboten. Aber was brachte er? Gleich §. 1 desselben lautet
zahm genug in der Form: "Bei der Regelung der Municipalterritorien
(in Siebenbürgen) werden der Königsboten und die benachbarten Territorien
einer und derselben Rücksicht unterliegen (d. h. mit einander verschmolzen


ihrer Verfassung und der territorialen Unantastbarkeit ihres Gebietes zu den
seinigen (6. December 1865). Doch abermals scheiterte, wie bekannt, der
Ausgleich.

Da wurde er endlich 1867. und nach ihm 1868 die Union zwischen
Ungarn und Siebenbürgen zur vollen Thatsache. - Auch sie garantirte aufs
Feierlichste die Rechte der Sachsen in den §. 8, 10 und 11 des 43. Gesetzartikels.
In dem ersteren wurde das ungarische Ministerium beauftragt, „zum Zwecke
der Sicherstellung der Selbstverwaltungsrechte der Stühle,
Districte und Städte des Königsbodens, der Organisirung ihrer
Vertretungskörper und der Feststellung des Wirkungskreises der sächsischen
Nationsuniversität" „mit Anhörung der Betreffenden einen solchen Gesetzent¬
wurf vorzulegen, der sowohl die auf Gesetzen und Verträgen beruhenden
Rechte als auch die Rechtsgleichheit aller dieses Territorium bewohnenden
Staatsbürger gehörig zu berücksichtigen und in Einklang zu bringen hat".
Und Z. 11 verfügte: „Die sächsische Nationsuniversität wird auch weiterhin
in ihrem Wirkungskreise belassen", natürlich unter der Aufsicht des Ministeri¬
ums und mit Aufhebung ihrer gerichtlichen Befugnisse, die an die königlichen
Gerichtshöfe übergingen. Auch als 1870 die Comitatsverwaltung gesetzlich
geregelt wurde, da wurde über den Königsboten ein besonderes Gesetz
in Aussicht gestellt. Bis dies erschien, blieb das Sachsenland ein durch Ver-
ordnungen, nicht Gesetze regiertes Territorium unter einem ernannten,
nicht gewählten Grafen (seit Februar 1868).

Seitdem ist eine Gesetzesverletzung der andern gefolgt. 1873 brachte
Graf Szapary, Minister des Innern, einen (übrigens nicht durchgeführten)
Gesetzesentwurf ein, der den Sachsenboden zerriß und seine einzelnen Fetzen
mit magyarischen und romanischen Bezirken zusammenkoppelte. Als die
Nationaluniversität, wie sie mußte und nach dem Gesetze von 1868 durfte,
dagegen Protest erhob (19. December 1873), vernichtete eine Ministerialver-
ordnung (27. Januar 1874) ihr garantirtes Recht, über allgemeine Angelegen¬
heiten sich vernehmen zu lassen und sie wurde geschlossen. Das nannten
die Magyaren „Sicherstellung der Selbstverwaltungsrechte", „Anhörung der
Betreffenden" ! Eine Jnterpellation der sächsischen Abgeordneten in Pest,
eine Petition der bedeutendsten sächsischen Städte und der Kreisversamm¬
lungen um Versetzung des Ministers in den Anklagezustand verhallte natür¬
lich ungehört.

Da kam das Ministerium Tisza und mit ihm endlich der Gesetzentwurf
über den Königsboten. Aber was brachte er? Gleich §. 1 desselben lautet
zahm genug in der Form: „Bei der Regelung der Municipalterritorien
(in Siebenbürgen) werden der Königsboten und die benachbarten Territorien
einer und derselben Rücksicht unterliegen (d. h. mit einander verschmolzen


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[0493] ihrer Verfassung und der territorialen Unantastbarkeit ihres Gebietes zu den seinigen (6. December 1865). Doch abermals scheiterte, wie bekannt, der Ausgleich. Da wurde er endlich 1867. und nach ihm 1868 die Union zwischen Ungarn und Siebenbürgen zur vollen Thatsache. - Auch sie garantirte aufs Feierlichste die Rechte der Sachsen in den §. 8, 10 und 11 des 43. Gesetzartikels. In dem ersteren wurde das ungarische Ministerium beauftragt, „zum Zwecke der Sicherstellung der Selbstverwaltungsrechte der Stühle, Districte und Städte des Königsbodens, der Organisirung ihrer Vertretungskörper und der Feststellung des Wirkungskreises der sächsischen Nationsuniversität" „mit Anhörung der Betreffenden einen solchen Gesetzent¬ wurf vorzulegen, der sowohl die auf Gesetzen und Verträgen beruhenden Rechte als auch die Rechtsgleichheit aller dieses Territorium bewohnenden Staatsbürger gehörig zu berücksichtigen und in Einklang zu bringen hat". Und Z. 11 verfügte: „Die sächsische Nationsuniversität wird auch weiterhin in ihrem Wirkungskreise belassen", natürlich unter der Aufsicht des Ministeri¬ ums und mit Aufhebung ihrer gerichtlichen Befugnisse, die an die königlichen Gerichtshöfe übergingen. Auch als 1870 die Comitatsverwaltung gesetzlich geregelt wurde, da wurde über den Königsboten ein besonderes Gesetz in Aussicht gestellt. Bis dies erschien, blieb das Sachsenland ein durch Ver- ordnungen, nicht Gesetze regiertes Territorium unter einem ernannten, nicht gewählten Grafen (seit Februar 1868). Seitdem ist eine Gesetzesverletzung der andern gefolgt. 1873 brachte Graf Szapary, Minister des Innern, einen (übrigens nicht durchgeführten) Gesetzesentwurf ein, der den Sachsenboden zerriß und seine einzelnen Fetzen mit magyarischen und romanischen Bezirken zusammenkoppelte. Als die Nationaluniversität, wie sie mußte und nach dem Gesetze von 1868 durfte, dagegen Protest erhob (19. December 1873), vernichtete eine Ministerialver- ordnung (27. Januar 1874) ihr garantirtes Recht, über allgemeine Angelegen¬ heiten sich vernehmen zu lassen und sie wurde geschlossen. Das nannten die Magyaren „Sicherstellung der Selbstverwaltungsrechte", „Anhörung der Betreffenden" ! Eine Jnterpellation der sächsischen Abgeordneten in Pest, eine Petition der bedeutendsten sächsischen Städte und der Kreisversamm¬ lungen um Versetzung des Ministers in den Anklagezustand verhallte natür¬ lich ungehört. Da kam das Ministerium Tisza und mit ihm endlich der Gesetzentwurf über den Königsboten. Aber was brachte er? Gleich §. 1 desselben lautet zahm genug in der Form: „Bei der Regelung der Municipalterritorien (in Siebenbürgen) werden der Königsboten und die benachbarten Territorien einer und derselben Rücksicht unterliegen (d. h. mit einander verschmolzen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157684/493>, abgerufen am 27.09.2024.