Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. I. Band.beträgt. Nun erst wird die Auflage den Buchhändlern übergeben, die natür¬ Bei Manuscripten kommt Alles auf die Schönheit der Schrift, auf Der Sahaf hat niemals andere Bücher als die "in den drei Sprachen" Nur sehr wenige von diesen Büchern stammen aus den letzten hundert Mrcnzlwten III 1876. 59
beträgt. Nun erst wird die Auflage den Buchhändlern übergeben, die natür¬ Bei Manuscripten kommt Alles auf die Schönheit der Schrift, auf Der Sahaf hat niemals andere Bücher als die „in den drei Sprachen" Nur sehr wenige von diesen Büchern stammen aus den letzten hundert Mrcnzlwten III 1876. 59
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0473" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/136584"/> <p xml:id="ID_1235" prev="#ID_1234"> beträgt. Nun erst wird die Auflage den Buchhändlern übergeben, die natür¬<lb/> lich ebenfalls ihren Profit haben wollen, und da ihre Preise willkürliche sind,<lb/> so kommt es nicht selten vor, daß sie ein Werk, welches dem Herausgeber alles<lb/> in Allem 26 Piaster per Exemplar gekostet hat, nicht unter 200 Piaster verkaufen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1236"> Bei Manuscripten kommt Alles auf die Schönheit der Schrift, auf<lb/> die Verzierungen und auf den Ruf des Kalligraphen an, der sie geschrieben<lb/> hat. Der Preis eines Korans, der betläufig nicht an Christen verkauft wer¬<lb/> den soll, schwankt zwischen 100 und 10,000 Piastern (19—1900 Mark), be¬<lb/> sonders schöne Exemplare aber, wie die von dem berühmten Scheich Effendi,<lb/> der um den Anfang des vorigen Jahrhunderts lebte, werden mit 25 bis<lb/> 50,000 Piastern bezahlt. Mit den Buchbindern haben die Buchhändler wenig<lb/> zu thun. Druckwerke werden, wie bemerkt, den letzteren vom Heraus¬<lb/> geber gewöhnlich gebunden oder geheftet übergeben, und mit den Hand¬<lb/> schriften ist es ebenso. Bittet man den Sahaf, ein Werk binden zu lassen,<lb/> so giebt er zur Antwort: „Das ist nicht unsere Sache; geh Du zum Mudschellid."</p><lb/> <p xml:id="ID_1237"> Der Sahaf hat niemals andere Bücher als die „in den drei Sprachen"<lb/> geschriebene, d. h. türkische, arabische und persische, zu verkaufen. Dem In¬<lb/> halte nach bestehen sie in Koranen, den verschiedenen theologischen und juri¬<lb/> stischen Commentaren (Tesfirs) zum Koran, Collectiven der mündlichen Ueber¬<lb/> lieferungen von Muhamed (Kutubi Hadiß), unter denen die Sammlung des<lb/> Scheichs Bukari die erste Stelle einnimmt, Gesetzbüchern. Sammlungen von<lb/> Fetwas, über die wir sogleich Näheres sagen werden, methaphysischen Wer¬<lb/> ken, grammatischen, historischen, geographischen, mathematischen, medicinischen<lb/> und belletristischen Schriften.</p><lb/> <p xml:id="ID_1238" next="#ID_1239"> Nur sehr wenige von diesen Büchern stammen aus den letzten hundert<lb/> Jahren. Dahin gehören die Divane (Gedichtsammlungen) des Mollah Jzzet,<lb/> der in Siwas hingerichtet wurde, weil er sich dem vorletzten Kriege mit<lb/> Rußland widersetzte, und seiner Schwester Leila Chauna, deren Poesien<lb/> sehr geschätzt werden, und die Divane der Paschas Perles und Akis, von<lb/> denen der erstere wegen des Schwunges seiner Gedanken, letzterer wegen<lb/> der Reinheit seines Stiles bewundert wird. Als Hauptwerke auf dem Ge¬<lb/> biete der Jurisprudenz gelten die Multeka des 1549 gestorbenenen Rechts-<lb/> gelehrten Ibrahim Halebi, die aus 27,000 Fragen und Antworten über alle<lb/> Möglichen Fälle der Civil- und Criminaljustiz besteht, und die um das<lb/> Jahr 1510 geschriebene Muktarat oder Fetwa-Sammlung des Muftis Ali<lb/> Dschemali. Dieser Beamte war ebenso berühmt wegen seiner Gelehrsamkeit,<lb/> als wegen seiner einfachen Lebensweise. Vor seinem Fenster hing ein Korb,<lb/> mittelst dessen ihm alle Gläubigen ihre Rechtsfragen zukommen zu lassen im<lb/> Stande waren. Nach dem Abendgebet wurde derselbe ausgeleert und am<lb/> andern Morgen mit den gewünschten Fetwas oder Antworten wieder vor das</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> Mrcnzlwten III 1876. 59</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0473]
beträgt. Nun erst wird die Auflage den Buchhändlern übergeben, die natür¬
lich ebenfalls ihren Profit haben wollen, und da ihre Preise willkürliche sind,
so kommt es nicht selten vor, daß sie ein Werk, welches dem Herausgeber alles
in Allem 26 Piaster per Exemplar gekostet hat, nicht unter 200 Piaster verkaufen.
Bei Manuscripten kommt Alles auf die Schönheit der Schrift, auf
die Verzierungen und auf den Ruf des Kalligraphen an, der sie geschrieben
hat. Der Preis eines Korans, der betläufig nicht an Christen verkauft wer¬
den soll, schwankt zwischen 100 und 10,000 Piastern (19—1900 Mark), be¬
sonders schöne Exemplare aber, wie die von dem berühmten Scheich Effendi,
der um den Anfang des vorigen Jahrhunderts lebte, werden mit 25 bis
50,000 Piastern bezahlt. Mit den Buchbindern haben die Buchhändler wenig
zu thun. Druckwerke werden, wie bemerkt, den letzteren vom Heraus¬
geber gewöhnlich gebunden oder geheftet übergeben, und mit den Hand¬
schriften ist es ebenso. Bittet man den Sahaf, ein Werk binden zu lassen,
so giebt er zur Antwort: „Das ist nicht unsere Sache; geh Du zum Mudschellid."
Der Sahaf hat niemals andere Bücher als die „in den drei Sprachen"
geschriebene, d. h. türkische, arabische und persische, zu verkaufen. Dem In¬
halte nach bestehen sie in Koranen, den verschiedenen theologischen und juri¬
stischen Commentaren (Tesfirs) zum Koran, Collectiven der mündlichen Ueber¬
lieferungen von Muhamed (Kutubi Hadiß), unter denen die Sammlung des
Scheichs Bukari die erste Stelle einnimmt, Gesetzbüchern. Sammlungen von
Fetwas, über die wir sogleich Näheres sagen werden, methaphysischen Wer¬
ken, grammatischen, historischen, geographischen, mathematischen, medicinischen
und belletristischen Schriften.
Nur sehr wenige von diesen Büchern stammen aus den letzten hundert
Jahren. Dahin gehören die Divane (Gedichtsammlungen) des Mollah Jzzet,
der in Siwas hingerichtet wurde, weil er sich dem vorletzten Kriege mit
Rußland widersetzte, und seiner Schwester Leila Chauna, deren Poesien
sehr geschätzt werden, und die Divane der Paschas Perles und Akis, von
denen der erstere wegen des Schwunges seiner Gedanken, letzterer wegen
der Reinheit seines Stiles bewundert wird. Als Hauptwerke auf dem Ge¬
biete der Jurisprudenz gelten die Multeka des 1549 gestorbenenen Rechts-
gelehrten Ibrahim Halebi, die aus 27,000 Fragen und Antworten über alle
Möglichen Fälle der Civil- und Criminaljustiz besteht, und die um das
Jahr 1510 geschriebene Muktarat oder Fetwa-Sammlung des Muftis Ali
Dschemali. Dieser Beamte war ebenso berühmt wegen seiner Gelehrsamkeit,
als wegen seiner einfachen Lebensweise. Vor seinem Fenster hing ein Korb,
mittelst dessen ihm alle Gläubigen ihre Rechtsfragen zukommen zu lassen im
Stande waren. Nach dem Abendgebet wurde derselbe ausgeleert und am
andern Morgen mit den gewünschten Fetwas oder Antworten wieder vor das
Mrcnzlwten III 1876. 59
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