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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. I. Band.

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soll. Franken haben zu ihr keinen Zutritt, sie sollen nicht einmal den Hof
der Moschee betreten. White erzählt in dieser Beziehung : "Bei einer Streiferei,
die ich mit dem belgischen Gesandten, Baron von Behr, durch die Stadt und
ihre Umgebung machte, wagten wir die Pforte des malerischen Hofes zu
öffnen, in dem sich der Brunnen für die religiösen Abwaschungen und das
Grab des Heiligen befinden, und gingen hinter einem Kawaß (türkischem
Consulats- oder Gesandtschaftsdiener) her auf die Moschee selbst zu, in die wir
einen Blick zu thun wünschten. Aber unsere unheilige Gegenwart erregte
bald allgemeine Aufmerksamkeit. Ein paar Sekunden, und wir waren um¬
ringt von einer Schaar von Buben und alten Weibern, die uns mit den ab¬
scheulichsten Schimpfreden auf die Tugend unserer Mütter, Schwestern und
Tanten überhäuften, und wer weiß, ob diesen Lästerungen nicht Gewalt¬
thätigkeiten gefolgt wären, wenn Emin, der Kawaß, ihnen nicht eine kühne
Stirn gezeigt und geschworen hätte, daß wir Bujuk Elchis (außerordentliche
Botschafter), Schahzade (Königssöhne) und wo möglich noch größere Thiere
seien. Die Buben ließen sich hierdurch einigermaßen beschwichtigen, die alten
Hexen aber fuhren fort, uns zu sagen, daß sie auf unsere ungläubigen Bärte
spieen und auf unsere Hüte .... sowie auf die Hüte unsrer Väter und
Großväter bis zur Schöpfung zurück, so daß wir uns eiligst entfernten und
froh waren, wie wir uns wieder draußen befanden." Dem Versasser dieser
Auszüge ging es 1859 beinahe ebenso, als er mit einem strammen preußischen
Ulanenlieutenant sich unterfing, den Hof des heiligen Fahnenträgers Ejub
mit seinen ungläubigen Stiefelsohlen zu entweihen.

Die 1470 gegründete Bibliothek der Moschee Mehemed's des Zweiten, die
ungefähr tausend Bände, meist theologischen und juristischen Inhalts, umfaßt
und einige schöne Koranexemplare besitzt. Sie befindet sich in der Moschee
selbst und zwar rechts von der Kanzel. Die Bibliothek Bajasid's des Zweiten,
1607 gestiftet und 1400 Bände stark, die meist ebenfalls von juristischen und
theologischen Dingen handeln und zum Theil ein Vermächtniß Abdullah
Effendi's sind, der unter Murad dem Dritten Scheich ni Islam war. Eine
vierte etwa 1350 Bücher zählende Bibliothek ist mit der Moschee Selim's des
Ersten verbunden, der die ihr angehörenden werthvollen Manuscripte während
seiner Feldzüge in Syrien und Aegypten sammelte. Reicher ist die zur
Suleimans - Moschee gehörige Büchersammlung, welche 1730 Bände enthält.
Zu den ältesten und reichsten Bibliotheken Stambuls zählt die von Mehemed
dem Zweiten 1456 gestiftete und von Mahmud dem Ersten 1744 vervoll¬
ständigte, welche mit der Aja Sofia in Verbindung steht und außer einem
Koran, den Ali geschrieben haben soll, noch viele andere seltene Manuscripte
besitzt. Noch bedeutender ist die Büchersammlung, die mit der Nuri Osmanije
verbunden ist und aus dem Jahr 1755 stammt. Sie ist eine der schönsten


soll. Franken haben zu ihr keinen Zutritt, sie sollen nicht einmal den Hof
der Moschee betreten. White erzählt in dieser Beziehung : „Bei einer Streiferei,
die ich mit dem belgischen Gesandten, Baron von Behr, durch die Stadt und
ihre Umgebung machte, wagten wir die Pforte des malerischen Hofes zu
öffnen, in dem sich der Brunnen für die religiösen Abwaschungen und das
Grab des Heiligen befinden, und gingen hinter einem Kawaß (türkischem
Consulats- oder Gesandtschaftsdiener) her auf die Moschee selbst zu, in die wir
einen Blick zu thun wünschten. Aber unsere unheilige Gegenwart erregte
bald allgemeine Aufmerksamkeit. Ein paar Sekunden, und wir waren um¬
ringt von einer Schaar von Buben und alten Weibern, die uns mit den ab¬
scheulichsten Schimpfreden auf die Tugend unserer Mütter, Schwestern und
Tanten überhäuften, und wer weiß, ob diesen Lästerungen nicht Gewalt¬
thätigkeiten gefolgt wären, wenn Emin, der Kawaß, ihnen nicht eine kühne
Stirn gezeigt und geschworen hätte, daß wir Bujuk Elchis (außerordentliche
Botschafter), Schahzade (Königssöhne) und wo möglich noch größere Thiere
seien. Die Buben ließen sich hierdurch einigermaßen beschwichtigen, die alten
Hexen aber fuhren fort, uns zu sagen, daß sie auf unsere ungläubigen Bärte
spieen und auf unsere Hüte .... sowie auf die Hüte unsrer Väter und
Großväter bis zur Schöpfung zurück, so daß wir uns eiligst entfernten und
froh waren, wie wir uns wieder draußen befanden." Dem Versasser dieser
Auszüge ging es 1859 beinahe ebenso, als er mit einem strammen preußischen
Ulanenlieutenant sich unterfing, den Hof des heiligen Fahnenträgers Ejub
mit seinen ungläubigen Stiefelsohlen zu entweihen.

Die 1470 gegründete Bibliothek der Moschee Mehemed's des Zweiten, die
ungefähr tausend Bände, meist theologischen und juristischen Inhalts, umfaßt
und einige schöne Koranexemplare besitzt. Sie befindet sich in der Moschee
selbst und zwar rechts von der Kanzel. Die Bibliothek Bajasid's des Zweiten,
1607 gestiftet und 1400 Bände stark, die meist ebenfalls von juristischen und
theologischen Dingen handeln und zum Theil ein Vermächtniß Abdullah
Effendi's sind, der unter Murad dem Dritten Scheich ni Islam war. Eine
vierte etwa 1350 Bücher zählende Bibliothek ist mit der Moschee Selim's des
Ersten verbunden, der die ihr angehörenden werthvollen Manuscripte während
seiner Feldzüge in Syrien und Aegypten sammelte. Reicher ist die zur
Suleimans - Moschee gehörige Büchersammlung, welche 1730 Bände enthält.
Zu den ältesten und reichsten Bibliotheken Stambuls zählt die von Mehemed
dem Zweiten 1456 gestiftete und von Mahmud dem Ersten 1744 vervoll¬
ständigte, welche mit der Aja Sofia in Verbindung steht und außer einem
Koran, den Ali geschrieben haben soll, noch viele andere seltene Manuscripte
besitzt. Noch bedeutender ist die Büchersammlung, die mit der Nuri Osmanije
verbunden ist und aus dem Jahr 1755 stammt. Sie ist eine der schönsten


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157684/478>, abgerufen am 27.09.2024.